Die Bücher der Rose

Umberto Eco: Der Name der Rose | Dirk Schuemer: Die schwarze Rose

2022 jährte sich das Erscheinen der deutschen Ausgabe von »Der Name der Rose« zum vierzigsten Mal. Dies feierte der Hanser Verlag mit einer wunderschön gestalteten Neuauflage des Romans von Umberto Eco in der bewährten Übersetzung von Burkhart Kroeber. Eine Ausgabe, an der ich nicht vorbeigehen konnte und die ich zum Anlass nahm, nach fünfunddreißig Jahren dieses großartige Werk ein zweites Mal zu lesen. Gleichzeitig erschien – im Zsolnay Verlag, der ebenfalls zu Hanser gehört – der Roman »Die schwarze Rose« von Dirk Schümer; laut der Ankündigung im Klappentext eine Art lose Fortsetzung von Ecos Meisterwerk. Zumindest würde man ein paar alte Bekannte wieder treffen: »Dort, wo Umberto Ecos ›Der Name der Rose‹ aufhört, setzt Dirk Schümers historischer Roman an«, heißt es auf der Buchrückseite. An ein Meisterwerk, an einen der ganz großen Romane der letzten Dekaden anknüpfen? Kann ein so schon fast anmaßendes Unterfangen gut gehen? Gelingen? Ich war skeptisch. Und neugierig. Aber lest selbst.

Umberto Eco: Der Name der Rose

Eigentlich ist Musik der beste Erinnerungspeicher; höre ich einen Song aus einer bestimmten Lebensphase, verbinde ich ihn sofort mit Erlebnissen, mit anderen Menschen, mit Jahren, die weit zurückliegen. Doch als ich jetzt die ersten Seiten von »Der Name der Rose« gelesen habe, ging es mir ganz genauso. 1987 war ich mit zwei Freunden in die Provence gereist; die Eltern des einen hatten dort bei einer abgelegenen Kleinstadt ein Grundstück, auf dem es einen uralten Wohnwagen gab und einen Bach. Und ein paar schattenspendende Bäume. Und unter einem dieser Bäume saß ich mit Umberto Ecos Roman. Es war eines der wenigen Bücher, die in in jener Zeit las und ich habe es verschlungen. 

Und nun, fünfunddreißig Jahre später, befand ich mich direkt mit den ersten Seiten wieder im Schatten eines Baumes in der Provence und hatte das Grillenzirpen in den Ohren. Während ich gleichzeitig im Spätherbst 1327 in den nördlichen Ausläufern des Apennins unterwegs war, zusammen mit William von Baskerville und Adson von Melk. Und vor uns das Kloster auftauchte, das der Schauplatz der kommenden dramatischen Ereignisse werden sollte. Mit seinem dem Castel del Monte nachempfundenen Hauptgebäude – dem riesigen Aedificium – wirkt es wie eine Festung, düster und abweisend. Jenes Aedificium, in dem sich die große Bibliothek befindet, die im Mittelpunkt der Handlung stehen wird. Eine Bibliothek wie ein Labyrinth, ein Sinnbild für das vielfältige Wissen, das dort versammelt ist und für die verschlungenen Wege, auf denen dieses Wissen den Weg dorthin gefunden hat. Und unter Verschluss bleibt, bewacht von dem alten und blinden Mönch Jorge von Burgos und seinen Bibliotheksgehilfen, die nur diejenigen Schriften den anderen Mönchen aushändigen, die sie unbedingt für ihre Arbeit im Scriptorium benötigen. Ein ganz besonderes Werk befindet sich versteckt in jener Bibliothek; ein Werk, für das Wissbegierige sogar bereit sind, zu töten.

Der Franziskanermönch William von Baskerville und sein Begleiter, der Benediktiner-Novize Adson von Melk, sind eigentlich auf einer politischen Mission unterwegs – zu einem Treffen, das in diesem Kloster zwischen Abgesandten der Franziskaner und des päpstlichen Hofes in Avignon stattfinden soll, zwischen zwei Parteien, die sich feindlich gesinnt gegenüberstehen. Es soll darum gehen, einen Besuch des franziskanischen Ordensgenerals Michael von Cesena im Papstpalast zu planen und über das freie Geleit zu verhandeln. Als William und Adson im Kloster eintreffen, ist ein Mönch auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen und William – bekannt als ein Meister der Logik – wird gebeten, den Vorfall aufzuklären. Doch dann stirbt der nächste Mönch, und bald folgt ein weiterer Todesfall. Eine Mordserie sucht das Kloster heim und William gibt – mit Adsons Unterstützung – sein Bestes, um die Zusammenhänge zu verstehen. Und das Geheimnis zu ergründen, das in diesem Kloster verborgen ist. Oder vielmehr: In dieser Bibliothek. Denn letztendlich geht es um Bücher. Um die Macht des geschriebenen Wortes.

Mehr muss ich wohl nicht zum Inhalt sagen, der wohl den meisten bekannt sein dürfte. Das Großartige an »Der Name der Rose«: Man kann das Buch lesen wie einen im Mittelalter spielenden Kriminalroman und sich bestens unterhalten fühlen. Einige offensichtliche Anspielungen sind sofort klar: Es ist nicht schwer zu erraten, dass William von Baskerville und Adson von Melk eine charmante Hommage auf das Ermittlerduo Sherlock Holmes und Dr. Watson darstellen. Auch in dem blinden, von der Macht der Wörter besessenen Bibliothekar Jorge von Burgos den argentinischen Schriftsteller Jorge Luis Borges zu erkennen, fällt leicht. Man kann aber auch noch viel tiefer eintauchen in das Werk und seine unzähligen, raffiniert eingebauten Bezüge zu Literatur, Kultur und Zeitgeschichte mit Hilfe von Sekundärliteratur offenlegen – sie reichen von Don Quichotte bis zu den Roten Brigaden. 

Aber wie gesagt, auch wenn man kaum eine von Umberto Ecos Anspielungen wahrnehmen würde, dann liest man trotzdem einen großartig komponierten Roman, eine spannende Geschichte voller überraschender Wendungen. Und erhält wie nebenbei einen tiefen Einblick in das Geistesleben und die politischen Verwerfungen des ausgehenden Mittelalters in Europa. Die Handlung ist gespickt mit theologischen und philosophischen Diskussionen, die den Geist jener Zeit widerspiegeln. Es sind wunderbar ausufernde, seitenlange Gespräche, die ich als Leser ungemein bereichernd finde – wobei ich damals, vor fünfunddreißig Jahren, sicherlich die ein oder andere Seite übersprungen habe. Wir sehen den Niedergang der Klöster als geistige Zentren – es ist die Zeit, in der die ersten Universitäten und ein selbstbewusstes, städtisches Bürgertum entstehen. Es ist die Zeit des französischen Papstes Johannes XXII. – ein Ausbund an Raff-, Hab- und Machtgier – der vom Papstsitz in Avignon aus regiert und die katholische Kirche zu dem großen Wirtschaftsunternehmen umgestaltet, das sie heute noch ist. Es ist die Zeit, in der die Auseinandersetzungen zwischen Papst und Kaiser, zwischen neuen kirchlichen Strömungen und der offiziellen Linie der Kirche die Christenheit zu zerreißen drohen. Es ist die Zeit gesellschaftlicher Umbrüche, die Zeit gnadenloser Machtkämpfe, die Zeit der Inquisition, mit der die Kirche brutale Jagd auf Abweichler macht, sie als Ketzer und Häretiker verfolgt und verbrennt – auch dies ist ein zentraler Handlungsstrang in »Der Name der Rose«.

Und es ist die Zeit, in der die allerersten Ausläufer der Renaissance zu erkennen sind, die bald das Mittelalter beenden wird. An der ein oder anderen Stelle wird Dante erwähnt, der in der Zeit der Handlung lebte und dessen Schaffen das Italienische als Literatursprache etablieren sollte – zusammen mit Petrarca und Boccaccio. Vor allem aber ist in »Der Name der Rose« immer wieder von den antiken Klassikern die Rede, deren lange vergessene Werke und Schriften in den vielen Klosterbibliotheken Europas überlebt hatten und die mit ihrer Wiederentdeckung einen kulturellen Umbruch einleiten werden. Denn auch wenn die Renaissance heute vor allem mit Architektur und Malerei in Verbindung gebracht wird, ist sie eine Epoche, die aus Worten, aus der Buchkultur, aus Texten der Antike entsteht. 

Bücher, Schriften, Texte, der Drang nach Erkenntnis und Wissen: Dies ist der Kern der Geschichte rund um die genial konstruierte, labyrinthische Klosterbibliothek. Oder um mit William von Baskerville zu sprechen: »Das Wohl eines Buches besteht darin, gelesen zu werden. Bücher sind aus Zeichen gemacht, die von anderen Zeichen reden, die ihrerseits von den wirklichen Dingen reden. Ohne das Auge, das sie liest, enthalten sie nur sterile Zeichen, die keine Begriffe hervorbringen und bleiben stumm. Vielleicht ist diese Bibliothek einst entstanden, um die Bücher, die sie enthält zu schützen. Aber nun lebt sie, um die Bücher in sich zu begraben. Deshalb ist sie zum Herd des Frevels geworden.«

Mit »Der Name der Rose« hat Umberto Eco der Welt der Bücher und des geschriebenen Wortes ein Denkmal gesetzt. In dem Band »Die große Zukunft des Buches«, den Eco zusammen mit dem Drehbuchautor Jean-Claude Carrière verfasst hat, schreibt er: »Das Buch ist wie der Löffel, der Hammer, das Rad oder die Schere. Sind diese Dinge erst einmal erfunden, lässt sich Besseres nicht mehr machen.« Und genau so ist es.

Umberto Eco ist 2016 gestorben, aber sein »Der Name der Rose« wird noch viele Jahre weiterleben. In gedruckter Form. Als Buch.

Dirk Schümer: Die schwarze Rose

Was hat es nun mit dem Buch auf sich, das vom Verlag als eine Art Nachfolgeband zu »Der Name der Rose« angepriesen wird? Zunächst einmal ist »Die schwarze Rose« ein solider und – soweit ich das als Nicht-Historiker beurteilen kann – gut recherchierter historischer Roman. Er spielt im Frühjahr 1328 in Avignon, also nur wenige Monate nach den Ereignissen aus Umberto Ecos Erzählung. Über siebzig Jahre lang war im 14. Jahrhundert die Stadt in der Provence die offizielle Papstresidenz; mit tatkräftiger Unterstützung der französischen Krone war es zur Wahl französischstämmiger Päpste und zum Umzug nach Avignon gekommen. Diese Entwicklung war das hochumstrittene Ergebnis unzähliger Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Kirche, zwischen verfeindeten Adelsfamilien sowie zwischen den unterschiedlichsten kirchlichen Strömungen: Avignon wurde für mehrere Jahrzehnte eines der wichtigsten Machtzentren Europas. Und ein wahres Haifischbecken voller Verschwörungen und Gegenverschwörungen, in dem die verschiedensten Akteure ihre manchmal offenen, aber meist heimlichen Kämpfe um Einfluss und Geld austrugen. Mit oftmals tödlichen Konsequenzen.

Und tatsächlich waren in genau diesem Jahr 1328 viele historische Personen gleichzeitig in dieser Stadt anwesend, zum Beispiel der damals noch junge Francesco Petrarca, der Theologe und Wissenschaftler William von Ockham, der franziskanische Ordensgeneral Michael von Cesena, von dem wir schon in »Der Name der Rose« hörten, oder der Dominikaner-Philosoph Eckhart von Hochheim, besser bekannt als Meister Eckhart, der sich aufgrund einer Anklage wegen Häresie vor dem päpstlichen Tribunal verantworten sollte. Und jener Meister Eckhart – einer der bedeutendsten deutschen Gelehrten des späten Mittelalters – ist eine der beiden Hauptfiguren des Romans. Er und sein Begleiter, der Novize Wittekind Tentronk, stolpern während ihres Aufenthalts in Avignon in einen Mordfall hinein, der schwerwiegende Folgen für die beiden haben wird. Und es bleibt nicht bei dieser einen Leiche, bis sie – für etliche Beteiligte viel zu spät – verstehen, in was sie da verwickelt wurden. Denn der kleine Gegenstand, um den es geht, könnte Europas Machtstrukturen gehörig durcheinanderwirbeln – kein Wunder, dass hinter ihm die unterschiedlichsten Gruppen her sind. Ein netter Kniff des Autors: Wittekind war nicht immer Novize, sondern sammelte als junger Mensch Erfahrungen in den mörderischen Auseinandersetzungen zwischen dem Deutschen Orden und den slawischen Stämmen an der nordöstlichen Grenze des Reiches. Diese Erfahrungen und Fähigkeiten kommen ihm nun zugute und helfen ihm, auch im avignonesischen Haifischbecken zu überleben. 

Eine Stärke des Romans ist der tiefe Einblick, den wir in das Machtgefüge jener Zeit mit all seinen komplizierten politischen Beziehungen erhalten. Neben der großen Politik, um die es am Papsthof geht, lernen wir auch Menschen kennen, die ihre Opfer sind; seien es Mitglieder der abgeschotteten jüdischen Gemeinde Avignons oder letzte Überlebende der als Ketzer verfolgten und verbrannten Katharer.

Dann taucht William von Baskerville in Avignon auf und beteiligt sich ebenfalls an der Aufklärung der mörderischen Geschehnisse. Gerüchte eilen ihm voraus, ein Kloster im Apennin betreffend, das Schauplatz einer Katastrophe geworden sei. Doch bleibt er eine Nebenfigur der Handlung, die Anknüpfungspunkte an »Der Name der Rose« sind kleine Details, die wie nebenbei erwähnt werden und am Rande in das Erzählte einfließen. Mit etwas gutem Willen lässt sich daher Dirk Schümers Roman tatsächlich als eine Art lose Fortsetzung von Umberto Ecos Werk bezeichnen. Allerdings kommt er in keinster Weise – weder stilistisch noch vom erzählerischen Tiefgang – an »Der Name der Rose« heran; diese Latte hängt zu hoch. »Die schwarze Rose« ist im Vergleich zu sehr getrieben von ihrem Krimiplot und die kulturgeschichtlichen Anspielungen lassen manches Mal die schriftstellerische Eleganz eines Umberto Eco vermissen. Etwa, wenn Wittekind dem Dichter Petrarca empfiehlt, doch einmal den Mont Ventoux zu besteigen und darüber zu schreiben. Oder William von Ockham sich mit seinem Rasiermesser gegen einen Angreifer wehrt. 

Sehr gelungen wiederum sind die vagen Andeutungen des Anbruchs einer neuen Zeit. Denn während der gebrechliche Meister Eckhart als einer der großen Denker des Spätmittelalters in Avignon seinem Schicksal entgegengeht, steht der junge Francesco von Arezzo alias Francesco Petrarca für die heraufziehenden Jahre der Renaissance, zu deren Wegbereitern er gehören sollte. Doch dieser Hauch einer Wahrnehmung kümmert den Novizen Wittekind Tentronk kein bisschen, als er in den Gassen, den Spelunken, den Klöstern und den Palästen Avignons um sein Leben rennt und kämpft. Und der Auflösung des Falles Schritt für Schritt näherkommt.

Ein Fazit zu beiden Büchern

Einträchtig liegen die beiden Bücher neben mir, während ich dies schreibe. Aufgrund des gut recherchierten Hintergrunds fand ich »Die schwarze Rose« zwar sehr spannend, doch hier reicht mir eine einmalige Lektüre. Empfohlen sei der Roman allen, die ein Faible für historische Romane haben, die aus dem Einheitsbrei dieses Genres deutlich herausragen. 

Bei »Der Name der Rose« bin ich mir allerdings sicher, dass ich dieses Werk auch noch ein drittes Mal lesen werde. Irgendwann, ich freue mich jetzt schon darauf. Und bin gespannt, ob sich dann weitere Erinnerungen damit verbinden werden. 

Bücherinformationen
Umberto Eco, Der Name der Rose
Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber
Hanser Verlag
ISBN 978-3-446-27074-9

Dirk Schümer, Die schwarze Rose
Zsolnay Verlag
ISBN 978-3-552-07250-3

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9 Antworten auf „Die Bücher der Rose“

  1. Hallo Uwe,
    vielen Dank für die großartige Beschreibung der beiden Romane. „Der Name der Rose“ steht auch in unserem Bücherregal und man sieht dem Buch die häufige Lektüre an. Es ist eines der wenigen Bücher, das alle Mitglieder meiner Familie gelesen haben. Deshalb bin ich sehr erfreut über die schöne Ausgabe, die es jetzt aus dem Hanser Verlag gibt. Daran werde ich ebenfalls nicht vorbeigehen.
    Auch wenn „Die schwarze Rose“ wahrscheinlich nicht an die literarische Qualität Ecos heranreicht, bin ich sehr gespannt auf die Lektüre des Romans. Ich werde ihn und auch „Der Name der Rose“ auf jeden Fall lesen bzw. noch einmal lesen. Das hört sich nach der perfekten Lektüre für die Herbstferien an.
    Vielen Dank für deine tollen Empfehlungen!!!
    Petra

  2. Vielen Dank Uwe,
    Umberto Ecos „Name der Rose“ war damals eine wunderbar anregende und reiche Lektüre. Seine folgenden Romane habe ich ebenso neugierig gelesen und mochte darunter insbesondere den „Baudolino“.
    Da bin ich dann schon gespannt auf Dirk Schümers „Schwarze Rose“ …
    Herzliche Grüße
    Bernd

    1. »Baudolino« habe ich (noch) nicht gelesen. Der einzige andere Roman, den ich von Umberto Eco kenne, ist »Das Foucaultsche Pendel«. Damit konnte ich allerdings seinerzeit nicht so wirklich viel anfangen.
      Herzliche Grüße
      Uwe

  3. Ganz interessant & meist übersehen – Meister Eckhart spielt auch in „Der Name der Rose“ vermittelt schon eine Rolle. Ich hatte dazu anderswo schonmal was geschrieben:

    „Gott ist ein lauter Nichts, ihn rührt kein Nun noch Hier . . . Ich werde rasch vordringen in jene allerweiteste, allerebenste und unermeßliche Einöde, in welcher der wahrhaft fromme Geist so selig vergehet. Ich werde versinken in der göttlichen Finsternis, in ein Stillschweigen und unaussprechliches Einswerden, und in diesem Versinken wird verloren sein alles Gleich und Ungleich, in diesem Abgrund wird auch mein Geist sich verlieren und nichts mehr wissen von Gott noch von sich selbst noch von Gleich und Ungleich noch von nichts gar nichts. Und ausgelöscht sein werden alle Unterschiede, ich werde eingehen in den einfältigen Grund, in die stille Wüste, in jenes Innerste, da niemand heimisch ist. Ich werde eintauchen in die wüste und öde Gottheit, darinnen ist weder Werk noch Bild . . .“

    „…ein lauter Nichts“, das mag manch Leser als Atheistische Absage an das Christentum lesen. Tatsächlich kompiliert die gesamte Schlusspassage Echos des Denkens von Meister Eckhart. Nicht in die „Einöde“ des Irreligiösen flüchtet Protagonist Adson, desillusioniert von den Wirrungen der Kirche zwischen Scholastik, Occhamschem Frühempirismus und Inquisition. Sondern in die Proto-Romantik der christlichen Mystik. Die übrigens im Eckhartschen Fall sehr viel fester auf dem Boden der Scholastik steht, als man es ihr in einem eher esoterischen Verständnis von „Mystik“ heute zuschreiben würde.

    (zu Eckharts – gewissermaßem – Proto-Hegelei: https://soerenheim.wordpress.com/2020/05/17/verschiedene-hegeleien-iv-meister-eckhart/)

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