»Der Feind steht rechts«

Joseph Wirth: Der Feind steht rechts

Geschichte wiederholt sich nicht. Und die Weimarer Republik ist nicht die Bundesrepublik. Aber die Geschichte lehrt uns, welche Fehler unverzeihlich waren, an welchen Weichen falsch abgebogen wurde – damit sie sich nicht wiederholt. In der Rubrik Textbausteine* geht es diesmal um ein Zitat, einen Ausschnitt aus einer Rede.

Am 24. Juni 1922 wurde der Außenminister Walther Rathenau von rechtsextremen ehemaligen Offizieren ermordet. Dieses Attentat erschütterte die junge Republik in ihren Grundfesten; als darüber im Reichstag debattiert worde, kochten die Emotionen hoch – von Entsetzen bis klammheimlicher Freude waren alle Reaktionen vertreten. Die rechtsextreme DNVP (Deutschnationale Volkspartei) hatte mit monatelanger Hetze den Boden für das Attentat bereitet.

Reichskanzler Joseph Wirth fand in seiner Rede für den Mord und seine Vorgeschichte die passenden Worte. Sie sind zeitlos:

»Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. Da steht der Feind, und darüber ist kein Zweifel: Dieser Feind steht rechts!« 

Wirth gehörte zur katholischen Zentrumspartei. Konservativ geprägt war er ein Demokrat aus Überzeugung. Ein Mensch der wusste, dass faschistische Parteien keine politischen Gegner sind – sondern Feinde jeder Gesellschaft. Feinde, mit denen man nicht paktiert, sondern die man bekämpft. Diese Erkenntnis scheint bei manchen in Vergessenheit zu geraten, etwa bei den rückgratlosen CDU- und FDP-Abgeordneten des Thüringer Landtags, die eine rechtsradikale Partei als Steigbügelhalter für das Amt des Ministerpräsidenten genutzt haben. Eine Partei, deren Vorsitzender nach Gerichtsurteil als Faschist bezeichnet werden darf. Wie gesagt, Geschichte wiederholt sich nicht. Aber unsere freiheitliche Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit – das sollten wir nie vergessen. 

Joseph Wirth blieb seinen Überzeugungen treu, auch als neun Jahre später die bürgerlichen Kräfte der Weimarer Republik mit den Nationalsozialisten paktierten und Hitler in die Reichskanzlei hievten. Er war einer der Abgeordneten, die im März 1933 das »Ermächtigungsgesetz« öffentlich ablehnten. Als es beschlossen wurde, und der NSDAP damit endgültig den Weg freimachte, ging er in die Schweiz ins Exil.

Seine prophetischen Worte haben Gültigkeit bis heute:

»Der Feind steht rechts!«

*Hier auf Kaffeehaussitzer gibt es die Textbausteine, eine Sammlung von Texten, die mir wichtig sind. Meistens Stellen aus Büchern, aber dieser Ausschnitt aus einer der wichtigsten politischen Reden gehört unbedingt dazu.

12 Antworten auf „»Der Feind steht rechts«“

  1. In der Literatur zu Joseph Wirth wird fast durchgängig behauptet, er hätte – auch als entschiedener Gegner – unter „striktem Fraktionszwang“ dem „Ermächtigungsgesetz“ zustimmen „müssen“ ! Das stimmt nicht. Niemand konnte ihn dazu zwingen.
    Er hätte mit Mut (wie ihn die sozialdemokratische Reichstagsfraktion aufbrachte) dagegen stimmen, sich der Stimme enthalten können oder garnicht erst an der Abstimmung teilnehmen müssen. Da er ohnehin Deutschland – zunächst Richtung Österreich – unmittelbar nach der Abstimmung verließ, hätte er auch einen Zug früher nehmen können!
    Ihm war doch klar, was für eine furchtbare Zäsur das „Ermächtigungsgesetz“ darstellte. Der von ihm mit seiner Zustimmung praktizierte Gehorsam kann nur als tragisches persönliches Versagen bezeichnet werden!

    1. Vielen Dank für den ergänzenden Kommentar. Tatsächlich weiß ich zu wenig über Joseph Wirth, aber aus unserer Sichtweise der Nachgeborenen zu urteilen, was jemand in dieser gewalttätigen Zeit des Umbruchs hätte tun können oder nicht, finde ich immer ein wenig schwierig. Aber wie dem auch sei, seine Rede hielt er ja einige Jahre davor und prophetisch ist sie bis heute geblieben.

  2. Es ist möglich, dass Wirth gegen das Ermachtigungsgesetz war, aber im Reichstag hat er dafür gestimmt. Nur die SPD stimmte geschlossen dagegen, in dem Wissen, dass sie sich in äußerster Gefahr befinden würden.
    Es ist möglich, dass es eine parteiinterne Entscheidung war, aber trotzdem hätte Wirth Nein sagen können wenn er so dagegen war.

    1. Vielen Dank für die Ergänzung. Es war in der Tat der Fraktionszwang, dem er sich beugen musste. Lt. Wikipedia: »Am 24. März 1933, nach der Annahme des Ermächtigungsgesetzes, dem die Zentrumsfraktion einschließlich Wirth selber aufgrund des verfügten strikten Fraktionszwangs geschlossen zustimmte, verließ der entschiedene Gegner der nationalsozialistischen Ideologie das Deutsche Reich und emigrierte in die neutrale Schweiz.«

      1. Weil ich sehr viel Respekt für Josef Wirth und seine klare Sprache habe, habe ich etwas mehr geforscht. Hier ein Auszug aus dem Protokoll einer Sitzung der Partei, Nachlass Jakob Kaiser:
        „Vor Beginn der Reichstagssitzung war Fraktionssitzung der Zentrumspartei. Für und wider das Ermächtigungsgesetz. Kaas war für die Annahme und trat vor allem für Einmütigkeit der Fraktion ein. Brünning saß neben Kaas und hat geschwiegen. Die Stimmung war so, dass Kaas sagte, die Angelegenheit ist so wichtig, dass in namentlicher Abstimmung festgelegt werden müsse, wer dafür, wer dagegen ist. Dabei ging es ihm um die Einheit der Fraktion……………. Unter der Neinsagern waren Josef Wirth, Jakob Kaiser……….“

  3. Ein Beitrag voll mit klarer, unverblümter Sprache. Genau das gibt der Richtigkeit dieser Worte ihre Wucht…geht auf direktem Weg ins Herz, Gänsehaut inklusive.

  4. Hallo Uwe,
    vielen Dank für den Beitrag! Ja, Geschichte wiederholt sich nicht, aber du erinnerst zu Recht daran, dass es 1933 auch nicht um eine Macht“ergreifung“ durch die Nationalsozialisten ging, sondern dass sie ihre Macht auch damals sozusagen auf dem Silbertablett serviert bekamen. Die moralisch degenerierten Landtagsabgeordneten der CDU und FDP des Thüringer Landtages können sich nicht herausreden, sie hätten es nicht gewusst – weder den Verlauf der Geschichte nach 1933, noch das fadenscheinige, unwürdige Spiel das sie uns gestern geliefert haben.
    Ich kann dir nur aus ganzem Herzen beipflichten!
    LG
    Petra

  5. Der Feind steht nicht nur rechts, er steht mitten unter uns.
    Das wissen wir seit gestern.
    siehe Twitter Ramelow zur Gratulation Kemmerich / Höcke

    Gruß
    Martin

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