Das 19. Jahrhundert ist für mich eine der interessantesten Epochen der Geschichte. Hier liegen die Wurzeln unserer Gegenwart; unsere heutige Welt mit all ihren Verwerfungen, aber auch Errungenschaften der letzten hundert Jahre fußt zu einem großen Teil auf Geschehnissen, die sich zwischen 1789 und 1918 ereignet haben – weshalb oft vom »langen 19. Jahrhundert« die Rede ist, das eigentlich mit der Französischen Revolution begann und mit dem Ersten Weltkrieg endete. Gleichzeitig lese ich gerne historische Kriminalromane, sofern sie – und hier trennt sich die Spreu vom Weizen – präzise recherchiert sind. Denn wie schon einmal geschrieben, eignet sich kaum etwas besser, um in der Geschichte herumzustromern. Und ich finde es spannend durch die Straßen eines längst vergangenen Berlins zu flanieren und eine Atmosphäre in mich aufzunehmen, die es schon lange nicht mehr gibt. Kriminalroman, 19. Jahrhundert, Berlin: Die beiden Bücher von Ralph Knobelsdorf vereinen all dies miteinander, weshalb ich die Lektüre von »Des Kummers Nacht« und »Ein Fremder hier zu Lande« sehr genossen habe. Denn bei diesen Romanen passte einfach alles. „An der Schwelle einer neuen Zeit“ weiterlesen
Die Bücher der Rose
2022 jährte sich das Erscheinen der deutschen Ausgabe von »Der Name der Rose« zum vierzigsten Mal. Dies feierte der Hanser Verlag mit einer wunderschön gestalteten Neuauflage des Romans von Umberto Eco in der bewährten Übersetzung von Burkhart Kroeber. Eine Ausgabe, an der ich nicht vorbeigehen konnte und die ich zum Anlass nahm, nach fünfunddreißig Jahren dieses großartige Werk ein zweites Mal zu lesen. Gleichzeitig erschien – im Zsolnay Verlag, der ebenfalls zu Hanser gehört – der Roman »Die schwarze Rose« von Dirk Schümer; laut der Ankündigung im Klappentext eine Art lose Fortsetzung von Ecos Meisterwerk. Zumindest würde man ein paar alte Bekannte wieder treffen: »Dort, wo Umberto Ecos ›Der Name der Rose‹ aufhört, setzt Dirk Schümers historischer Roman an«, heißt es auf der Buchrückseite. An ein Meisterwerk, an einen der ganz großen Romane der letzten Dekaden anknüpfen? Kann ein so schon fast anmaßendes Unterfangen gut gehen? Gelingen? Ich war skeptisch. Und neugierig. Aber lest selbst. „Die Bücher der Rose“ weiterlesen
Zwei Jäger
Gut recherchierte historische Kriminalromane lassen auf ihrem Weg weit zurück in die Vergangenheit Epochen auferstehen, die scheinbar längst verschwunden sind. Aber nur selten gelingt dies so vielschichtig wie in dem Roman »1793« von Niklas Natt och Dag, der uns mitnimmt nach Stockholm in das titelgebende Jahr. Und in eine Zeit der Umbrüche.
1793 also. 100 Jahre zuvor war Schweden noch eine der wichtigen europäischen Großmächte gewesen, ein Land, dem der Dreißigjährige Krieg große Territorialgewinne eingebracht hatte. Mit dem Scheitern der Feldzüge Karls XII. und dessem Tod im Jahr 1718 setzte der Niedergang ein und 1793 war Schweden ein Land der extremen Gegensätze, bitterste Armut existierte neben dem verschwenderischen Lebensstil der Reichen. Vier Jahre zuvor hatten genau diese Gegensätze in Frankreich zu einer Revolution geführt, und nur wenige Monate vor Beginn der Romanhandlung war der französische König guillotiniert worden – ein Ereignis, das in ganz Europa für Unruhe unter den Mächtigen sorgte. Es brodelte auf dem Kontinent und jahrhundertealte gesellschaftliche Strukturen bekammen erste Risse. „Zwei Jäger“ weiterlesen
Abenteuergeschichten vom Feinsten
Es ist höchste Zeit für diesen Beitrag, denn mit großem Schrecken musste ich feststellen, dass zwei meiner absoluten Lieblingsbücher nicht mehr lieferbar sind. Das ist mir völlig unverständlich, gehören doch »Alatriste« und »Das Gold des Königs« von Arturo Pérez-Reverte mit zum Besten, was historische Romane mit literarischem Anspruch zu bieten haben. Oder anders gesagt: Es sind Abenteuergeschichten vom Feinsten, die in einer Reihe stehen mit Werken der Weltliteratur wie Stevensons Schatzinsel oder Dumas‘ drei Musketieren. „Abenteuergeschichten vom Feinsten“ weiterlesen
Ein Rechtsanwalt in rauen Zeiten
Manchmal lese ich gerne historische Romane. Leider ist dies jedoch ein Genre, in dem es zu viele Bücher gibt, die besser nie geschrieben worden wären, weshalb ich für eine gute Empfehlung immer dankbar bin. In diesem Fall wurde ich in einer der Buchhandlungen meines Vertrauens auf eine großartige Buchreihe aufmerksam gemacht: Christopher J. Sansom hat mit seinen Matthew-Shardlake-Romanen das England zur Zeit Heinrichs VIII. wiederauferstehen lassen. „Ein Rechtsanwalt in rauen Zeiten“ weiterlesen
Mittelalter ohne Folklore
»Isenhart« von Holger Karsten Schmidt ist ein historischer Roman, der deutlich aus dem Einheitsbrei dieses Genres herausragt. Beurteilt man ihn nur nach dem Klappentext, wird dies nicht sofort deutlich. Dort ist von einem Serienmörder die Rede, von einem mittelalterlichen Profiler; insgesamt entsteht dadurch ein falscher Eindruck von diesem großartigen Buch. Denn es handelt sich hier nicht um einen Mittelalter-Krimi. »Isenhart« ist viel mehr als das. „Mittelalter ohne Folklore“ weiterlesen