Leïla Slimani über wahre »Cancel Culture«. Ein Textbaustein*

Die wahre »Cancel Culture« - Leïla Slimanis brillante Rede bei der Eröffnung des Internationalen Literaturfestivals Berlin 2021

Der Roman »Das Land der Anderen« von Leïla Slimani ist eines der wichtigen Bücher des Jahres. In diesem Beitrag wird es allerdings nicht um das Buch gehen, sondern um eine Rede. Genauer gesagt, um die Rede, die Leïla Slimani zur Eröffnung des 21. Internationalen Literaturfestivals in Berlin gehalten hat. Die Übersetzung war in der FAS abgedruckt, ich bin zufälllig darauf gestoßen. Während einer Zugfahrt von Leipzig zurück nach Köln blätterte ich durch die Zeitung und blieb an dem Text der Rede hängen. Las sie gleich noch einmal. Und bekomme sie nicht mehr aus dem Kopf. Die französisch-marokkanische Autorin, geboren in Rabat, spricht darin von ihrem Aufwachsen in einer patriarchalen Gesellschaft, in der für Frauen kein selbstbestimmtes Leben vorgesehen ist. Sie erinnert sich an ihre ersten Kontakte mit Büchern und daran, wie die Literatur ihr die Türen in die Welt hinein aufgestoßen hat. Sie ist hindurchgegangen; es war ein steiniger Weg voller Hindernisse und Ressentiments, aber ein Umkehren kam nie in Frage. Und er hat sie bis weit nach oben geführt, Leïla Slimani ist eine der großen Stimmen der französischen Gegenwartsliteratur. „Leïla Slimani über wahre »Cancel Culture«. Ein Textbaustein*“ weiterlesen

Das Vermächtnis des Suchenden

Henning Mankell: Treibsand - Was es heißt ein Mensch zu sein

Am 5. Oktober 2015 ist der schwedische Schriftsteller Henning Mankell an Krebs gestorben. Er war ein Autor, dessen Werk ich nicht nur wegen seiner Romane rund um Kommissar Wallander sehr geschätzt habe. Aber dies hier soll kein Nachruf werden, sondern eine Buchvorstellung. Denn nur kurz vor seinem Tod erschien »Treibsand – Was es heißt ein Mensch zu sein«, seine letzte Veröffentlichung. Sein Abschied.

In »Treibsand« schreibt Mankell über seine Krebserkrankung, über den Schock der Diagnose, über Höhen und Tiefen, Behandlungserfolge, ein Leben zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Todesangst und Trotz. »Ich kann keinen Punkt setzen, weder durch einen tödlichen Ausgang, noch durch eine vollständige Genesung. Ich befinde mich mitten im Prozess. Ein endgültiges Fazit gibt es nicht. Aber das habe ich durchgemacht und erlebt. Die Erzählung hat kein Ende. Sie findet statt. Hiervon handelt dieses Buch. Von meinem Leben. Dem, das war, und dem, das ist.« Er erzählt uns sein Leben, lässt uns teilhaben an Ereignissen, die ihn geprägt, an Beobachtungen, die ihn sein ganzes Leben nicht mehr losgelassen haben und an seinen Gedanken über Identität und das Menschsein. Jedes Kapitel besteht nur aus wenigen Seiten, es sind aneinandergereihte Gedanken, Erlebnisse, ein Plauderton, manchmal schon beinahe anekdotenhaft, aber bei aller Leichtigkeit seiner Sprache geprägt von einem tiefen Ernst. Gedanken, die tief hineinreichen in die menschliche Seele und Spuren eines Lebens beschreiben, das kein einfaches, kein unkompliziertes war. Aber ein intensives. „Das Vermächtnis des Suchenden“ weiterlesen

Buchhändlers Traum

Petra Hartlieb: Meine wundervolle Buchhandlung

Irgendwie kennt das jeder von uns: Man sitzt mit ein paar Freunden zusammen, bei dem ein oder anderen Glas Wein oder Bier werden visionäre Geschäftsideen konzipiert oder es wird über mögliche Lebensentwürfe phantasiert. Und am nächsten Tag geht alles wieder seinen gewohnten Gang. Nicht so bei Petra und Oliver Hartlieb. In Hamburg wohnend waren sie bei Freunden in Wien zu Besuch, das Gespräch kam auf eine alteingesessene Wiener Stadtteilbuchhandlung, die wegen Insolvenz schließen musste. Man spann seine Gedanken weiter, erkundigte sich im Zuge dieser Spinnerei formlos nach dem Status der Buchhandlung und gab als eher halb ernstgemeinte Idee ein Gebot beim Insolvenzverwalter ab. Wenige Wochen später hatten die Hartliebs aus Hamburg eine Wiener Buchhandlung gekauft. Quasi versehentlich. Und Petra Hartlieb schreibt in ihrem Buch »Meine wundervolle Buchhandlung« darüber, wie alles kam. Wie alles wurde. Und wie alles ist. „Buchhändlers Traum“ weiterlesen

Eine Oase der Vergänglichkeit

Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin

In Berlin bin ich gerne, oft und regelmäßig. Auch wenn ich noch nie länger als drei Monate am Stück dort verbracht habe, fühle ich mich in dieser Stadt auf irgendeine Weise zu Hause, seit meinem ersten Besuch, der schon ziemlich lange her ist. Warum das so ist? Ich weiß es nicht, vielleicht eine Art Familienerbe? Meine Oma lebte dort während der gesamten Zwanzigerjahre, und obwohl ich in Süddeutschland geboren und aufgewachsen bin, stammt ein großer Teil meiner Familie aus den preußischen Landen – bevor zwei Weltkriege sie in alle möglichen Ecken Deutschlands verstreut haben. Aber das wollte ich eigentlich gar nicht erzählen, wobei die Beschäftigung mit dem Thema Heimat sicher eine interessante Literaturliste abgeben würde. Aber nicht jetzt. Nicht heute. Diesmal geht es um die Vergänglichkeit. „Eine Oase der Vergänglichkeit“ weiterlesen

Berliner Kulturpanorama

Guenter de Bruyn: Als Poesie gut

Eine pulsierende Literatur- und Kunstszene. Eine junge Avantgarde, die gegen das Establishment aufbegehrt. Literarische Salons. Vordenker. Verquickungen von Kunst und Politik. Affären. Intrigen. Dramen. Wer kann mit wem. Und vor allem: Wer kann mit wem nicht. Dazu eine Stadt im architektonischem Wandel. Das ist Berlin.

Das war Berlin. Um genau zu sein: Das war das kulturelle Leben im Berlin um das Jahr 1800. Günter de Bruyn lässt diese spannende Zeit in seinem Buch »Als Poesie gut« wieder auferstehen. „Berliner Kulturpanorama“ weiterlesen