Jede Menge Buchtipps

Buchtipps der Kaffeehaussitzer-Leserinnen und -Leser

So. Die Jubiläumsverlosung ist abgeschlossen. Der Blog Kaffeehaussitzer ist zwölf Jahre alt geworden und anlässich dieses Jubiläums gab es ein Buchpaket mit einem Dutzend Bücher zu gewinnen. Wer daran teilnehmen wollte, musste im Kommentarbereich der Verlosung einen Buchtipp abgeben. Nun wurde die Gewinnbenachrichtigung versandt und allen, die sich beteiligt haben, möchte ich an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön sagen. Ich bin überwältigt, was da alles an Lektüreempfehlungen zusammengekommen ist: 247 Menschen haben Bücher empfohlen, Glückwünsche gesendet und wunderbare Rückmeldungen da gelassen. Viele haben gleich zwei, drei oder mehr Buchtipps abgegeben; die Bandbreite geht von Klassikern bis zur Gegenwartsliteratur, von zeitlosen Werken bis zu topaktuellen Themen, von Phantastik bis zum politischen Sachbuch. Es ist eine riesige Auswahl an Leseempfehlungen, einige Bücher kannte ich schon, einige sind auch bereits hier im Blog vorgestellt worden, aber viele Lektüretipps sind echte Entdeckungen für mich. Daher nochmals: Vielen, vielen Dank. In diesem Beitrag habe ich sämtliche genannten Bücher der Verlosungsaktion gesammelt und aufgelistet –  ich habe mehrere Stunden dafür gebraucht und es ist ein wunderbares Beispiel für die Vielfalt der Literatur. Aufgrund der Menge ist es ein bisschen unübersichtlich geworden, aber lasst euch davon nicht abschrecken: Stöbern lohnt sich, versprochen. Natürlich könnt ich auch die Kommentare unter dem Verlosungsbeitrag durchforsten – dort findet ihr bei vielen der genannten Bücher ausführliche und sehr persönliche Begründungen für die Empfehlung.  

Jede Menge Buchtipps. Die Empfehlungen der Kaffeehaussitzer-Leserinnen und -Leser

Joe Abercrombie: Die Klingen-Saga | Chimamanda Ngozi Adichie: Dream Count | Bernhard Aichner: Dunkelkammer | Nikita Afanasjew: Sputnik | Juri Andruchowytsch: Radio Nacht | Jeffrey Archer: Der Himmel auf Erden | Elizabeth von Arnim: Elizabeth auf Rügen | Jane Austen: Stolz und Vorurteil | Paul Auster: 4321 | Maygull Axelsson: Die Aprilhexe | Fatma Aydemir: Dschinns

Fredrik Backman: Ein Mann namens Ove | Solvej Balle, Über die Berechnung des Rauminhalts | Zsuzsa Bank: Die hellen Tage | Julian Barnes: Elizabeth Finch | Sebastian Barry: Jenseits aller Zeit | Jurek Becker: Jakob der Lügner | Thomas Bernhard: Heldenplatz | Kristine Bilkau: Halbinsel | T.C. Boyle: Blue Skyes | Hans Braam (Hg.): Die berühmtesten deutschen Gedichte | Emily Brontë: Sturmhöhe | Michail Bulgakow: Der Meister und Margerita | Sybille Bullatschek: Sie haben Ihr Toupet ins Glücksrad geschmissen | Frances Hodgson Burnett: Der geheime Garten

Truman Capote: Kaltblütig | Truman Capote: Erhörte Gebete | Alex Capus: Das kleine Haus am Sonnenhang | Marie Cardinal: Schattenmund | Emmanuel Carrere: Ich lebe und Ihr seid tot: Die Parallelwelten des Philip K. Dick | Mircea Cărtărescu: Theodoros |Yasmine Chami: Tief ins Fleisch | Julie Clark: Der Tausch | Martina Clavadetscher: Die Schrecken der anderen | Robert Cohen: Exil der frechen Frauen | M.W. Craven: Der Zögling | John Crowley, Little, Big

Chloe Dalton: Hase und ich | Alain Damasio: Die Horde im Gegenwind | Carys Davies: Ein klarer Tag | Lame Deer & Richard Erdoes

: Tahca Ushte: Medizinmann der Sioux | Hernan Díaz: Treue | Hernan Díaz: In der Ferne | Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter | Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker

Marc Elsberg: Blackout | Michael Ende: Die unendliche Geschichte | Louise Erdrich: Jahr der Wunder | Jenny Erpenbeck: Kairos | Percival Everett: James

Yannic Han Biao Federer: Für immer seh ich dich wieder | Elena Fischer: Paradise Garden

Sebastian Fitzek & Micky Beisenherz: Schreib oder stirb | Sebastian Fitzek: Das Kalendermädchen | Gillian Flynn: Gone Girl | Valerie Fritsch: Zitronen | Johanna Fröhlich Zapata: Das Buch, das du gelesen haben solltest, bevor du Mutter wirst

Gabriel García Márquez: Leben, um davon zu erzählen | Valentine Goby: Über allen Bergen | Juan Gómez Bárcena: Alles andere ist Luft | Noah Gordon: Der Medicus | Susanne Gregor: Halbe Leben | Ken Grimwood: Replay – Das zweite Spiel | Lauren Groff: Die Monster von Templeton | Lauren Groff: Die weite Wildnis | Benoît Groult: Salz auf unserer Haut | Kübra Gümüsay: Sprache und Sein

Wolf Haas: Wackelkontakt | Axel Hacke: Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wir wir miteinander umgehen | Sebastian Haffner: Geschichte eines Deutschen | Matt Haig: Die Mitternachtsbibliothek | Helene Hanff: 84 Charing Cross Road | Kristin Hannah: Die Nachtigal | Dörte Hansen: Zur See | Nino Haratischwili: Das achte Leben (für Brilka) | Eve Harris: Die Hochzeit der Chani Kaufman | Robert Harris: Die Cicero-Trilogie | Johan Harstad: Max, Mischa und die Tet-Offensive | Samantha Harvey: Umlaufbahnen | Christoph Hein: Das Narrenschiff | Joseph Hellers: Catch 22 | Peter Henisch: Eine sehr kleine Frau | Hermann Hesse: Demian | Hermann Hesse: Siddhartha | Wolfgang Hohlbein: Dreizehn | Kristin Höller: Leute von früher | Matthias Horx: Der Zauber der Zukunft – Wie wir die Welt verändern | Khaled Hosseini: Drachenläufer | Scott Alexander Howard: Das andere Tal | Megan Hunter: Vom Ende an

Isabel Ibañes: What the River knows | Greg Iles: Schwarzer Tod | Florian Illies: Zauber der Stille | Barbara Imgrund: Der Wurm – Eine kleine Geschichte | John Irving: Owen Meany | John Irving: Gottes Werk und Teufels Beitrag | Uwe Johnson: Jahrestage | Bret Anthony Johnston: We Burn Daylight | Sarah Jollien-Fardel: Lieblingstochter

Dmitri Kapitelman: Das Lächeln meines Vaters | Friedemann Karig: Dschungel | Sandra Kegel (Hg.): Prosaische Passionen | Daniel Kehlmann: Tyll | Judith Kerr: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl | Imre Kertesz: Roman eines Schicksallosen | Marcus M. Keupp: Spurwechsel | Stephen King: Love | Hilmar Klute: Was dann nachher so schön fliegt | Karen Köhler: Wir haben Raketen geangelt | Steffen Kopetzky: Propaganda | Mary Rubinette Kowal: Der Lady Astronaut-Zyklus | James Krüss: Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen

Marie-Hélène Lafon: Geschichte des Sohnes | Olivia Laing: Der Garten und die Zeit | John Lanchester: Die Mauer | Barbara Leciejewski: Am Meer ist es schön | Harper Lee: Wer die Nachtigal stört | Siegfried Lenz: Arnes Nachlass | Hera Lind: Um jeden Preis | Astrid Lindgren: Pippi Langstrumpf | Astrid Lindgren: Die Menschheit hat den Verstand verloren | John Ajvide Lindqvist: Refugium | Penelope Livley: Nachtglimmen | Sarah Lorenz: Mit Dir, da möchte ich im Himmel einen Kaffee trinken | Oliver Lovrenski: Bruder, wenn wir nicht Family sind, wer dann

Roisin Maguire: Mitternachtsschwimmer | Ruth Maier: Es wartet doch so viel auf mich … | Joachim Meyerhoff: Man kann auch in die Höhe fallen | Thomas Mann: Der Zauberberg | George R.R. Martin: Die Flamme erlischt | Daphne du Maurier: Jamaica Inn | Cormac McCarthy: Die Straße | Charlotte McConahgy: Die Rettung | Semezdin Mehmedinović: My Heart | Coco Mellors: Blue Sisters | Pascal Mercier: Das Gewicht der Worte | Pascal Mercier: Perlmanns Schweigen | Clemens Meyer: Als wir träumten | Maria Messina: Das Haus in der Gasse | Madelyne Meyer: Endlich Wein verstehen | Madeline Miller: Das Lied des Achill | Madeline Miller: Ich bin Circe | Madeline Miller: Galatea | Brandon Mull: Fabelheim | Alice Munro: Erzählungen | Michela Murgia: Accabadora

Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit | Das Neue Testament |  Lina Nordquist: Mein Herz ist eine Krähe | Christoph Nussbaumeder: Die Unverhofften

Chigozie Obioma: An Orchestra Of Minorities | Patrick van Odijk: Der falsche Vermeer | Katja Oskamp: Marzahn Mon Amour | Delia Owens: Der Gesang der Flusskrebse

Leonardo Padura: Der Mann, der Hunde liebte | Orhan Pamuk: Rot ist mein Name | Sarah Pearse: Das Retreat | Leo Perutz: Wohin rollst du, Äpfelchen | Caroline Peters: Ein anderes Leben | Jodie Picoult: In einer regnerischen Nacht | Sylvia Plath: Die Glasglocke | Nele Pollatschek: Kleine Probleme | Richard Powers: Das große Spiel | Anne Prettin: Der Ruf des Eisvogels

Anne B. Ragde: Die Lügenhaus-Reihe | Edward Radsinski: Die Geheimakte Rasputin | Sven Regener: Herr Lehmann | Erich Maria Remarque: Drei Kameraden | Petra Reski: Als ich einmal in den Canale Grande fiel | Antonia Riepp: Die Frauen von Capri | Emanuel Robin: Der Angeklagte | Ralf Rothmann: Museum der Einsamkeit | Rainbow Rowell: Eleanor & Park

Kurban Said: Ali und Nino | Joan Sales: Flüchtiger Glanz | Philippe Sands: Rückkehr nach Lemberg | Nina Sankovitch: Tolstoi und der lila Sessel | Stephan Schäfer: 25 letzte Sommer | Simone Scharbert: du, alice | Simone Scharbert: Rosa in grau | Simone Scharbert: Für Anna | Frank Schätzing: Der Schwarm | Regina Scheer: Machandel | Leonie Schöler: Beklaute Frauen | Daniel Schreiber: Allein | Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf: In der Sprache liegt die Kraft | Dirk Schümer: Die schwarze Rose | Dirk Schümer: Die schwarze Lilie | Iciaba Scego: Kassandra in Mogadischu | Paul Scraton: Harzwanderungen – Auf Heines Spuren durch den deutschen Wald | Robert Seethaler: Der Trafikant | Beatriz Serrano: Geht so | Elif Shafak: Am Himmel die Flüsse | Zeruya Shalev: Schmerz | Henryk Sienkiewicz: Quo Vadis | Steinunn Sigurdadottir: Sonnenscheinpferde | Georges Simenon: Brief an meinen Richter | Dan Simmons: Olympos | Teresa Simon: Zypressensommer | Penelope Slocombe: Sunbirds | Daniel Speck: Piccola Sicilia | John Steinbeck: Meine Reise mit Charley | Heinrich Steinfest: Die Büglerin | Heinrich Steinfest: Sprung ins Leere | Andreas Steinhöfel: Die Mitte der Welt |Dirk Stermann: Mir geht’s gut, wenn nicht heute, dann morgen | Anne Stern: Wenn die Tage länger werden | Douglas Stewart: Shuggie Bain | Adalbert Stifter: Nachsommer | Patrick Süßkind: Das Parfum | János Székely: Verlockung

Sue Lynn Tan: Daughter of the Moondgoddess | Donna Tartt: Der Distelfink | Jennifer Teege: Amon. Mein Großvater hätte mich erschossen | Trude Teige: Und Großvater atmete mit den Wellen | Toon Tellegen: Die Sehnsucht des Igels | Walter Tevis: The Hustler | Marie Tieche: Kinnvika 80 Grad Nord | J.R.R. Tolkien: Der Herr der Ringe | Amor Towles: Ein Gentleman in Moskau | Tina Uebel: Nordwestpassage für 13 Arglose und einen Joghurt | Erwin Uhrmann: Ich bin die Zukunft

Mario Vargas Llosa: Tante Julia und der Kunstschreiber | Carolin Vermalle: Denn das Glück ist eine Reise | Ocean Vuong: Der Kaiser der Freude | Caroline Wahl: 22 Bahnen | David Foster Wallace: Unendlicher Spaß | Martin Walser: Finks Krieg | Jakob Wassermann: Mein Weg als Deutscher und Jude | Jan Weiler: Kühn hat Hunger | Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit | Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh | Chris Whitaker: In den Farben des Dunkels | Colson Whitehaed: Underground Railroad | Christoph Martin Wieland: Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva | Thornton Wilder: Der achte Schöpfungstag | John Williams: Stoner | Niall Williams: Die Geschichte des Regens | Penelope Williamson: Westwärts | Thomas Willmann: Das finstere Tal | Alice Winn: Durch das große Feuer | Uwe Wittstock: Februar 33 | Iris Wolff: Lichtungen | Evie Woods: Der verschwundene Buchladen

Hanya Yanagihara: Ein wenig Leben | Carlos Ruiz Zafón: Die Barcelona-Romane | Klaus Cäsar Zehrer: Das Genie | Lao Zi: Dao De Jing | Markus Zusak: Die Bücherdiebin

Da ist jede Menge Lesestoff zusammengekommen und viele der aufgeführten Bücher sind bereits auf meiner Wunschliste gelandet. Denn das ist das Schöne am Lesen und an der Beschäftigung mit Literatur: Es hört nie auf. Und immer warten Entdeckungen, Überraschungen und überwältigende Leseerlebnisse auf einen – sie sind nur das Aufschlagen eines Buches weit entfernt. 

#SupportYourLocalBookstore

Ein Dutzend Jahre und ein Bücherpaket

Ein Dutzend Jahre Kaffeehaussitzer: Ein Dutzend Buecher

Das Dutzend ist voll: Vor zwölf Jahren, am 16. Juni 2013, ist der erste Beitrag hier im Blog Kaffeehaussitzer online gegangen. Dass dies ausgerechnet am Datum des Bloomsday geschah, ist ein nettes Detail, aber das war völliger Zufall. Jedenfalls habe ich an jenem Tag zum ersten Mal den Button »Veröffentlichen« angeklickt und war dabei neugierig und gespannt, ob auch alles funktionieren würde. Es hat funktioniert, aber was sich alles aus diesem Moment entwickeln sollte, hätte ich niemals für möglich gehalten – so viele Rückmeldungen, Kontakte, Erlebnisse, Projekte, Aktionen, Reisen, sogar ein neuer Job. Der Blog ist in kürzester Zeit ein wichtiger Teil meines Lebens geworden, die virtuelle und die analoge Welt sind in ihm untrennbar miteinander verbunden. Mit dem Schreiben über Bücher und Leseerlebnisse habe ich etwas gefunden, wofür ich brenne, etwas, worin – bitte entschuldigt die Plattitüde – unendlich viel Herzblut geflossen ist und weiter fließen wird. Aber ich will mich nicht wiederholen, denn einen ausführlichen Bericht darüber, wie hier alles begann, wie sich eines zum anderen fügte und was der Blog für mein Leben bedeutet, gab es bereits zum Zehnjährigen – wobei es faszinierend und ein wenig beunruhigend ist, wie schnell schon wieder zwei Jahre ins Land gegangen sind. „Ein Dutzend Jahre und ein Bücherpaket“ weiterlesen

Ein Besuch im Bücherschloss

Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar

Eigentlich war dieser Blogbeitrag ganz anders gedacht. Eigentlich sollte er vor allem aus Bildern bestehen und mit wenig Text auskommen; ein großes Photoalbum sollte es sein – von einem der schönsten Bücherräume, die ich je besucht habe. Und eigentlich hatte ich geschätzt, dass auf der Speicherkarte meiner Kamera Dutzende Photos dieser Räumlichkeiten vorhanden sind. Aber da hatte ich wohl eine falsche Erinnerung im Kopf. Doch für diesen Irrtum gibt es einen Grund: Ein Gespräch. Und zwar eines, das so faszinierend war, dass ich das Photographieren schlicht und ergreifend vernachlässigt habe. Zumindest sind deutlich weniger Photos entstanden, als gedacht. Aber dafür habe ich viele Bilder im Kopf mitgenommen – und darüber schreibe ich nun. „Ein Besuch im Bücherschloss“ weiterlesen

Das Leben feiern. Irgendwie

Miqui Otero: Simón

Beim Lesen des Romans »Simón« von Miqui Otero war ich mir etwa ab der Hälfte nicht ganz sicher, ob ich ihn hier im Blog vorstellen und empfehlen möchte. Das Buch hat einen starken Anfang, schnell entsteht ein Sog, der einen in die Geschichte hineinzieht. Aber in der Mitte zerfasert die Handlung, der Spannungsbogen droht verloren zu gehen. Doch dann, gerade rechtzeitig, schaffte es der Autor, mich zurückzuholen. Im letzten Drittel nimmt die Story wieder Fahrt auf, Kreise schließen sich, Handlungsstränge biegen auf die Zielgerade ein und ich war gespannt, wie alles enden würde. Es war dann mitten in der Nacht, als ich das Buch zugeklappt und mich über die Feier des Lebens gefreut habe, an der ich teilhaben durfte. Und so ist trotz der ein oder anderen erzählerischen Schwäche »Simón« ein Roman, der in Erinnerung bleiben wird. Und im Herzen. „Das Leben feiern. Irgendwie“ weiterlesen

Weit oben in den Bergen

Regina Denk: Die Schwarzgeherin

Als ich mir Gedanken darüber gemacht habe, wie ich die Vorstellung des Romans »Die Schwarzgeherin« von Regina Denk beginnen könnte, ist mir aufgefallen, dass hier im Blog inzwischen etliche Romane zusammengekommen sind, die weit oben in den Bergen spielen. Und es geht darin meist um Menschen, die in einer Umgebung, einer Landschaft überleben müssen, die keinen Fehler verzeiht. Oft um Einzelgänger, die versuchen, aus gesellschaftlichen Strukturen auszubrechen oder sich mit ihnen auseinanderzusetzen, ihnen vielleicht sogar Risse zuzufügen. Es sind festgefügte Regeln des Zusammenlebens, die sich über die Jahrhunderte geformt haben und die – bedingt durch die Einsamkeit und Lebensfeindlichkeit der Berge – noch undurchdringlicher sind als anderswo. Ein weiterer Gedanke: Vielleicht hat die Faszination für Bücher, deren Handlung im Gebirge angesiedelt ist, auch damit zu tun, dass ich in Sichtweite der Alpen aufgewachsen bin, wer weiß.

Menschen in Ausnahmesituationen, auf sich allein gestellt; Menschen die kämpfen müssen, um ihren eigenen Weg zu gehen – das ist eines der klassischen literarischen Themen, von denen ich nie genug bekomme. In den Bergen angesiedelt entsteht dabei eine Situation, in der es kein Ausweichen geben kann und in der alles auf ein Drama hinausläuft. Hinauslaufen muss. Und trotz der ähnlichen Rahmenbedingungen erzählt jeder dieser Romane seine Geschichte auf eine einzigartige Weise. So, dass man sie nicht wieder vergisst. »Die Schwarzgeherin« ist eines dieser Bücher. „Weit oben in den Bergen“ weiterlesen

Madonna in den Trümmern

Cay Rademacher: Nacht der Ruinen

Eigentlich mag ich sie sehr, die Romane von Cay Rademacher, die ein historisches Setting haben. Die Hamburg-Trilogie etwa, angesiedelt in den Jahren 1947 und 1948, als es in der zerstörten Stadt für viele Menschen um die nackte Existenz ging. Oder den Roman »Die Passage nach Maskat«, in dem die Passagiere eines Ozeandampfers ein Abbild der Gesellschaft Deutschlands sind, unmittelbar vor der großen Weltwirtschaftskrise 1929 – und das inklusive einer spannenden Whodunit-Geschichte in der Tradition Agatha Christies. Der Roman, um den es in diesem Beitrag gehen soll, trägt den Titel »Nacht der Ruinen«, er führt uns nach Köln und in das Jahr 1945. Das Wort »eigentlich«, mit dem ich den Text begonnen habe, lässt erahnen, dass mich dieses Buch nicht ganz überzeugen konnte. Zumindest was die Handlung angeht; vieles wirkte zu überfrachtet und gleichzeitig zu vorhersehbar. Doch die Schilderung der vollkommen zerbombten Stadt geht unter die Haut. „Madonna in den Trümmern“ weiterlesen

Was wurde aus all den Träumen?

Beatriz Serrano: Geht so

Man stelle sich folgende Situation vor: Im Ruhebereich eines ICE sitzt ein Typ, der alle paar Minuten laut auflacht und ab und zu vor sich hin kichert. Klingt nervig, oder? Mich jedenfalls hätte das gehörig auf die Palme gebracht, da ich in Ruheabteilen sehr empfindlich auf laute Geräusche reagiere. In diesem Fall allerdings, na ja, was soll ich sagen – dieser Typ war ich und ich möchte mich bei allen unbekannten Mitreisenden entschuldigen. Der Grund für dieses seltsame Verhalten liegt gerade neben mir, es ist der Roman »Geht so« von Beatriz Serrano. Und eigentlich ist er gar nicht lustig, und genau das ist das Grandiose daran. „Was wurde aus all den Träumen?“ weiterlesen

Wohnzimmerlesung mit Pierre Jarawan

Pierre Jarawan: Frau im Mond

Was mit einer spontanen Aktion begann, ist zu einer festen Veranstaltungsreihe geworden: Bereits zum fünften Mal fand unsere Leipziger Wohnzimmerlesung statt, immer während der Buchmesse, immer im Wohnzimmer meines guten Freundes Hannes. Wir kennen uns schon seit vielen Jahren und bei ihm komme ich jedes Mal unter, wenn ich in Leipzig bin. 2018 hatte er die Idee, sein Wohnzimmer für eine Lesung zur Verfügung zu stellen und am Procedere hat sich bis heute nichts geändert: die Anmeldung dafür erfolgt per E-Mail und in der Antwort erhält man die Adresse. Etwa 30 Personen sitzen dann eng gedrängt auf Bierbänken in dem leer geräumten Raum, eine Autorin oder ein Autor ist zu Gast und ich habe das Vergnügen, das Gespräch zu moderieren. Dieses Mal war Pierre Jarawan bei uns und im Gepäck hatte er seinen neuen Roman »Frau im Mond«. „Wohnzimmerlesung mit Pierre Jarawan“ weiterlesen

Über das Vergehen der Jahre

Elke Heidenreich: Altern

Manchmal kommt alles ganz anders, als man es sich vorstellen kann. Diese Erkenntnis ist sicherlich nicht neu, aber immer wieder wahr. Als bei mir 1989 das Ende der Schulzeit und damit der Zivildienst nahte, wollte ich auf keinen Fall meine kleine Stadt am Bodensee verlassen. Und noch weniger wollte ich eine Stelle im Pflegebereich antreten müssen. Da ich es aber nicht schaffte, etwas Passendes zu finden, wurde ich eingeteilt, zog 200 Kilometer weiter und begann am 1. August 1989 auf der Pflegestation eines Altenheims zu arbeiten. In Freiburg, am Rand des Schwarzwalds. Und beides, die Stadt und die Zivi-Stelle, haben mein weiteres Leben geprägt. Freiburg wurde für fast ein Jahrzehnt zu einem Zuhause und die Arbeit mit alten Menschen lag mir gut. So gut, dass ich mir nach dem Ende des Zivildienstes einen Job als Altenpflegehelfer suchte und weiter in der Pflege arbeitete. Bevor mich der Weg in die Buchbranche führte, aber das ist eine andere Geschichte

Über vier Jahre hatte ich mit alten Menschen zu tun, manche noch rüstig, viele gebrechlich, einige kaum ansprechbar und alle in der Endphase ihres Lebens. Mehr als einmal saß ich neben einem Bett und hörte den letzten Atemzug – das sind Momente gewesen, die man nicht mehr vergisst. Ebenso wenig vergisst man, wie sehr die Arbeit im Pflegebereich ein Knochenjob ist, mit schlecht bezahltem Schichtdienst und großer Verantwortung. Und so manches Mal kam man physisch wie mental an seine Grenzen. Doch immer wieder gab es wunderbare Momente: Wenn sich ab und zu ein paar Minuten Zeit für ein Gespräch mit einem der alten Menschen ergaben – und das war oft so, als würde man durch ein Fenster in die Geschichte zurückblicken. Und manchmal bekam man als junger Mann mit Anfang zwanzig ein vages Gefühl davon, wie es sein würde, einmal selbst alt zu sein. Eines dieser Gespräche ist mir bis heute im Kopf geblieben. Ich unterhielt mich mit einer der Bewohnerinnen, einer alten Dame mit feinen Gesichtszügen, die ich sehr gerne mochte. An diesem einen Tag sagte sie zu mir: »Wissen sie, ich konnte mir nie vorstellen, alt zu sein. Und plötzlich bin ich es und das ging so schnell. Wo sind die ganzen Jahre nur hin?«  „Über das Vergehen der Jahre“ weiterlesen

Im Gefängnis der Geschichte

Matteo Melchiorre: Der letzte Cimamonte

Es war ein Zufallsfund, wie so oft. Beim Besuch einer Buchhandlung stand der Roman frontal präsentiert im Regal – ich sah das Titelbild und musste ihn haben. Der Klappentext, den ich nur kurz überflog, bestärkte mich in dieser Entscheidung. Und jetzt liegt das Buch »Der letzte Cimamonte« von Matteo Melchiorre gelesen neben mir und ich weiß, dass ich die Geschichte, die Stimmung und die Sprache noch sehr lange im Kopf behalten werde; es war ein großartiges Leseerlebnis. 

Im Zentrum der Handlung steht das Dorf Vallorgàna, hoch oben in den Ausläufern der Alpen. Und noch etwas weiter steht die alte Villa, der Adelssitz der Familie Cimamonte, der jahrhundertelang das Dorf und alles darum herum gehörte, Wiesen, Wälder und Berge. Doch diese Zeiten sind vorbei, Vallorgàna ist ein sterbender Ort, die Jungen sind gegangen, nicht wenige Häuser stehen leer. Aber noch ist Leben in den Höfen, die das Dorf prägen. Es gibt Tiere auf den Weiden, die Wiesen werden im Rhythmus der Jahreszeiten gemäht, ein Pfarrer hält die Messen und die Bar in der Ortsmitte ist nach wie vor das abendliche Wohnzimmer der alten Bauern. Während der alles umgebende Wald aufgegebene Wiesen wieder in Besitz nimmt, die Wölfe näher kommen und die Krähen wie Unglücksvögel über Vallorgàna kreisen, den Luftraum im Tal beherrschend. 

»Wir gehen. Die Krähen kommen. So sieht es aus.«  „Im Gefängnis der Geschichte“ weiterlesen