Mein Lesejahr 2024: Die besten Bücher

Die besten Buecher 2024 | Kaffeehaussitzer

Von meinem Naturell her bin ich unverbesserlicher Optimist und glaube fest daran, dass sich Dinge zum Guten wenden. Irgendwie. Und auch wenn das vergangene Jahr mit seinen Kriegen, politischen Entwicklungen und Dauerkrisen diese Einstellung an ihre Grenzen gebracht haben mag, würde ich niemals aufhören zu hoffen. Das Lesen ist dabei für mich ein wichtiger, nein, der wichtigste Anker in trüben Zeiten, denn Bücher »lassen mich andere Lebensentwürfe kennenlernen, mich teilhaben an fremden Schicksalen; sie erschließen mir neue Horizonte in der Gegenwart und in der Vergangenheit, verflechten sie miteinander, um die Zukunft zu verstehen. Bücher lassen mich meinen Platz in der Welt finden. Immer wieder aufs Neue. In immer wieder neuen Welten.« Das schrieb ich vor einiger Zeit im Text »Warum ich lese«. Und darum könnte ich mir ein Leben ohne Literatur und Bücher nicht vorstellen. 

Wie immer zu Beginn des Jahres stelle ich die fünfzehn Bücher vor, die mich in den vergangenen zwölf Monaten besonders begeistert haben. Und wie immer ist es eine Mischung aus Werken, die in diesem Zeitraum erschienen sind, und solchen, die schon einige Jahre im Regal auf den passenden Lesemoment gewartet haben. Hier sind sie, die besten Bücher meines Lesejahres 2024.

Gaea Schoeters: Trophäe
Übersetzt von Lisa Mensing

Dass ein Roman die eigenen Grundfesten erschüttert und dabei bewirkt, dass man sich vor sich selbst erschrickt – das kommt nur selten vor. Gaea Schoeters Roman »Trophäe« – ein Buch, das schon durch sein phänomenales Cover besticht – ist ein schmaler Band mit gerade einmal 253 Seiten, aber die haben es in sich. Denn als die letzte Seite gelesen war, hatte ich das verstörende Gefühl, erst wieder zu mir selbst finden zu müssen. Es war, als hätte sich mein eigener moralischer Kompass während der Lektüre verschoben. Und das fühlte sich irritierend, erschreckend, und ja, erschütternd an. »Trophäe« ist ein Roman, der sich fest in das Gedächtnis einbrennt und ein beeindruckendes Beispiel dafür, zu was Literatur imstande ist. 

Barbara Kingsolver: Demon Copperhead
Übersetzt von Dirk van Gunsteren

Laut der Verlagswerbung ist »Demon Copperhead« als moderne Nacherzählung von Charles Dickens Klassiker »David Copperfield« angelegt. Da ich dieses weltberühmte Werk leider nicht kenne (Notiz an mich: Mehr Klassiker lesen!), sind mir die Bezüge verborgen geblieben – doch das hat dem bewegenden Leseerlebnis keinen Abbruch getan. Barbara Kingsolver schildert die Reise eines Kindes, eines jungen Mannes durch die Schattenseiten der USA. Eine Reise durch Armut und Perspektivlosigkeit, durch heruntergekommene Kleinstädte, von Arbeitslosigkeit und den Verheerungen der Opioid-Epidemie zerrüttete Landstriche. Permanent konfrontiert mit Gewalt, Ausgrenzung und Tod sucht jener Demon Copperhead seinen Platz im Leben. Und die Autorin schafft es meisterhaft, im Spagat zwischen ernsten Themen und schnoddrig-sarkastischen Dialogen und Gedanken stets so etwas wie Hoffnung aufblitzen zu lassen. Denn irgendwie geht es immer weiter. 

Paul Auster: Baumgartner
Übersetzt von Werner Schmitz

Es war ein seltsamer Zufall: An dem Tag, an dem ich mit »Baumgartner« beginnen wollte, kam die Nachricht vom Tod Paul Austers. Eines Autors, dessen Bücher mich schon seit vielen Jahren begleiten und die einige Spuren in meiner Leserbiographie hinterlassen haben. Als Paul Auster »Baumgartner« schrieb, wusste er wahrscheinlich bereits von seiner Krebserkrankung und es war ihm klar, dass es wohl sein letztes Werk sein würde, sein Abschiedsbuch. Es ist kurzer Roman über große Themen: Über das Älter- und Altwerden, über Verluste und den Umgang damit, über das Alleinsein, über Abschiede und Abschiedsschmerz. Über die Rückschau auf das eigene Leben mit all seinen Abzweigungen, einigen Tiefen und vielen Höhen. Über Zufriedenheit und Hoffnung. Und über das Weitermachen, so lange es geht. Ein Roman über das Menschsein und über die begrenzte Zeit, die wir auf dieser Erde haben. 

George Pelecanos: Hard Revolution
Übersetzt von Gottfried Röckelein

Dieses Buch hatte mir einst ein Buchhändler in einer der Buchhandlungen meines Vertrauens empfohlen. Als ich es nun endlich gelesen habe, war ich restlos begeistert. Mit dem Mittel eines Kriminalromans gelingt George Pelecanos eine fesselnde Gesellschaftsstudie mit all den Bruchstellen, die die USA bis heute prägen: Rassismus, Gewalt, Drogenmissbrauch und die Kriegstraumata einer ganzen Nation. Es ist das Jahr 1968, es ist die Zeit Martin Luther Kings und seines Kampfes für Gerechtigkeit. Derek Strange ist Streifenpolizist in Washington und mit seiner afroamerikanischen Herkunft sitzt er zwischen allen Stühlen. Als nach der Ermordung Luther Kings im gesamten Land Unruhen ausbrechen, als in Washington ganze Straßenzüge brennen und Kriegszustand herrscht, als gleichzeitig Stranges Bruder einem Mord zum Opfer fällt, muss er sich entscheiden, ob ihm Gerechtigkeit oder Rache wichtiger ist. Oder ob es manchmal das Gleiche sein kann. Eine starke Geschichte mit brillant gezeichneten Figuren und einem perfekten Ende. 

Lovie Tidhar: Maror
Übersetzt von Conny Lösch

Die Geschichte des Staates Israel lässt sich auf verschiedene Weise erzählen. Als Geschichte des Aufbruchs nach den Grauen der Shoah. Als Geschichte eines kleinen Landes, das sich als einzige Demokratie des Nahen Ostens behauptet – umgeben von Todfeinden. Als Geschichte der Verwirklichung des Traums eines jüdischen Staates auf historischem jüdischem Boden. Als Geschichte einer zunehmend gespaltenen Gesellschaft in permanentem Verteidigungszustand. Oder als Geschichte eines Landes, in dem sich Drogenkartelle und das organisierte Verbrechen ausbreiten, in dem die Korruption wuchert wie ein Geschwür und die Verstrickung zwischen Politik und Kriminalität zum Alltag gehört. Genau darum geht es in dem Roman »Maror« des israelischen Autors Lavie Tidhar. Die Handlung erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte und wie nebenbei tauchen historische Wegmarken und bekannte Namen auf, während sich viele kleine Tragödien in einem großen Drama abspielen – und alles ist miteinander aufs Engste verzahnt. Lavie Tidhars Roman fegt wie eine wuchtige Naturgewalt durch die Jahrzehnte israelischer Geschichte. Und im Buchregal gibt es eigentlich nur einen einzigen passenden Platz: Direkt neben Don Winslows »Tage der Toten«. 

Dennis Lehane: Im Aufruhr jener Tage
Übersetzt von Sky Nonhoff

Wäre mir bewusst gewesen, wie herausragend gut »Im Aufruhr jener Tage« ist, dann hätte ich das Buch nicht jahrelang im Regal warten lassen. Der Roman führt nach Boston in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Es brodelt, Gewalt liegt in der Luft. Eine Wirtschaftskrise deutet sich an; materielle Not, Korruption, Wut und Rassismus verbinden sich zu einer explosiven Mischung. Lehane erzählt die Geschichte dreier Menschen: Danny Coughlin, der aus einer irischen Polizistenfamilie stammt und der beginnt – aufgerüttelt von der Notlage der einfachen Polizisten, deren Gehälter schon längst nicht mehr reichen, um ihren Familien ein menschenwürdiges Dasein zu bieten – an der gewerkschaftlichen Organisation des Polizeikorps mitzuarbeiten. Und sich damit zahlreiche Feinde in Politik und Stadtverwaltung schafft. Luther Laurence, Afro-Amerikaner und Baseball-Talent, der aus der Stadt Tulsa fliehen musste, nachdem er sich dort mit dem örtlichen Gangsterboss angelegt und einige Leichen hinterlassen hat. Und Nora O’Shea, die einer erzwungenen Ehe in Irland entkommen ist und in Boston versucht, sich ein neues Leben zu schaffen. Vor dem Hintergrund einer Zeit gewaltsamer Umbrüche verknüpfen sich diese drei Lebensläufe zu einem grandios und mitreißend erzählten Drama.

Anna Burns: Milchmann
Übersetzt von Anna-Nina Kroll

Belfast, irgendwann in den Siebzigern, in einer Zeit, als Nordirland geprägt war von den Schrecken der »Troubles«: Durch ihr nonkonformes Verhalten – sie hat als junge Frau kein Interesse an einer frühen Ehe und einem Hausfrauendasein, dazu liest sie im Gehen – ist die Ich-Erzählerin eine Außenseiterin in ihrem katholischen Viertel. Das ist an sich schon keine angenehme Situation, aber als der »Milchmann«, der so heißt, weil er einen Milchlieferwagen fährt und der angeblich ein hohes Tier der IRA ist, beginnt sie zu stalken, wird ihre Situation gänzlich unerträglich. Wie ein Geschwür wuchern die Gerüchte durchs Viertel und beginnen, ihr die ohnehin schon dünne Luft zum Atmen immer weiter abzuschnüren. Eine fatale Entwicklung nimmt ihren Lauf. Dabei bleibt alles namenlos: Die Protagonistin, sämtliche Figuren der Handlung, selbst der Name der Stadt wird nie genannt. Dieser Kunstgriff macht den Roman zu einer zeitlosen Geschichte, die sich überall und jederzeit ereignen könnte. Und durch ihren ganz besonderen Stil schafft es Anna Burns, dass man als Leser selbst beginnt, Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben – ein spannender und beunruhigender Kunstgriff. »Milchmann« ist ein anstrengendes, faszinierendes und ungewöhnliches Buch, das uns viel über ein Leben in einer Gesellschaft mit totalitären Zwängen berichtet, in der nur das Angepasstsein zählt und das Anderssein zur tödlichen Gefahr werden kann. Gelesen habe ich den Roman gemeinsam mit Linda König, die auf Instagram als @linda.konigliest über Bücher schreibt.

Leonardo Padura: Der Mann, der Hunde liebte
Übersetzt von Hans-Joachim Hartstein

Leonardo Padura erzählt die Lebensgeschichte von Ramón Mercader, dem Mann, der am 20. August 1940 Leo Trotzki in seinem mexikanischen Exil ermordete. Auf drei Ebenen nähern wir uns dem dramatischen Ereignis an: Padura schildert minutiös, wie Mercader während des Spanischen Bürgerkriegs für den NKWD – Stalins Mordmaschinerie – rekrutiert, wie er ausgebildet und darauf getrimmt wurde, andere Identitäten anzunehmen. Wie er mit Hass auf den Dissidenten gefüttert wurde, um jegliches Mitleid oder gar Verständnis abzutöten. Parallel dazu beschreibt der Autor Trotzkis Weg in die Verbannung und die Eskalation von Stalins Terrorherrschaft, der unzählige Menschen zum Opfer fallen werden. Und wie sich der Ring der Einsamkeit und Ausgrenzung immer enger um Trotzki zieht, bis zum Ende. Die beiden Handlungsstränge laufen bei dem Ich-Erzähler Iván zusammen, einem Kubaner, der in den Siebzigerjahren einen Mann mit zwei wunderschönen Hunden am Strand kennenlernt. Einen todkranken Mann, der nicht mehr lange zu leben hat und ihm eine Geschichte erzählt, die sein Weltbild erschüttern wird. Ein großartiger Roman über die Schicksalsjahre des 20. Jahrhunderts.

Keanu Reeves & China Miéville: Das Buch Anderswo
Übersetzt von Jakob Schmidt

Was habe ich da eigentlich gelesen? Das war der erste Gedanke, nachdem die letzte Seite umgeblättert war. Und in der Tat sprengt dieser Roman alle Genregrenzen. Seit 80.000 Jahren lebt B. auf unserer Erde. Als Unsterblicher hat er unzählige Kulturen kommen und gehen sehen – und zieht eine blutige Spur durch die Menschheitsgeschichte. Es sind berserkerhafte Gewaltanfälle, die er nicht kontrollieren kann und nichts und niemand kann ihn in diesen Momenten aufhalten. Sobald er tödlich verwundet wird, erfolgt eine Wiederauferstehung. B., oder Unute, wie er einst hieß, hat nur einen Wunsch: Er möchte zu einem Sterblichen werden und seinem Schicksal entkommen. Das US-Militär forscht an und mit ihm, um das Geheimnis seiner Unvergänglichkeit zu ergründen – und nutzt seine mörderischen Talente für Spezialeinsätze. Der Roman ist ein Parforceritt durch tausende von Jahren echter und fiktiver Geschichte – mit dem Untergang von Zivilisationen als großer Konstante. Ein brachiales, düsteres, episches Buch, das mich vollkommen in seinen Bann gezogen hat. Und natürlich habe ich es als John-Wick-Fan vor allem gekauft, weil der Name von Keanu Reeves auf dem Cover steht – der, soviel zur Einordnung, die Idee für die grandiose Geschichte geliefert hat. Geschrieben wurde der Roman von China Miéville. 

Volker Kutscher: Rath

Es ist der starke Abschluss einer großartigen Reihe und es fühlt sich an wie eine Reise, die zu Ende gegangen ist. Eine Reise, die in die Finsternis führt und die mich seit vielen Jahren begleitet hat. 2007 habe ich »Der nasse Fisch« in die Hände bekommen, den ersten Band von Volker Kutschers Buchreihe rund um den Kriminalkommissar Gereon Rath und die Ermittlerin Charlotte Ritter. Ins Jahr 1929 führte damals die Handlung – 2024 ist der zehnte Band erschienen, der den schlichten Titel »Rath« trägt und mit ihm endet die Reihe. Inzwischen befinden wir uns im Jahr 1938, mit der Pogromnacht schlägt Deutschland den letzten Schritt in Richtung Barbarei ein – von nun an wird es kein Zurück mehr geben. Bevor »Rath« als furioses Ende der Serie erschien, habe ich alle neun vorherigen Bände aus dem Regal geholt und sie einen nach dem anderen gelesen, am Stück, ohne andere Bücher dazwischen – um dann direkt mit dem zehnten abzuschließen. Es war wie ein Leserausch, knapp vier Wochen habe ich benötigt und war in jeder Minute, die ich erübrigen konnte, abgetaucht in der Vergangenheit, in einer Epoche, die prägend war für unsere Gegenwart. Seite für Seite verdichten sich die dunklen Vorzeichen bis das Licht ganz verschwunden ist, aus den ersten Hinweisen auf Kommendes werden ganze Handlungsstränge – liest man alle Bände am Stück ist das ein atemberaubendes Leseerlebnis. Und am Ende dieser literarischen Reise, 1938, weiß man, dass allen bisherigen Schrecken zum Trotz in der historischen Realität das Schlimmste erst noch bevorsteht.

Regina Denk: Die Schwarzgeherin

Dieser Roman führt uns in ein Bergdorf, weit oben in den österreichischen Alpen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist das dort Leben hart und entbehrungsreich, das archaische gesellschaftliche Gefüge seit unzähligen Jahren wie in Stein gemeißelt. Die achtzehnjährige Theres sucht einen Weg aus der Enge der vorgezeichneten Lebenswege – doch sie kommt nur bis zu einer Jagdhütte, die so weit oben am Berg liegt, dass sie schwer zu erreichen ist. Dort zieht sie ihre uneheliche Tochter groß, wird als Heilerin und Geburtshelferin geduldet, aber misstrauisch beäugt von der Dorfgemeinschaft. Von Beginn an herrscht eine geradezu klaustrophobische Stimmung in diesem sprachmächtigen Buch, das vieles in sich vereint: Die Geschichte eines Ausbruchs und eines selbstgewählten Lebens, die Geschichte der gnadenlosen Strukturen eines Dorfes in lebensfeindlicher Umgebung, die Geschichte einer großen Liebe und eines tragischen Scheiterns und die Geschichte einer Rache. Denn am Ende wird Blut fließen. Wer Romane wie »Das finstere Tal« von Thomas Willmann oder »Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod« von Gerhard Jäger mochte, sollte sich dieses Buch auf keinen Fall entgehen lassen. Wobei das nicht ganz stimmt: Eigentlich sollte sich niemand diesen grandiosen Roman entgehen lassen. 

Elke Heidenreich: Altern

Das Thema Älterwerden und Altsein kehrt hier im Blog regelmäßig wieder. Und das ist nicht verwunderlich, denn mit Mitte Fünfzig, wenn man die Eltern beerdigt hat und mehrmals miterleben musste, wie Menschen gleichen Alters gehen mussten, ist einem die Endlichkeit des Lebens mehr als bewusst. Daher kam das Buch von Elke Heidenreich genau zum richtigen Zeitpunkt. Es ist eine wunderbare Mischung aus persönlichen Erinnerungen, Gedanken über das Altern und mal feinen, mal sarkastischen Beobachtungen der uns umgebenden Gesellschaft – und ein Streifzug durch die Literaturgeschichte mit zahllosen Zitaten, Buchempfehlungen und Auszügen aus Gedichten. Dabei ist die Autorin so präsent, dass man meint, beim Lesen ihre wohlbekannte Stimme zu hören. Ein Buch, das gleichzeitig zum Nachdenken anregt und Trost spendet. Und Mut macht für die – hoffentlich – kommenden Jahrzehnte. 

Stephen Greenblatt: Die Wende
Übersetzt von Klaus Binder

Die Renaissance ist eine der spannendsten Epochen unserer Geschichte, sie war Europas Aufbruch in die Moderne. Ihre Geburtshelfer waren die Texte antiker Autoren, die nach vielen hundert Jahren des Vergessens wiederentdeckt wurden – und wirkten wie das entfernte und inspirierende Echo längst vergangener Hochkulturen. Einer jener verschollenen Schlüsseltexte war »De rerum natura« von Lukrez, der 1417 durch den Bücherjäger (ich liebe dieses Wort) Poggio Bracciolini in einer Klosterbibliothek aufgespürt und kopiert wurde. Wo genau ist bis heute nicht bekannt, vermutlich war es in Fulda. In Lukrez‘ Text geht es zusammengefasst um Folgendes: »Die Welt besteht aus Atomen und Leere. Die Seele stirbt mit dem Körper. Es gibt nach dem Tod kein Jüngstes Gericht. Das Universum wurde nicht aus göttlicher Macht für uns geschaffen, die Vorstellung eines Lebens nach dem Tode ist abergläubische Phantasie.« Und das alles formuliert in einem außergewöhnlich elegant-poetischen Latein. Man kann sich vorstellen, welche Sprengkraft diese damals bereits tausend Jahre alten und heute noch höchst modern wirkenden Thesen hatten – sie hoben das Denken auf eine neue Ebene, losgelöst von klerikalen Schranken. Stephen Greenblatt beschreibt in seinem Buch die Suche nach dem Text, der bislang nur rudimentär bekannt war, er schildert das außergewöhnliche Leben Poggio Bracciolinis, schreibt über das Denken des Lukrez als Schüler Epikurs und geht auf die Rezeptionsgeschichte von »De rerum natura« ein, die bis weit in die Neuzeit reicht. Das alles ist mitreißend geschrieben und ein äußerst bereicherndes Lesevergnügen. 

Jens Bisky: Die Entscheidung

Die Beteuerung, dass man die Weimarer Republik und deren Scheitern nicht mit unserem Heute vergleichen könne, liest man regelmäßig. Auch ich habe das hier schon geschrieben und finde den Gedanken korrekt. Allerdings nur, solange wir bereit sind, von den damaligen Geschehnissen zu lernen. Jens Bisky beschäftigt sich in seinem Buch »Die Entscheidung« mit den Jahren von 1929 bis 1934 und schildert gleichermaßen akribisch wie spannend, welche Geschehnisse, welche Personen und welche Gedankenwelten dazu beitrugen, den Weg in den Faschismus zu ebnen. Mit dem Wissen, was alles noch geschehen würde, bleibt man als Leser fassungslos zurück. Und beginnt, mehr Parallelen zu unserer heutigen Zeit zu erkennen, als einem lieb ist. Das Fazit des Buches steht im letzten Satz: »Wer heute auf das Ende Weimars zurückblickt, weiß: Es ist politisch leichtfertig, nicht mit dem Schlimmsten zu rechnen.« Große und dringende Leseempfehlung!

William Martin: Dezember 41
Übersetzt von Thomas Gunkel und Tobias Rothenbücher

In William Martins Roman geht es um die Planung und Durchführung eines Attentats auf Franklin D. Roosevelt im Dezember 1941, kurz nach Pearl Harbor und kurz nach dem Eintritt der USA in den Krieg gegen Japan und Deutschland. Aber warum sollte man einen historischen Thriller lesen, dessen Ausgang durch die geschichtlichen Ereignisse ja klar ist? Nun, schon der 1971 erschienene Roman »Der Schakal« von Frederik Forsyth, ein berühmter Klassiker des Genres, der die geplante Ermordung von Charles de Gaulle schildert, hat eindrucksvoll gezeigt, dass auch gescheiterte Anschlagsversuche Stoff für spannende Pageturner bieten. Und genau dies schafft auch Martin mit »Dezember 41«, in dem es um ein Netz deutscher Nazi-Spione in den USA geht, um die faschistische Gesinnung nicht weniger eingewanderter Deutscher, um ein Untergrund-Netzwerk, um eine Reise von Los Angeles nach Washington, quer durch ein Land in Schockstarre, Wut und Kriegsvorbereitungen. Um eine Verfolgungsjagd, um sich verdichtende Gerüchte und um einen gerissenen Attentäter, der Menschen manipuliert, lügt, betrügt und mordet, um seinem Ziel näher und näher zu kommen. Das alles perfekt vermischt mit der Alltagskultur jener Zeit, von den damals aktuellen Hollywood-Filmen über die Hitparade im Radio bis hin zur Fahrt im legendären Super Chief Train (mit ein paar Mord-im-Orientexpress-Vibes). Und im Nachwort erfährt man, was an dieser Geschichte wahr ist (eine ganze Menge) und was Fiktion. 

Das sind sie also, die besten fünfzehn Bücher meines Lesejahres 2024. Das neue Jahr steht in den Startlöchern und ich bin gespannt, was es bringen wird. Wird es besser? Wir leben in unruhigen Zeiten und es liegt an uns, was wir daraus machen. Im Leitartikel der ZEIT-Neujahrsausgabe schreibt Giovanni di Lorenzo: »Es hilft nichts: Auf der Überzeugung, dass nichts läuft, nichts besser wird, nichts zu verändern ist, lässt sich nichts, aber auch wirklich nichts aufbauen. Die eigenen Kinder und Enkelkinder so in die Welt zu schicken, heißt letztlich, sie um ihre Zukunft zu betrügen. ›Du bist so jung wie deine Zuversicht, so alt wie deine Zweifel‹, schrieb einst der Philosoph, Arzt und Menschenfreund Albert Schweitzer. Man kann es auf eine noch kürzere Formel bringen: Wir haben eine Pflicht zur Zuversicht! Trotz alledem.«

Und mit diesem Zitat wünsche ich uns allen Mut, Hoffnung und Energie für ein neues Jahr 2025. Und viele wunderbare Leseerlebnisse.

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Durch ein Blog-Jahrzehnt flanieren

Durch ein Blog-Jahrzehnt flanieren

Seit mehr als elfeinhalb Jahren schreibe ich hier im Blog Kaffeehaussitzer über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse. In dieser Zeit ist der Blog zu einem festen Teil meines Lebens und zu einem virtuellen Zuhause geworden. Wobei die virtuelle und die »reale« Welt sich durch das Bloggen so eng miteinander verzahnt haben, dass diese Unterscheidung nicht mehr notwendig ist. Ein Zuhause also. Eines, das stets für Besucher offen steht. Und in diesem Zuhause sind einige hundert Texte zusammengekommen. Ein paar davon habe ich hier zusammengestellt – als Einladung, um durch die vergangenen Jahre zu stromern und sich auf eine kleine Zeitreise zu begeben. Wer also mag: Viel Spaß beim Flanieren durch eine Blog-Dekade. „Durch ein Blog-Jahrzehnt flanieren“ weiterlesen

Schemenhafte Gestalten, unnahbar

Iris Wolff: Die Unschärfe der Welt

Lange Zeit stand der Roman »Die Unschärfe der Welt« von Iris Wolff in meinem Bücherregal und wartete darauf, gelesen zu werden. Und ich war mir sicher, dass er mir gefallen würde. Die ersten paar Seiten kannte ich bereits und deren poetische Sprache hatte für eine jahrelange Vorfreude gesorgt – allein der richtige Zeitpunkt, um dieses Buch zu lesen, wollte sich nie einstellen. Doch als er kürzlich gekommen schien, war alles ganz anders als gedacht: Das Buch liegt nun gelesen neben mir und die Erinnerung an die Handlung beginnt bereits zu verblassen. Ich merke, dass es keinen bleibenden Eindruck hinterlassen wird, ja, dass ich ein wenig enttäuscht bin – und warum das so ist, versuche ich nun herauszufinden. „Schemenhafte Gestalten, unnahbar“ weiterlesen

Sieben Jahre später

J.D. Vance: Hillbilly-Elegie | Sieben Jahre später

Es geschieht nicht oft, dass ich sieben Jahre nach einem Blogbeitrag noch einmal über das gleiche Buch schreibe. Es geschieht allerdings auch nicht oft, dass ein Autor als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten in den US-Wahlkampf zieht – und dabei mit grotesk reaktionären Sprüchen den blondierten Psychopathen unterstützt, der eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie und die freie Welt darstellt. Natürlich ist die Rede von J.D. Vance und seinem autobiographischen Werk »Hillbilly-Elegie«. Ein Werk, das mich sehr beeindruckt hat, als ich es 2017 gelesen habe. Damals schrieb ich hier im Blog: »Ein Buch über das Verschwinden einer Arbeiterklasse, über die Verlogenheit des amerikanischen Traums und über den steinigen Weg zu einem bürgerlichen Leben: J.D. Vance zeigt uns in »Hillbilly-Elegie« eine für uns kaum vorstellbare Welt und beschreibt anschaulich den Zerfall der amerikanischen Gesellschaft. Außerdem ist es ein Buch, das mir eine Türe zu längst vergessen geglaubten Erinnerungen aufgestoßen hat.«  „Sieben Jahre später“ weiterlesen

Eine Botschaft vom Tiefpunkt

Vaterland, Muttersprache: Deutsche Schriftsteller und ihr Staat seit 1945

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gibt es seit 75 Jahren und natürlich ist dies ein Grund zum Feiern. Denn allen Baustellen zum Trotz, die wir in unserem Land gerade zu bewältigen haben, ist es die Grundlage für unser Leben in einer der freiesten Gesellschaften auf dieser Erde. Aber unsere Demokratie und unsere Freiheit sind keine Selbstverständlichkeiten – ganz im Gegenteil, sie sind permanent von außen wie von innen bedroht und müssen stets aufs Neue verteidigt werden. Und niemals darf dabei vergessen werden, dass auch unser Grundgesetz aus Asche, Ruinen und Zerstörung geboren wurde. Aus millionenfachem Tod und unsäglichem Leid, mit dem Deutschland einst die halbe Welt überzogen hatte. Als am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg zumindest in Europa zu Ende war, und erst allmählich die Dimensionen der Vernichtung und das Grauen der Konzentrationslager sichtbar wurden, war die deutsche Geschichte an ihrem Tiefpunkt angelangt – und dass das Land der Täter jemals wieder zum Kreis der zivilisierten Völker gehören würde, in diesem Moment kaum vorstellbar. Trotzdem ist es gelungen. Und heute, viele Jahrzehnte später, sind die Ereignisse jener Jahre in weite Ferne gerückt, die letzten Zeitzeugen sind alte Menschen geworden und bald wird niemand mehr von ihnen leben. Genau deshalb ist es so wichtig, die Erinnerungen an diesen Tiefpunkt, an diese Stunde Null wachzuhalten. Denn wir Nachgeborene haben keine Schuld an den Verbrechen, die in deutschem Namen verübt wurden – aber wir tragen die Verantwortung dafür, dass sie sich niemals wiederholen. Das ist unser historisches Erbe. 

Ich möchte in diesem Blogbeitrag einen Text des Dichters Franz Werfel vorstellen, den er am 25. Mai 1945 geschrieben hat, also nur etwas mehr als zwei Wochen nach Kriegsende. Gefunden habe ich ihn in dem Sammelband »Vaterland, Muttersprache«, der 1994 im Verlag Klaus Wagenbach erschienen und immer noch lieferbar ist – und der eine grandiose Zusammenstellung von Texten aller Art enthält, in denen sich deutsche Autoren und Autorinnen seit 1945 mit ihrem Staat auseinandersetzen. Eine wahre Fundgrube und ein Stück Zeitgeschichte. „Eine Botschaft vom Tiefpunkt“ weiterlesen

Hundert beste Bücher: Der ZEIT-Kanon

Hundert beste Buecher: Der ZEIT-Kanon

Über die Zusammenstellung eines literarischen Kanons lässt sich trefflich streiten und die Frage, welche Bücher man gelesen haben sollte, beschäftigt literaturbegeisterte Menschen seit eh und je. Und klar, wenn ein Kanon wie derjenige der ZEIT den Titel »Die 100 besten Bücher« trägt, ist eine Diskussion vorprogrammiert. Spannend ist dabei, wie sich die Zusammenstellung literarischer Kanons im Laufe der Jahre ändert. Die erste ZEIT-Liste trug den Titel »Die ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher«, erschien ab 1978 erst wöchentlich in der titelgebenden Zeitung und 1980 als Suhrkamp-Taschenbuch; Herausgeber war Fritz J. Raddatz. Eine Ausgabe dieses Taschenbuchs begleitet mich seit vielen Jahren und ich weiß nicht, wie oft ich darin gelesen habe. Im Herbst 2023 erschien eine aktualisierte Version dieser Liste, wobei »aktualisiert« eigentlich das falsche Wort ist – komplett überarbeitet würde besser passen. Denn die 100 Bücher wurden neu zusammengestellt; nur 24 Titel sind auch in der alten Liste enthalten, also nicht einmal ganz ein Viertel. Und diesmal trägt der Kanon selbstbewusst den eingangs erwähnten, etwas ergänzten Titel: »Die 100 besten Bücher – Die neue ZEIT-Bibliothek der Weltliteratur«. Mit der schönen Unterzeile: »100 Gefährten fürs Leben«. „Hundert beste Bücher: Der ZEIT-Kanon“ weiterlesen

Mein Lesejahr 2023: Die besten Bücher

Mein Lesejahr 2023: Die besten Buecher

»Manche Menschen sind für die Bücher gemacht, und nur die Ahnungslosen glauben, es sei umgekehrt.« Dieser Satz stammt aus dem Roman »Die Bibliothek im Nebel« von Kai Meyer und er trifft es genau. Das Lesen und die Literatur sind für mich elementare Bestandteile des Lebens; sie geben mir Halt, Orientierung und neue Kraft in einer Welt, die vor unseren Augen zu zerbröseln scheint. Und wie jedes Jahr um diese Zeit stelle ich hier die fünfzehn Werke vor, die mir in den vergangenen zwölf Monaten besonders gut gefallen, die mich begeistert haben und die auch lange darüber hinaus im Gedächtnis bleiben werden. Bei diesem Rückblick sind nicht alle, aber die meisten Bücher tatsächlich im letzten Jahr erschienen, was bei meinen Lesegewohnheiten keinesfalls selbstverständlich ist. Es ist mir nie besonders wichtig, bei der Lektüreauswahl stets auf aktuellem Stand der Verlagsprogramme zu sein – eher im Gegenteil. Oft lagern Bücher jahrelang im Regal, bevor ich sie lese, bevor genau der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Und bei diesen war dieser richtige Zeitpunkt da. Aber seht selbst, hier sind sie, die besten Bücher meines Lesejahres 2023. „Mein Lesejahr 2023: Die besten Bücher“ weiterlesen

Abgebrochene Bücher

Abgebrochene Buecher

Damals, als junger Leser, habe ich niemals ein Buch abgebrochen. Alle habe ich zu Ende gelesen, egal wie langweilig oder uninteressant ich sie fand oder wie wenig ich mit ihnen anfangen konnte. Warum? Ich weiß es nicht. Irgendwie war da immer die Hoffnung, dass mich das Buch – vielleicht auch erst gegen Ende – doch noch packen würde oder der Gedanke, dass ich Angefangenes auch zu Ende bringen müsse. Was für eine Verschwendung an Leselebenszeit! Bei manchen Büchern passt es einfach nicht, der Funke springt nicht über und heute breche ich sie ohne zu zögern nach den ersten Kapiteln, den ersten hundert Seiten ab. Denn es warten so viele andere darauf, entdeckt zu werden. Und schließlich gehört »das Recht, ein Buch nicht zu Ende zu lesen« zu den zehn »unantastbaren Rechten des Lesers«, die der französische Schriftsteller Daniel Pennac vor über drei Jahrzehnten formulierte. 

Bei einigen Büchern weiß ich noch genau die Stellen, die dafür sorgten, dass ich sie nicht beendet habe. Entweder waren sie – nach genereller Unzufriedenheit mit dem bisher Gelesenen – der endgültige Grund für den Leseabbruch. Oder sie machten mir schon nach den ersten paar Seiten klar, dass Buch und Leser in diesem Fall nicht zusammenpassen würden. Das alles ist natürlich höchst subjektiv, so wie eben jeder Leser, jede Leserin einen eigenen Lesegeschmack hat. Hier kommen ein paar ganz persönliche Abbruch-Beispiele aus den letzten Jahren. „Abgebrochene Bücher“ weiterlesen

Zehn Jahre Kaffeehaussitzer

Zehn Jahre Kaffeehaussitzer

Der Literaturblog Kaffeehaussitzer wird zehn Jahre alt und mit einer Mischung aus Freude, Dankbarkeit und ungläubigem Staunen denke ich an den Juni 2013 zurück, als ich das allererste Mal auf den »Veröffentlichen«-Button geklickt habe – ohne auch nur die geringste Ahnung davon zu haben, was daraus entstehen würde. Jedenfalls erinnere ich mit gut daran, wie faszinierend ich es fand, dass mit diesem ersten Klick meine eigene Seite, mein Literaturblog zum Leben erweckt wurde. Geplant war das alles nicht, irgendwie hat es sich zufällig ergeben. Wie so oft. „Zehn Jahre Kaffeehaussitzer“ weiterlesen

Seele zu verkaufen

»Wenn das Internet der Buchdruck wäre, würden wir gerade im Jahr 1460 leben.« Dieses Zitat habe ich schon einmal hier im Blog verwendet, ohne zu wissen, von wem es stammt. Aber es beschreibt, so finde ich, ziemlich gut die Dimension der technischen und gesellschaftlichen Umwälzungen, in denen wir uns befinden und die uns ein Leben lang begleiten werden. Ebenso wie die Leben der kommenden Generationen. Seit ich den Satz das erste Mal zitiert habe, sind inzwischen fast zehn Jahre vergangen; ich weiß immer noch nicht, woher ich ihn habe, aber wir wären nun im Jahr 1470 – und stehen gerade an der Schwelle zur nächsten Stufe der technischen Entwicklungen. Entwicklungen, die vermutlich drastische Auswirkungen auf unsere Zukunft und unser Verhalten haben werden. Der Roman »Candy Haus« von Jennifer Egan passt perfekt in unsere sich rasant verändernde Welt und ich habe ihn nicht nur mit großer Begeisterung, sondern auch mit einem leichten Gruseln gelesen. Denn die nahe Zukunft, in der er zum großen Teil spielt, könnte bald auch unsere Gegenwart sein – so eng liegen beide zusammen. „Seele zu verkaufen“ weiterlesen

So viele Bücher, so wenig Zeit

Einer meiner Lieblingsfilme ist »About Time – Alles eine Frage der Zeit«. Nicht nur, weil darin eine gelungene Mischung aus Charme, Humor und Tragik geboten wird. Und nicht nur wegen der wunderbaren Schauspieler wie etwa Bill Nighy, Rachel McAdams oder Domhnall Gleeson. Sondern vor allem wegen eines kurzen Dialogs, in dem es – natürlich – um Bücher geht. Über die Handlung des Films möchte ich hier gar nicht sprechen; wer zum Beispiel »Notting Hill« oder »Vier Hochzeiten und ein Todesfall« mochte, der wird auch von »About Time« nicht enttäuscht werden. „So viele Bücher, so wenig Zeit“ weiterlesen

Mein Lesejahr 2022: Die besten Bücher

Mein Lesejahr 2022: Die besten Buecher

In einer Welt, die fast täglich mehr aus den Fugen zu geraten scheint, ist die Literatur ein Anker, sind Bücher eine Kraftquelle. Oder wie es Mohamed Mbougar Sarr seinen Ich-Erzähler in »Die geheimste Geschichte der Menschen« ausdrücken lässt: »Wir dachten keinesfalls, dass Bücher die Welt retten könnten; hingegen hielten wir sie für das einzige Mittel, um nicht vor ihr davonzulaufen.« Nicht zuletzt wegen Sätzen wie diesem steht der Roman auf meiner Liste der besten Bücher, die ich im vergangenen Jahr gelesen habe. Er befindet sich dabei in abwechslungsreicher Gesellschaft – doch seht selbst; hier sind sie, die fünfzehn Werke, die mich in den letzten zwölf Monaten am meisten beeindruckt, begeistert oder inspiriert haben. „Mein Lesejahr 2022: Die besten Bücher“ weiterlesen

Ein Wort zum Selfpublishing

Im Impressum dieses Blogs sowie auf der Seite mit den Kontaktangaben steht direkt bei der E-Mail-Adresse »Eine Anmerkung zu Selfpublishing-Titeln«. Und darunter folgender Hinweis: »Bei der Auswahl meiner Lektüre verlasse ich mich vor allem auf die Buchhandlungen meines Vertrauens und auf die Empfehlungen befreundeter Leser und Blogger. Bei der Fülle an Büchern und einer leider nur allzu begrenzten zeitlichen Kapazität lese ich ausschließlich Werke, die in einem Verlag erschienen und in einer Buchhandlung erhältlich sind. Alleine diese Vorauswahl würde für mehrere Leseleben reichen. Ich bitte daher darum, mir keine Informationen zu Selfpublishing-Titeln zukommen zu lassen.«

Wenn ich in mein E-Mail-Postfach schaue, dann frage ich mich an manchen Tagen, was an dieser Bitte nicht zu verstehen ist. Vielleicht entgeht mir ja tatsächlich die ein oder andere literarische Perle, aber dafür entdecke ich durch meine beiden Filter eben andere. In diesem Blogbeitrag möchte ich ein wenig mehr dazu schreiben. „Ein Wort zum Selfpublishing“ weiterlesen

Indiebookday 2022, improvisiert

Indiebookday 2022

Seit 2013 ist der Indiebookday ein fester Termin im Kalender vieler Literaturbegeisterter. Er findet stets an einem der letzten Samstage im März statt und ist den vielen unabhängigen Verlagen gewidmet. Die Idee dazu hatte mairisch-Verleger Daniel Beskos; sie ist einfach und hocheffektiv gleichzeitig. Die Leser sind am Indiebookday dazu aufgerufen, eine Buchhandlung aufzusuchen und ein Buch aus einem unabhängigen Verlag zu kaufen; ein Verlag also, der konzernunabhängig ist, dadurch mehr Freiheiten bei der Programmgestaltung hat und meist nur aus einem kleinen Team besteht. Auf der Seite Morehotlist, dem »Magazin für unabhängige Bücher und Buchmenschen« gibt es eine Liste deutschsprachiger Independent-Verlage. Und auf der Seite We Read Indie wird für die Frage »Was ist Indie?« eine gute Definition angeboten.

Das Wichtigste an der Aktion: Das im Lieblingsbuchladen gekaufte Buch wird anschließend auf den Social-Media-Accounts der jeweiligen Buchkäufer präsentiert – zusammen mit dem Hashtag #indiebookday. So erhalten die Bücher aus unabhängigen Verlagen an diesem Tag eine geballte Aufmerksamkeit; gleichzeitig ist es Werbung für die Vielfalt der Literatur. Auch viele Buchhandlungen beteiligen sich daran und haben für diesen Tag entsprechende Büchertische aufgebaut. „Indiebookday 2022, improvisiert“ weiterlesen

Corona in der Literatur? Bitte (noch) nicht

Corona in der Literatur: Bitte (noch) nicht

In den freien Tagen nach Weihnachten 2021 machte ich es mir auf dem Sofa bequem: Ich wollte mich mit »Never«, dem neuen Polit-Thriller von Ken Follett entspannen. Das funktionierte nur bedingt, denn das Ende dieses Buches geht – vor allem bei der aktuellen Nachrichtenlage – so unter die Haut, dass ich nachts nur schwer einschlafen konnte. Aber davon möchte ich gar nicht erzählen, sondern nur von einem winzigen Detail des Romans; von einer einzigen Formulierung. Denn die Handlung ist in der unmittelbaren Zukunft angesiedelt, so nah an unserer Zeit, dass sie schon fast in der Gegenwart spielt. Aber eben nur fast. An einer Stelle wird eine Straße, ein Stadtviertel beschrieben. Es heißt darin, dass durch die Pandemie viele der zahlreichen Restaurants und Cafés schließen mussten, inzwischen aber neue eröffnet hätten.

Das war alles zu Corona, was darin zu lesen war. Gleichzeitig war es für mich das erste Mal, dass ich das Thema überhaupt in einem Roman erwähnt fand. Und in dieser Form, als eine vage Erinnerung an eine Zeit, die glücklicherweise vorüber ist, fand ich es erträglich. Aber mehr muss nicht sein, denn das pandemische Geschehen der letzten zwei Jahre ist so bedrückend und frustrierend, dass ich nicht auch noch meine wertvolle Leselebenszeit damit verbringen möchte. Daher mache ich einen großen Bogen um Romane, die auf irgendeine Weise Corona in die Handlung mit einbauen, wie etwa Juli Zehs »Über Menschen«. Auch für das kommende Jahr sind Bücher mit dem Label »Corona-Roman« geplant; diese wandern bei mir automatisch auf die Werde-ich-sicher-nicht-lesen-Liste. „Corona in der Literatur? Bitte (noch) nicht“ weiterlesen