»Das Buch mit dem Hut.« So las ich auf Twitter über den Roman »In der Nacht« von Dennis Lehane. Es war in der Tat der Hut auf dem Buchcover, der mich das Buch kaufen ließ. Er rief sofort Bilder wach, die zu meiner visuellen Grundausstattung gehören. Durch Filme wie »Es war einmal in Amerika«, »Untouchables«, »Road to Perdition«, »Last Man standing« oder »Lawless« hat sich ein bestimmter Stil im Hinterkopf etabliert, der sofort Assoziationen weckt an die Zeit der Prohibition in Amerika, an den Alkoholschmuggel. An Gangster mit Maschinenpistolen, aber immer in stilvoller Kleidung.
Das Kino hat unsere Bilder dieser Epoche geprägt. Der Umschlaggestalter des Diogenes-Verlags hat es geschafft, diese Assoziationen mit dem Bild eines Hutes zu wecken. Chapeau! Im wahrsten Sinne des Wortes. Und das Bild verspricht nicht zuviel. Zusammen mit der Hauptperson Joe Coughlin tauchen wir tief ein in die Welt des organisierten Verbrechens im Amerika Ende der 20er und zu Beginn der 30er Jahre.
»Wie so oft trug er einen seiner eierschalenfarbenen Nadelstreifenanzüge, als wären sie nicht in Boston, sondern in Lissabon, dazu einen braunen Fedora, der zu seinen braunen Schuhen passte, die wiederum perfekt mit den braunen Nadelstreifen harmonierten. Wenn der erste Schnee fiel, pflegte er braune Anzüge mit eierschalenfarbenen Nadelstreifen, einen eierschalenfarbenen Hut und weiß-braune Gamaschen zu tragen.«
Bilder über Bilder. Der elegante Herr ist der Gangsterboss Albert White und Joe hatte als Handlanger eines anderen Herrn der Unterwelt gerade eine von Whites illegalen Spielhöllen überfallen. Und sich dabei in Whites Freundin verliebt. So beginnt die Handlung und das Drama nimmt seinen Lauf. Joe Coughlin wird verraten, nach einer Verfolgungsjagd landet er im Gefängnis. Wobei er eigentlich der Sohn des stellvertretenden Bostoner Polizeichefs ist, was seine Situation noch prekärer macht. Er überlebt die Knast-Hölle, findet dort einen neuen Gangsterchef und wird von diesem nach Florida geschickt, um den Rumschmuggel neu zu strukturieren. Joe wird erfolgreich. Sehr erfolgreich. Und trifft die Liebe seines Lebens. Aber dann eskaliert die Situation.
Denn es sind keine Verhandlungen mit Geschäftsleuten, um die es in diesem Buch geht. Sondern Geschäfte zwischen Gangstern. Mit ihren eigenen Regeln. Joe kann diese Welt nicht verlassen. Aber auch wenn ihn die Gewalt darin abstößt, letztendlich will er es auch nicht. Denn es ist seine Welt. Er sagt: »Ich habe keine Lust, Steuern zu zahlen, dem Boss beim Firmenpicknick eine Limonade zu holen und eine Lebensversicherung abzuschließen. Ich sehe keinen Sinn darin, immer älter und fetter zu werden, um dann schließlich irgendeinem Herrenclub beizutreten, mit irgendwelchen Arschgeigen Zigarren zu rauchen und über die Schulnoten meiner Kinder zu quatschen. Und am Ende sacke ich über meinem Schreibtisch zusammen, und dann kratzen sie meinen Namen von der Glastür ab, noch ehe ich überhaupt unter der Erde bin. Wenn Du nach ihren Regeln spielen willst, na schön. Aber diesen Schwachsinn tue ich mir nicht an. Für einen echten Mann zählen nur die Regeln, die er sich selbst auferlegt.«
Aus der Welt der Literatur lassen die hardboiled novels von Raymond Chandler und Dashiell Hammet grüßen. Lehane bedient mit »In der Nacht« alle Klischees, korrupte Polizisten, illegale Schankstuben, in denen Rum und Whiskey in Strömen fließen, religiöse Eiferer, der Ku-Klux-Klan taucht auf und gleich zu Beginn des Buches wartet der Protagonist mit einem Zementklotz an den Beinen darauf, von einem Boot aus ins Meer geworfen zu werden. Aber der Autor spielt gekonnt mit eben diesen Klischees und baut daraus eine Geschichte mit einer unglaublich dramatischen Wucht. Ganz großes Kino mit einer Story, die man so schnell nicht vergisst. Und die einem wieder ein paar Bilder mehr ins Gedächtnis geliefert hat. Bilder aus der Zeit der Gangster mit Stil.
Buchinformation
Dennis Lehane, In der Nacht
Aus dem Amerikanischen von Sky Nonhoff
Diogenes Verlag
ISBN 978-3-257-06872-6
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Ungelesen, mal wieder. Weil ich die Vorschau im Diogenes Magazin gelesen habe und schon weiß, dieses Buch muss her. ;)
Aber unbedingt!
Sehr gut!
Übrigens hat Diogenes ja netterweise ebenjene Hüte an die Buchhandlungen verschickt. (Foto folgt…)
Schöne Idee. Ich hatte den Hut zufällig da, irgendwann mal im Urlaub als Sonnenschutz gekauft. Hat dann gut für das Photoshooting gepasst…