Ein Dutzend Jahre und ein Bücherpaket

Ein Dutzend Jahre Kaffeehaussitzer: Ein Dutzend Buecher

Das Dutzend ist voll: Vor zwölf Jahren, am 16. Juni 2013, ist der erste Beitrag hier im Blog Kaffeehaussitzer online gegangen. Dass dies ausgerechnet am Datum des Bloomsday geschah, ist ein nettes Detail, aber das war völliger Zufall. Jedenfalls habe ich an jenem Tag zum ersten Mal den Button »Veröffentlichen« angeklickt und war dabei neugierig und gespannt, ob auch alles funktionieren würde. Es hat funktioniert, aber was sich alles aus diesem Moment entwickeln sollte, hätte ich niemals für möglich gehalten – so viele Rückmeldungen, Kontakte, Erlebnisse, Projekte, Aktionen, Reisen, sogar ein neuer Job. Der Blog ist in kürzester Zeit ein wichtiger Teil meines Lebens geworden, die virtuelle und die analoge Welt sind in ihm untrennbar miteinander verbunden. Mit dem Schreiben über Bücher und Leseerlebnisse habe ich etwas gefunden, wofür ich brenne, etwas, worin – bitte entschuldigt die Plattitüde – unendlich viel Herzblut geflossen ist und weiter fließen wird. Aber ich will mich nicht wiederholen, denn einen ausführlichen Bericht darüber, wie hier alles begann, wie sich eines zum anderen fügte und was der Blog für mein Leben bedeutet, gab es bereits zum Zehnjährigen – wobei es faszinierend und ein wenig beunruhigend ist, wie schnell schon wieder zwei Jahre ins Land gegangen sind. 

Ein Dutzend Jahre – ein Dutzend Bücher: Buchpaket zu gewinnen

Aber langer Rede kurzer Sinn: Zum vollen Dutzend habe ich mir etwas Besonderes ausgedacht – für Euch, die Leserinnen und Leser dieses Blogs. Denn zum ersten Mal findet hier im virtuellen Kaffeehaus eine Verlosung statt! Zu gewinnen gibt es – natürlich – Bücher. Und zwar ein ganzes Paket davon: Aus jedem Blog-Jahr seit dem ersten Beitrag 2013 habe ich einen der vorgestellten Titel herausgepickt – ein Dutzend Jahre ergeben ein Dutzend Bücher. 

Dieses Buchpaket verlose ich. Und zwar als Ganzes. Die Gewinnerin oder der Gewinner erhält also zwölf Bücher von mir. Alle nigelnagelneu, erstanden in einer der Buchhandlungen meines Vertrauens. Was ihr dafür tun müsst? Das erkläre ich gleich, hier kommt erst einmal die Titelliste.


Sven Regener: Herr Lehmann (vorgestellt 2013)
»Herr Lehmann« war die erste Buchbesprechung hier im Blog und das ist nicht verwunderlich: Dieses Buch begleitet mich seit seinem Erscheinungsjahr 2001 und seitdem lese ich es jedes Jahr aufs Neue. Das fühlt sich immer an, als würde ich alte Freunde treffen und jedes Mal freue ich mich auf die letzten beiden Sätze, die für mich die perfekte Lebensphilosophie beschreiben. 

Thomas Willmann: Das finstere Tal (vorgestellt 2014)
Ein einsames Dorf in den Bergen. Ein düsteres Geheimnis. Ein Fremder. Eine Abrechnung – das alles zusammen ergibt eine mitreißend erzählte Geschichte, sprachgewaltig, düster, einzigartig: Ein Buch, wie man es nicht oft findet in seinem Leserleben. Und das man nicht wieder vergisst.

Anne von Canal: Grund (vorgestellt 2015)
Als ein junger Mann beschließt, der Bevormundung durch seinen Vater zu entkommen, trifft er zum ersten Mal in seinem Leben eine eigene Entscheidung. Die dramatische Folgen haben wird und eine Kettenreaktion auslöst, bis er letztendlich vor den Trümmern seiner Existenz steht. Keine leichte Lektüre, aber ein wundervolles Buch, das mich tief berührt hat. Es gehört zum Vermächtnis von Anne von Canal, die eine brillante Autorin war und ein wunderbarer Mensch. Im Oktober 2022 ist sie viel zu jung gestorben. 

Jean-Michel Guenassia: Der Club der unverbesserlichen Optimisten (vorgestellt 2016)
Ein schönes Beispiel für den Spruch »Don’t judge a book by its cover«, denn das Umschlagbild mit dem Motiv eines verliebten Paares hat nicht viel mit der Handlung zu tun. Dies ist kein Liebesroman, sondern es geht um das Gefühl der Heimatlosigkeit und um Schicksale von Emigranten aus dem Ostblock zu Zeiten des Kalten Krieges. Um das Zerbrechen einer Pariser Oberschichten-Familie. Es geht um Literatur, um Ideologien, um den Existenzialismus. Um Schach. Um das Aufwachsen. Und – ja, natürlich doch – um die Liebe.

Hari Kunzru: White Tears (vorgestellt 2017)
Was ist das für ein Buch? Ein Krimi? Eine Bluesgeschichte? Eine Gesellschaftsstudie? Eine Schauergeschichte? Ein Roadmovie? Es ist nicht einzuordnen und diese Vielschichtigkeit macht den Roman zu einer außergewöhnlichen und ganz besonderen Lektüre.

Hilmar Klute: Was dann nachher so schön fliegt (vorgestellt 2018)
Ein wunderbarer Roman über das Erwachsenwerden und den Aufbruch ins Leben, in dem ich diese wunderbare Textstelle gefunden habe: 
»Und du?«, fragte er. »Schon Pläne?«
»Ja«, sagte ich, »ich will Gedichte schreiben und davon leben.«
Er überlegte kurz, justierte den Strohhalm an der Cola-Flasche mit dem Mund und sagte, bevor er daran zog: »Klingt ganz vernünftig.«

Guillermo Arriaga: Der Wilde (vorgestellt 2019)
Ein Buchhändler in einer der Buchhandlungen meines Vertrauens drückte mir diesen Roman in die Hand und sagte: »Les das mal.« Habe ich dann gemacht – was für ein grandioser, atemberaubender Trip. Und Jahre später muss ich das Buch nur anschauen und bin wieder mitten in dieser perfekt komponierten Geschichte, in der souverän verschiedene Zeitebenen und Handlungsstränge miteinander verwoben sind. 

Donna Tartt: Der Distelfink (vorgestellt 2020)
Ich beneide alle Menschen, die dieses Buch noch nicht kennen und damit dieses überwältigende Leseerlebnis noch vor sich haben.

Steffen Kopetzky: Propaganda (vorgestellt 2021)
Die Handlung reicht vom Zweiten Weltkrieg und der blutigen Schlacht im Hürtgenwald bis zur Veröffentlichung der »Pentagon Papers«, die maßgeblich zur Beendigung des Vietnamkriegs beitrugen. Der Roman schildert dabei, wie staatliche Propaganda sich durch die öffentliche Meinung frisst, wie sie demokratische Strukturen zerstören und Gesellschaften verändern kann. Und damit ist er trotz des historischen Settings aktueller denn je.

Lydia Sandgren: Gesammelte Werke (vorgestellt 2022)
Als ich fünfzig wurde, habe ich eine Liste erstellt mit den Büchern meines Lebens. »Gesammelte Werke« ist erst danach erschienen, aber wenn eines Tages die Liste weitergeführt wird, dann ist dieser Roman mit dabei. Genauso wie »Der Distelfink« von Donna Tartt. 

Graham Norton: Heimweh (vorgestellt 2023)
Es gibt diese Sätze, die etwas mit einem machen, die an Gefühle rühren, die man tief in sich trägt. In diesem Buch habe ich eine Textstelle gefunden, die für mich zum Besten gehört, was ich jemals über das Thema Heimat gelesen habe. Und die mir nie mehr aus dem Kopf gehen wird. 

Dana Vowinckel: Gewässer im Ziplock (vorgestellt 2024)
Eine jüdisch-deutsch-amerikanische Familiengeschichte zwischen Berlin, Chicago und Jerusalem, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Alltag und Ausnahmezustand. Und für mich einer der besten Debütromane der letzten Jahre.


Die Verlosung des Buchpakets

So, das ist es also, das Dutzend Bücher, das es zu gewinnen gibt. Und so könnt ihr an der Verlosung teilnehmen: 

  • Kommentiert diesen Beitrag hier im Blog.
  • Lasst in dem Kommentar einen Buchtipp da.
  • Egal ob Lieblingsbuch oder aktuelle Lektüre oder ein Werk, das euch am Herzen liegt: einfach Buchtitel mit Namen des Autors oder der Autorin nennen und dazu – wenn ihr mögt – gerne ein, zwei Sätze zum Inhalt schreiben.
  • Unter allen Kommentierenden und Buchtippgebenden verlose ich das Buchpaket.
  • Die Teilnahmemöglichkeit an der Verlosung endet am 12. Juli 2025 

Seid ihr dabei? Ich wünsche es mir sehr. Denn je mehr Leserinnen und Leser sich beteiligen, desto mehr völlig unterschiedliche Buchtipps kommen zusammen – und darauf bin ich sehr gespannt.


Hier noch das Kleingedruckte

Unter den Kommentaren unter diesem Blogbeitrag wird ein Buchpaket mit allen zwölf Titeln, die in diesem Text genannt sind, verlost. In die Lostrommel kommen nur die Kommentare, die einen Buchtipp enthalten und die bis zum 12. Juli 2025 eingegangen sind. Teilnahme ab 18. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Es ist eine private Verlosung ohne gewerbliche Absichten, die Bücher sind von mir für diese Verlosung selbst gekauft. Ein Versand ist nur innerhalb Deutschlands oder nach Österreich möglich, die Portokosten trage ich. Die Benachrichtigung des Gewinners erfolgt per E-Mail. Sobald die postalische Gewinneradresse vorliegt, wird das Buchpaket versandt; die Adresse wird weder gespeichert noch weitergegeben.  


Dann bleibt mir nur noch, euch viel Glück zu wünschen. Ich freue mich auf Eure Kommentare. 

#SupportYourLocalBookstore

Ein Buch für Herrn Merz. Mit einem Brief

Jens Bisky, »Die Entscheidung«: Ein Buch für Herrn Merz

Im letzten Blogbeitrag ging es um das Buch »Die Entscheidung« von Jens Bisky. Es ist ein großartiges Werk, in dem das Scheitern und das blutige Ende der Weimarer Republik geschildert werden. Unzählige darin aufbereitete historische Details ergeben ein lebendiges Bild dieser Jahre, die unsere Welt geprägt haben, bis heute. Und es wird dabei klar, dass die faschistische Terrorherrschaft des »Dritten Reichs« kein Betriebsunfall der Geschichte war, sondern bis zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte verhindert werden können. Angesichts der Zunahme dumpfen rechtsradikalen Denkens und angesichts eines weltweit zu beobachtenden politischen Rechtsrucks hat das Buch einen aktuellen Bezug, der erschreckend ist. Besonders vor dem Hintergrund der Geschichtsvergessenheit des momentanen CDU-Kanzlerkandidaten, der aus wahlkampftaktischen Gründen den Schulterschluss mit Rechtsextremen sucht. Wie naiv kann man sein? Und wie wenig kann man aus der Geschichte gelernt haben? 

Beendet hatte ich die Buchvorstellung mit den Worten: »Vielleicht sollte ich Herrn Merz dieses Buch schicken. Und am besten beginnt er die Lektüre mit dem letzten Satz: ›Wer heute auf das Ende Weimars zurückblickt, weiß: Es ist politisch leichtfertig, nicht mit dem Schlimmsten zu rechnen.‹«

Und genau das habe ich nun gemacht: Herrn Merz dieses Buch geschickt. Der Rowohlt Verlag hat mir freundlicherweise ein Exemplar dafür zur Verfügung gestellt, das ich nun per Post auf den Weg nach Berlin gebracht habe. Zusammen mit einem Brief, den ich hier wiedergebe. „Ein Buch für Herrn Merz. Mit einem Brief“ weiterlesen

Mein Lesejahr 2024: Die besten Bücher

Die besten Buecher 2024 | Kaffeehaussitzer

Von meinem Naturell her bin ich unverbesserlicher Optimist und glaube fest daran, dass sich Dinge zum Guten wenden. Irgendwie. Und auch wenn das vergangene Jahr mit seinen Kriegen, politischen Entwicklungen und Dauerkrisen diese Einstellung an ihre Grenzen gebracht haben mag, würde ich niemals aufhören zu hoffen. Das Lesen ist dabei für mich ein wichtiger, nein, der wichtigste Anker in trüben Zeiten, denn Bücher »lassen mich andere Lebensentwürfe kennenlernen, mich teilhaben an fremden Schicksalen; sie erschließen mir neue Horizonte in der Gegenwart und in der Vergangenheit, verflechten sie miteinander, um die Zukunft zu verstehen. Bücher lassen mich meinen Platz in der Welt finden. Immer wieder aufs Neue. In immer wieder neuen Welten.« Das schrieb ich vor einiger Zeit im Text »Warum ich lese«. Und darum könnte ich mir ein Leben ohne Literatur und Bücher nicht vorstellen. 

Wie immer zu Beginn des Jahres stelle ich die fünfzehn Bücher vor, die mich in den vergangenen zwölf Monaten besonders begeistert haben. Und wie immer ist es eine Mischung aus Werken, die in diesem Zeitraum erschienen sind, und solchen, die schon einige Jahre im Regal auf den passenden Lesemoment gewartet haben. Hier sind sie, die besten Bücher meines Lesejahres 2024. „Mein Lesejahr 2024: Die besten Bücher“ weiterlesen

Durch ein Blog-Jahrzehnt flanieren

Durch ein Blog-Jahrzehnt flanieren

Seit mehr als elfeinhalb Jahren schreibe ich hier im Blog Kaffeehaussitzer über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse. In dieser Zeit ist der Blog zu einem festen Teil meines Lebens und zu einem virtuellen Zuhause geworden. Wobei die virtuelle und die »reale« Welt sich durch das Bloggen so eng miteinander verzahnt haben, dass diese Unterscheidung nicht mehr notwendig ist. Ein Zuhause also. Eines, das stets für Besucher offen steht. Und in diesem Zuhause sind einige hundert Texte zusammengekommen. Ein paar davon habe ich hier zusammengestellt – als Einladung, um durch die vergangenen Jahre zu stromern und sich auf eine kleine Zeitreise zu begeben. Wer also mag: Viel Spaß beim Flanieren durch eine Blog-Dekade. „Durch ein Blog-Jahrzehnt flanieren“ weiterlesen

Schemenhafte Gestalten, unnahbar

Iris Wolff: Die Unschärfe der Welt

Lange Zeit stand der Roman »Die Unschärfe der Welt« von Iris Wolff in meinem Bücherregal und wartete darauf, gelesen zu werden. Und ich war mir sicher, dass er mir gefallen würde. Die ersten paar Seiten kannte ich bereits und deren poetische Sprache hatte für eine jahrelange Vorfreude gesorgt – allein der richtige Zeitpunkt, um dieses Buch zu lesen, wollte sich nie einstellen. Doch als er kürzlich gekommen schien, war alles ganz anders als gedacht: Das Buch liegt nun gelesen neben mir und die Erinnerung an die Handlung beginnt bereits zu verblassen. Ich merke, dass es keinen bleibenden Eindruck hinterlassen wird, ja, dass ich ein wenig enttäuscht bin – und warum das so ist, versuche ich nun herauszufinden. „Schemenhafte Gestalten, unnahbar“ weiterlesen

Sieben Jahre später

J.D. Vance: Hillbilly-Elegie | Sieben Jahre später

Es geschieht nicht oft, dass ich sieben Jahre nach einem Blogbeitrag noch einmal über das gleiche Buch schreibe. Es geschieht allerdings auch nicht oft, dass ein Autor als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten in den US-Wahlkampf zieht – und dabei mit grotesk reaktionären Sprüchen den blondierten Psychopathen unterstützt, der eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie und die freie Welt darstellt. Natürlich ist die Rede von J.D. Vance und seinem autobiographischen Werk »Hillbilly-Elegie«. Ein Werk, das mich sehr beeindruckt hat, als ich es 2017 gelesen habe. Damals schrieb ich hier im Blog: »Ein Buch über das Verschwinden einer Arbeiterklasse, über die Verlogenheit des amerikanischen Traums und über den steinigen Weg zu einem bürgerlichen Leben: J.D. Vance zeigt uns in »Hillbilly-Elegie« eine für uns kaum vorstellbare Welt und beschreibt anschaulich den Zerfall der amerikanischen Gesellschaft. Außerdem ist es ein Buch, das mir eine Türe zu längst vergessen geglaubten Erinnerungen aufgestoßen hat.«  „Sieben Jahre später“ weiterlesen

Eine Botschaft vom Tiefpunkt

Vaterland, Muttersprache: Deutsche Schriftsteller und ihr Staat seit 1945

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gibt es seit 75 Jahren und natürlich ist dies ein Grund zum Feiern. Denn allen Baustellen zum Trotz, die wir in unserem Land gerade zu bewältigen haben, ist es die Grundlage für unser Leben in einer der freiesten Gesellschaften auf dieser Erde. Aber unsere Demokratie und unsere Freiheit sind keine Selbstverständlichkeiten – ganz im Gegenteil, sie sind permanent von außen wie von innen bedroht und müssen stets aufs Neue verteidigt werden. Und niemals darf dabei vergessen werden, dass auch unser Grundgesetz aus Asche, Ruinen und Zerstörung geboren wurde. Aus millionenfachem Tod und unsäglichem Leid, mit dem Deutschland einst die halbe Welt überzogen hatte. Als am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg zumindest in Europa zu Ende war, und erst allmählich die Dimensionen der Vernichtung und das Grauen der Konzentrationslager sichtbar wurden, war die deutsche Geschichte an ihrem Tiefpunkt angelangt – und dass das Land der Täter jemals wieder zum Kreis der zivilisierten Völker gehören würde, in diesem Moment kaum vorstellbar. Trotzdem ist es gelungen. Und heute, viele Jahrzehnte später, sind die Ereignisse jener Jahre in weite Ferne gerückt, die letzten Zeitzeugen sind alte Menschen geworden und bald wird niemand mehr von ihnen leben. Genau deshalb ist es so wichtig, die Erinnerungen an diesen Tiefpunkt, an diese Stunde Null wachzuhalten. Denn wir Nachgeborene haben keine Schuld an den Verbrechen, die in deutschem Namen verübt wurden – aber wir tragen die Verantwortung dafür, dass sie sich niemals wiederholen. Das ist unser historisches Erbe. 

Ich möchte in diesem Blogbeitrag einen Text des Dichters Franz Werfel vorstellen, den er am 25. Mai 1945 geschrieben hat, also nur etwas mehr als zwei Wochen nach Kriegsende. Gefunden habe ich ihn in dem Sammelband »Vaterland, Muttersprache«, der 1994 im Verlag Klaus Wagenbach erschienen und immer noch lieferbar ist – und der eine grandiose Zusammenstellung von Texten aller Art enthält, in denen sich deutsche Autoren und Autorinnen seit 1945 mit ihrem Staat auseinandersetzen. Eine wahre Fundgrube und ein Stück Zeitgeschichte. „Eine Botschaft vom Tiefpunkt“ weiterlesen

Hundert beste Bücher: Der ZEIT-Kanon

Hundert beste Buecher: Der ZEIT-Kanon

Über die Zusammenstellung eines literarischen Kanons lässt sich trefflich streiten und die Frage, welche Bücher man gelesen haben sollte, beschäftigt literaturbegeisterte Menschen seit eh und je. Und klar, wenn ein Kanon wie derjenige der ZEIT den Titel »Die 100 besten Bücher« trägt, ist eine Diskussion vorprogrammiert. Spannend ist dabei, wie sich die Zusammenstellung literarischer Kanons im Laufe der Jahre ändert. Die erste ZEIT-Liste trug den Titel »Die ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher«, erschien ab 1978 erst wöchentlich in der titelgebenden Zeitung und 1980 als Suhrkamp-Taschenbuch; Herausgeber war Fritz J. Raddatz. Eine Ausgabe dieses Taschenbuchs begleitet mich seit vielen Jahren und ich weiß nicht, wie oft ich darin gelesen habe. Im Herbst 2023 erschien eine aktualisierte Version dieser Liste, wobei »aktualisiert« eigentlich das falsche Wort ist – komplett überarbeitet würde besser passen. Denn die 100 Bücher wurden neu zusammengestellt; nur 24 Titel sind auch in der alten Liste enthalten, also nicht einmal ganz ein Viertel. Und diesmal trägt der Kanon selbstbewusst den eingangs erwähnten, etwas ergänzten Titel: »Die 100 besten Bücher – Die neue ZEIT-Bibliothek der Weltliteratur«. Mit der schönen Unterzeile: »100 Gefährten fürs Leben«. „Hundert beste Bücher: Der ZEIT-Kanon“ weiterlesen

Mein Lesejahr 2023: Die besten Bücher

Mein Lesejahr 2023: Die besten Buecher

»Manche Menschen sind für die Bücher gemacht, und nur die Ahnungslosen glauben, es sei umgekehrt.« Dieser Satz stammt aus dem Roman »Die Bibliothek im Nebel« von Kai Meyer und er trifft es genau. Das Lesen und die Literatur sind für mich elementare Bestandteile des Lebens; sie geben mir Halt, Orientierung und neue Kraft in einer Welt, die vor unseren Augen zu zerbröseln scheint. Und wie jedes Jahr um diese Zeit stelle ich hier die fünfzehn Werke vor, die mir in den vergangenen zwölf Monaten besonders gut gefallen, die mich begeistert haben und die auch lange darüber hinaus im Gedächtnis bleiben werden. Bei diesem Rückblick sind nicht alle, aber die meisten Bücher tatsächlich im letzten Jahr erschienen, was bei meinen Lesegewohnheiten keinesfalls selbstverständlich ist. Es ist mir nie besonders wichtig, bei der Lektüreauswahl stets auf aktuellem Stand der Verlagsprogramme zu sein – eher im Gegenteil. Oft lagern Bücher jahrelang im Regal, bevor ich sie lese, bevor genau der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Und bei diesen war dieser richtige Zeitpunkt da. Aber seht selbst, hier sind sie, die besten Bücher meines Lesejahres 2023. „Mein Lesejahr 2023: Die besten Bücher“ weiterlesen

Abgebrochene Bücher

Abgebrochene Buecher

Damals, als junger Leser, habe ich niemals ein Buch abgebrochen. Alle habe ich zu Ende gelesen, egal wie langweilig oder uninteressant ich sie fand oder wie wenig ich mit ihnen anfangen konnte. Warum? Ich weiß es nicht. Irgendwie war da immer die Hoffnung, dass mich das Buch – vielleicht auch erst gegen Ende – doch noch packen würde oder der Gedanke, dass ich Angefangenes auch zu Ende bringen müsse. Was für eine Verschwendung an Leselebenszeit! Bei manchen Büchern passt es einfach nicht, der Funke springt nicht über und heute breche ich sie ohne zu zögern nach den ersten Kapiteln, den ersten hundert Seiten ab. Denn es warten so viele andere darauf, entdeckt zu werden. Und schließlich gehört »das Recht, ein Buch nicht zu Ende zu lesen« zu den zehn »unantastbaren Rechten des Lesers«, die der französische Schriftsteller Daniel Pennac vor über drei Jahrzehnten formulierte. 

Bei einigen Büchern weiß ich noch genau die Stellen, die dafür sorgten, dass ich sie nicht beendet habe. Entweder waren sie – nach genereller Unzufriedenheit mit dem bisher Gelesenen – der endgültige Grund für den Leseabbruch. Oder sie machten mir schon nach den ersten paar Seiten klar, dass Buch und Leser in diesem Fall nicht zusammenpassen würden. Das alles ist natürlich höchst subjektiv, so wie eben jeder Leser, jede Leserin einen eigenen Lesegeschmack hat. Hier kommen ein paar ganz persönliche Abbruch-Beispiele aus den letzten Jahren. „Abgebrochene Bücher“ weiterlesen