Nach dem erfolgreichen Start im letzten Jahr findet auch 2018 wieder der Blogbuster-Wettbewerb statt, der Preis der Literaturblogger. Der Ablauf ist der gleiche: Autorinnen und Autoren konnten bei den 15 beteiligten Literaturblogs bis zum 31. Dezember 2017 unveröffentlichte Romanmanuskripte einreichen. Jeder Blog entscheidet sich für ein Manuskript, das auf die Longlist kommt. Und aus dieser Longlist wird dann ab Anfang März von der Jury – bestehend aus Denis Scheck, Elisabeth Ruge, Isabel Bogdan, Sara Schindler, Lars Birken-Bertsch, Tilman Winterling und Tobias Nazemi – erst eine Shortlist und im Mai 2018 der Siegertitel gewählt. Der Gewinner erhält einen Verlagsvertrag und das preisgekrönte Manuskript wird im Herbst als Buch erscheinen. Letztes Jahr war der Tropen Verlag/Klett-Cotta der Verlagspartner des Wettbewerbs, 2018 wird das Gewinnerbuch bei Kein & Aber veröffentlicht. Der Kaffeehaussitzer ist auch dieses Mal wieder einer der 15 Literaturblogs, bei denen die Manuskripte zur Prüfung eingegangen sind.
Man denkt ja gerne, dass alles einfacher wird, wenn man es zum zweiten Mal macht – doch zumindest im Bezug auf den Auswahlprozess beim Blogbuster-Preis ist diese Annahme weit gefehlt. 19 Exposees mit Leseproben hatten mich erreicht und sie waren thematisch und stilistisch vollkommen unterschiedlich. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Autorinnen und Autoren bedanken, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben und mir ihre Einsendungen zukommen ließen. Ich habe großen Respekt vor all der Arbeit, all den Mühen und Anstrengungen, die hinter einem Buchmanuskript stecken. Und mit diesem Respekt habe ich mich Anfang Januar an die Vorauswahl gemacht.
Was soll ich sagen? Es war schwierig. Auch beim zweiten Mal im Blogbuster-Team. Denn die Spannbreite der Einsendungen war enorm. Sie reichte von konventionell erzählten Geschichten bis hin zu experimentiellen Texten, die an die Grenze dessen gingen, was man als Roman bezeichnen würde. Manchmal versprach das Exposé mehr, als die Leseprobe halten konnte. Manchmal fand ich das Exposé etwas nichtssagend, dafür zog mich die Leseprobe in den Bann. Wie gesagt, es war nicht einfach, eine Erstauswahl zu treffen. Wie ahnt man das Potential eines Textes? Mehr denn je habe ich große Achtung vor der Arbeit von Lektorinnen und Lektoren in den Verlagen. Und konnte wieder einmal feststellen, wie wichtig die Arbeit eines Verlages ist, um aus der Rohfassung eines Manuskripts mit all seinen Ecken und Kanten einen lesenswerten Roman zu machen.
Letztendlich habe ich fünf Manuskripte komplett angefordert und mich intensiv mit ihnen beschäftigt. Und jetzt, Ende Februar, steht die Entscheidung fest: Der Kaffeehaussitzer wird das Manuskript »Das Angeln von Piranhas« der Autorin Tina Ger für die Blogbuster-Longlist einreichen.
Jedes der fünf Manuskripte hat mir auf seine Weise gut gefallen, aber bei diesem hat für mich einfach alles gestimmt: Die Sprache, die Protagonisten, die Dialoge, das Setting, der Spannungsbogen, die spannend verschachtelten zeitlichen Abläufe. Und der Schluss. Als ich die Geschichte zu Ende gelesen hatte, wusste ich, dass ich damit eine Kandidatin für den Blogbusterpreis gefunden habe, die beste Chancen hat, den Wettbewerb zu gewinnen.
Worum geht es in »Das Angeln von Piranhas«?
Zu Beginn sieht alles nach einer Midlife-Crisis-Geschichte aus. Luca leidet unter der Enge des Familienlebens, ist umgeben von seinen Kindern, von denen er sich überfordert fühlt, und von seiner enttäuschten Ehefrau Johanna – die Liebe zwischen ihr und ihm ist schon längst im Alltag auf der Strecke geblieben. Dadurch quält ihn ein permanentes schlechtes Gewissen, während das Scheitern seiner künstlerischen Ambitionen ihn frustriert. Kurz: Luca hat das Gefühl, in einer Sackgasse gelandet zu sein, schön angesiedelt im Prenzlauer-Berg-Bio-Idyll. Aber was jetzt klingt wie einer der vielen Selbstfindungsromane, in denen die Protagonisten mit ihrem Leben hadernd durch Berliner Bars ziehen, wird nicht lange so bleiben. Ganz und gar nicht.
Er verliebt sich in Yara, eine Brasilianerin aus Fortaleza, die in seinem Stammcafé arbeitet und es kommt zu einer gemeinsamen Nacht. Nur einer einzigen, denn dann verschwindet Yara aus seinem Leben, aus Berlin, aus dem Land. So, als hätte sie es nie gegeben. Luca schafft es noch eine kurze Zeit, den Anschein der Normalität aufrecht zu halten, dann, ja, dann nimmt die Geschichte Fahrt auf. Er beginnt Nachforschungen anzustellen, möchte Yara wiederfinden, lässt alles hinter sich. Landet in Brasilien, in Fortaleza. Ist pleite. Einsam. Und geht vollständig verloren, auf der Suche nach einem Traumbild, auf der Suche nach einem Leben, das es nicht gibt. Er schlägt sich durch, ein Getriebener auf der Flucht vor sich selbst, wochenlang, monatelang. Eine Flucht, die ihn tief ins Landesinnere Brasiliens treibt, ins Pantanal, in eine menschenleere Gegend im Herzen des südamerikanischen Kontinents, sumpfig, unwegsam, feucht und vollkommen abgelegen. Hier, am Ende der Welt, kommt es zu einem dramatischen Finale. Dramatisch und unerwartet, aber perfekt passend.
Wunderbar schildert Tina Ger die Gegensätze dieses Romans: Den Prenzlauer Berg in all seiner gediegenen Selbstzufriedenheit, die laute, große brasilianische Küstenstadt mit ihren trostlosen Ecken, die einsame Schwüle des Pantanal. Dazu gibt es zwei ungeklärte Todesfälle in Berlin und die Machenschaften einer evangelikalen Gemeinde – diese sektenähnlichen Gruppen gehören zu den in Brasilien am stärksten wachsenden Glaubensgemeinschaften. Viele verschiedene Elemente, gekonnt verknüpft zu einer packenden Story.
Der Protagonist Luca ist ganz und gar nicht sympathisch, sein triebgesteuertes, egozentrisches Verhalten, sein Versinken im Selbstmitleid, seine Verzweiflung, die immer irrationalere Züge annimmt, sind kaum auszuhalten. Und doch leidet man mit ihm, möchte unbedingt wissen, wie es ausgeht, wie viel er noch einzustecken hat, bis er – vielleicht – den Frieden mit sich selbst findet. Und so viel sei verraten: Das wird er. Aber vollkommen anders, als ich es erwartet habe.
Die Autorin war oft und länger in Brasilien, war im Pantanal unterwegs – man merkt, dass viel eigenes Erleben hier literarisch verarbeitet ist. Dazu wird es aber noch gibt es einen eigenen Beitrag geben, in dem ich Tina Ger interviewe, ausführlich vorstelle und zum Entstehen des Romans befrage.
Mein Fazit: Ich freue mich sehr, diesen Text entdeckt zu haben. Dieses Manuskript, das ich als Leser unbedingt als Buch in der Hand halten möchte. Aber vielleicht wird es Dank Blogbuster ja so kommen – die Chancen stehen gut!
Klingt äußerst vielversprechend!
Ist es auch!
Das würde ich nach deiner Schilderung jetzt echt gern lesen!
Wer weiß, vielleicht gibts das ja bald als Buch? Mein letztjähriger Longlistkandidat ist gerade im Berlin Verlag erschienen…
Das hört sich sehr gut an! Drücke die Daumen.
Ich bin so gespannt auf das Buch von Tina. Sie schreibt so leicht und voller Leidenschaft. Als Mama bin ich so stolz auf sie. Sie hat in Brasilien viel Zeit verbracht und somit schreibt sie auch so authentisch. Glückwunsch lich liebe dich deine Mama