Darf man Bücher wegschmeißen?

Darf man Buecher wegschmeißen?

Bücher in den Müll? Eine polarisierende Frage, hier gehen die Meinungen auseinander. Neulich saß ich in einem Café und bekam eine Unterhaltung am Nachbartisch zu genau diesem Thema mit. Einer der beiden Gesprächspartner meinte, dass er niemals auch nur ein Buch ins Altpapier geben würde, das käme schon beinahe einer Todsünde gleich. Ist das so? Das finde ich nicht, im Gegenteil, ich habe schon ziemlich viele Bücher weggeworfen. Und ich habe kein einziges davon vermisst. „Darf man Bücher wegschmeißen?“ weiterlesen

Die Tramper-Zeit. Ein Textbaustein*

Jack Kerouac: Unterwegs

Früher bin ich viel getrampt, allein oder mit Freunden und auf diese Weise durch halb Europa gekommen. Schon damals, Anfang bis Mitte der Neunziger war das eine etwas aus der Mode gekommene Fortbewegungsmethode, heute sieht man sie fast gar nicht mehr, die rucksacktragenden Gestalten am Wegesrand, die den Autofahrern Daumen oder Schilder mit Ortsnamen entgegenrecken.

Meistens bin ich gut vorangekommen. „Die Tramper-Zeit. Ein Textbaustein*“ weiterlesen

Am Anfang war das Wort

Otfried Preußler: Der Räuber Hotzenplotz

Nicht selten verbringt man zwischen Weihnachten und Neujahr ein oder zwei Tage an dem Ort, an dem man aufgewachsen ist, den man aber schon lange verlassen hat. So war es Ende 2013 auch bei mir. Von nostalgischen Gefühlen getrieben habe ich den Keller meines Elternhauses durchstöbert und es tatsächlich gefunden: Das Buch »Der Räuber Hotzenplotz« von Otfried Preußler. Und zwar genau das Exemplar, aus dem mir meine Oma vor nun über vierzig Jahren vorgelesen hatte. Stockfleckig, von Feuchtigkeit beschädigt, aber immer noch da. „Am Anfang war das Wort“ weiterlesen

Schrecksekunde mit Mario Vargas Llosa

Mario Vargas Llosa: Tod in den Anden

Einmal hat mich ein Buch, besser gesagt eine Textstelle in einem Buch, für einen kurzen Moment in Todesangst versetzt. Und das meine ich ganz wörtlich. Es handelt sich um den Roman »Tod in den Anden« von Mario Vargas Llosa, den ich 1996 gelesen habe. Zu Beginn der Handlung wird ein Überlandbus irgendwo in den peruanischen Anden von einer Einheit der maoistischen Terrrorgruppe Leuchtender Pfad angehalten. Es ist mitten in der Nacht, die beiden einzigen Touristen in dem Bus werden herausgezerrt und getötet. Diese extrem barbarisch geschilderte Szene hat sich tief in mein Bewusstsein eingegraben.

Vier Wochen später saß ich in einem Flugzeug auf dem Weg nach Peru. „Schrecksekunde mit Mario Vargas Llosa“ weiterlesen

In die Falle gegangen? Ein Textbaustein*, mitwachsend

Franz Kafka: Kleine Fabel

»›Ach‹, sagte die Maus, ›die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.‹ – ›Du musst nur die Laufrichtung ändern‹, sagte die Katze und fraß sie.«

Schon wieder Kafka. Das ist kein Wunder, begleiten mich seine Texte schon seit vielen Jahren. Auch wenn ich seit meiner Kafka-extrem-Woche in Prag nichts mehr von ihm gelesen habe, an diesen Text hier, die »Kleine Fabel«, muss ich oft denken. „In die Falle gegangen? Ein Textbaustein*, mitwachsend“ weiterlesen

Die Djian-Dekade

Philippe Djian

Seit Jahren ist es ein festes Ritual: Ein neues Buch von Philippe Djian erscheint, also gehe ich in eine Buchhandlung und kaufe es. Dann lese ich es und stelle es zu den anderen Djian-Büchern ins Regal. So auch dieses Jahr mit »Wie die wilden Tiere«, letztes Jahr und die Jahre davor. Etwas wurde anders im Lauf der Zeit: Früher waren seine Bücher im Stapel vorhanden, dann wurden die Stapel kleiner. Und dieses Jahr war nur ein einziges Exemplar da. Letzes Jahr kannte die Buchhändlerin den Namen des Autors nicht. Sie war sehr jung, etwa in dem Alter in dem ich war, als ich zum ersten Mal von Djian hörte. Wann war das noch mal? Was ist geschehen? Wir sind älter geworden. „Die Djian-Dekade“ weiterlesen

Ausflug in Europas intellektuelles Herz

Lettre International - Europas Kulturzeitung

Ich werde nie das völlig unbewegliche Gesicht des DDR-Grenzsoldaten vergessen, der das Photo in meinem Reisepass ganz genau mit meinem Gesicht verglich. Minutenlang. Ich stand in einer Art Einzelkabine am Grenzübergang Berlin-Friedrichstraße, die Türen geschlossen, zwischen uns eine dicke Glasscheibe. Endlich schlug er meinen Pass zu und die Türe öffnete sich nach Ost-Berlin. Es war 1986, ich war 17 und zum ersten Mal in Berlin. Ein paar Jahre später war die DDR verschwunden.

Wie die Geschichte so spielt: Damals hätte ich es niemals für möglich gehalten, dass ich zwölf Jahre später mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit regelmäßig an der Stelle dieses Grenzübertritts vorbeikommen würde. Es war im Sommer 1998 und ich war Praktikant bei Lettre International.

„Ausflug in Europas intellektuelles Herz“ weiterlesen

Kafkaesk in Prag

Kafkaesk in Prag

Anfang 1996 arbeitete ich als Buchhändler und verkaufte Reiseführer. Beim Auspacken einer Kiste mit Novitäten fiel mir ein schmales Buch in die Hände, das eines meiner intensivsten Leseerlebnisse überhaupt auslöste. Der Titel lautete »Cafés in Prag« und machmal gibt es Momente, in denen man ganz plötzlich eine Eingebung hat oder eine plötzliche Idee, oder ein Plan glasklar vor dem inneren Auge erscheint. Das war ein solcher Moment. Einen Monat später kaufte ich eine Zugfahrkarte nach Prag und machte mich auf den Weg. „Kafkaesk in Prag“ weiterlesen

Blutgeld für schöne Bücher

James Agee und Walker Evans: Preisen will ich die großen Männer

Letzte Woche habe ich mir nach vielen Jahren wieder einen Band der Anderen Bibliothek gekauft. Es ist das Buch »Preisen will ich die großen Männer« von James Agee mit den Photographien von Walker Evans. 1941 das erste Mal erschienen, war es das Ergebnis eines Rechercheprojekts des Autors und des Photographen, mit dem sie über die Lebensbedingungen der Farmerfamilien im Süden den USA berichteten. Es war eine Reise in die bitterste Armut – hohlwangige Männer, verhärmte Frauen, ernste Kinder und halbzerfallene Häuser. Die Weltwirtschaftskrise und die große Depression hatten in den USA ihre Spuren hinterlassen. Die Texte und Photos, die so zusammengetragen wurden, machen auch heute noch einen tiefen und bewegenden Eindruck. „Blutgeld für schöne Bücher“ weiterlesen

Simone de Beauvoir in Melbourne

Simone de Beauvoir: Alle Menschen sind sterblich

Im März 1993 stand ich in einer Schlange vor einem Schalter des Hauptpostamts in Melbourne. Ich reiste gerade drei Monate durch Australien und wollte dort nach postlagernden Briefen für mich fragen. Heute, in Zeiten von Skype, WhatsApp oder Facetime mag das seltsam klingen, doch damals war es die normale Art und Weise, mit Freunden und Familie daheim in Verbindung zu bleiben, wenn man längere Zeit ohne bestimmtes Ziel unterwegs war. Das Schöne daran war, dass man so richtig weg und wenn man wollte, unerreichbar sein konnte. „Simone de Beauvoir in Melbourne“ weiterlesen

Positiv denken mit Franz Kafka*

Franz Kafka: Saemtliche Erzaehlungen

Es gibt Momente im Leben, die sind von solch unglaublich kristallener Klarheit, als wäre gerade ein Vorhang weggezogen worden, der die Gedanken blockiert hatte. Solche Schlüsselmomente sind selten, daher bleiben sie meist sehr lange in Erinnerung. Als ich im Frühjahr 1991 lesend im Kaffeehaus  saß, habe ich einen solchen erlebt. „Positiv denken mit Franz Kafka*“ weiterlesen

Ex libris

Ex Libris

Jetzt also einen Blog. Dann fange ich mal an.

Wir leben in einer spannenden Zeit. Als 1969 Geborener habe ich als Kind noch erlebt, wie ein Schrankenwärter an einer Bahnstrecke die Schranke heruntergelassen hat. Ich habe tatsächlich noch die letzten Dampfloks in meiner Erinnerung, außerdem natürlich Wählscheibentelefone, Schwarz-Weiß-Fernseher mit drei Programmen, stinkendes Matrizenpapier in der Schule und die Arbeit mit Karteikarten während meiner Buchhändlerlehre.

1993 sah ich das erste Mobiltelefon: Es war im Bankenviertel von Sydney, wo mir ein Mann in Businesskleidung entgegenkam, der laut in einen großen Kasten brüllte, den er sich ans Ohr presste. Das ist jetzt etliche Jahre her und seitdem ist die Welt eine andere geworden. Und ein Ende der technischen Umwälzungen ist überhaupt nicht abzusehen. Irgendwo habe ich den Satz aufgeschnappt: »Wenn das Internet der Buchdruck wäre, würden wir gerade im Jahr 1460 leben.« Es bleibt also spannend.

Was mich durch alle Veränderungen begleitet hat und begleiten wird, das sind meine Bücher. Ich habe keine Ahnung, wie es ist, ohne ein Buch in der Tasche aus dem Haus zu gehen, weil ich das noch nie gemacht habe. Okay, so gut wie nie. Es gibt eigentlich immer ein Buch, das ich gerade lese. Und natürlich neigen Bücher dazu, ständig mehr zu werden. Ist eines fertig gelesen, sind in der Zwischenzeit mindestens zwei, drei, vier neue dazu gekommen. Ich kann gar nicht anders. Und ich liebe es, mich vor das überquellende Bücherregal zu stellen und zu überlegen, was ich als nächstes lese. Bücher herauszuziehen, darin zu blättern, den Anfang zu lesen, ein anderes Buch zu nehmen. So lange, bis die Entscheidung getroffen ist.

Ich stelle in meinem Blog Kaffeehaussitzer Bücher und Texte vor, die ich gerne gelesen habe. Die mich begeistert, inspiriert, bewegt, fasziniert oder nachdenklich gemacht haben. Die mir etwas bedeuten.

Bin gespannt, was da so zusammen kommt.