Ein Buch über das Verschwinden einer Arbeiterklasse, über die Verlogenheit des amerikanischen Traums und über den steinigen Weg zu einem bürgerlichen Leben: J.D. Vance zeigt uns in »Hillbilly-Elegie« eine für uns kaum vorstellbare Welt und beschreibt anschaulich den Zerfall der amerikanischen Gesellschaft. Außerdem ist es ein Buch, das mir eine Türe zu längst vergessen geglaubten Erinnerungen aufgestoßen hat. Aber davon später. „Gesellschaftsstudie“ weiterlesen
Der Künstler und die Macht
Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch war einer der bedeutendsten russischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Wenn man es etwas präziser ausdrücken möchte, dann müsste man sagen, er sei einer der bedeutendsten sowjetischen Komponisten gewesen. Und in diesem feinen Unterschied zwischen russisch und sowjetisch liegt die gesamte Tragik eines Künstlerlebens, das sich in einer totalitären Diktatur bei aller Bedeutsamkeit nicht frei entfalten konnte. Und was dies für einen Menschen wie Schostakowitsch bedeutete, beschreibt Julian Barnes in seinem Roman »Der Lärm der Zeit«. „Der Künstler und die Macht“ weiterlesen
Eisiges Kammerspiel
Das Setting ist minimalistisch in Anne von Canals Roman »Whiteout« und hat etwas von einem Kammerspiel, bei dem niemand den festgesteckten Rahmen verlassen kann: Ein Camp in der Antarktis, bestehend aus ein paar Baracken, die sich um einen Bohrschacht gruppieren. Dort leben auf beengtem Raum Hanna und ihr kleines Polarforscherteam; ihr Auftrag ist die Entnahme von Bohrkernen. Für Teamleiterin Hanna geht damit ein lange gehegter Traum in Erfüllung, sie ist genau dort, wo sie seit ihrer Kindheit und Jugend immer sein wollte. Aber dann kommt alles ganz anders, und eben jener Traum wird für einen seelischen Aufruhr sorgen, der nicht nur den Erfolg der Expedition gefährdet, sondern ihr ganzes Leben ins Wanken bringt. „Eisiges Kammerspiel“ weiterlesen
Ein finsterer Held
Harry Hole ist zurück. Und wie. Denn Jo Nesbø schickt seinen Ermittler in »Durst« wieder auf Mörderjagd. Vor einiger Zeit hatte ich hier schon einmal geschrieben, wie sehr ich der Krimireihe rund um diesen Kommissar der Osloer Kripo verfallen bin und daran hat sich in den letzten Jahren, nach den letzten Fällen nichts geändert. So ist es kein Wunder, dass ich pünktlich zum Erscheinungstermin eine der Buchhandlungen meines Vertrauens besuchte und es auf dem Heimweg kaum erwarten konnte, mich mit den neuesten blutigen Verwicklungen zu beschäftigen. Zwei, drei Abende später klappte ich das Buch zu und war begeistert. Und jetzt versuche ich herauszubekommen, warum eigentlich. „Ein finsterer Held“ weiterlesen
Hommage an B. Traven
Der Roman »Wer ist B. Traven?« von Torsten Seifert ist in zweifacher Hinsicht ein besonderes Buch. Zum einen bringt uns der Roman den Mythos B. Traven auf eine sehr spannende und unterhaltsame Weise näher, schickt uns auf eine Spurensuche und legt dabei eine Menge falscher Fährten. Und zum anderen wegen des Aufklebers, der auf der Schutzfolie klebt und der stolz verkündet »Blogbuster – Preis der Literaturblogger«. Denn »Wer ist B. Traven?« ist der Siegertitel des Blogbuster-Wettbewerbs 2017. Fünfzehn unterschiedliche Blogs wählten aus 252 eingereichten Manuskripten je eines aus, die hochkarätig besetzte Jury kürte daraus den Gewinner, der als Preis einen Buchvertrag bei Klett-Cotta/Tropen erhielt. Und jetzt liegt dieses Buch zur großen Freude aller Beteiligten in den Buchhandlungen.
Aber wer ist nun B. Traven, der große Unbekannte der Literaturgeschichte? „Hommage an B. Traven“ weiterlesen
Düstere Eleganz
Eine trutzige Burg, umgeben von bewaldeten Bergen, kaum sichtbar im nebligen Dunst. Düster. Unheilschwanger. Bedrohlich. Als ich das Buch »Karpathia« von Mathias Menegoz das erste Mal gesehen habe, war mir anhand dieses Umschlagphotos sofort klar, dass ich es unbedingt lesen möchte. 636 Seiten später kann ich diese Vorahnung bestätigen: Der Roman hat mich mit seinem ganz eigenen Stil vollkommen begeistert.
Die Handlung beginnt im November 1833 in einem Wiener Kaffeehaus, wo wir dem Grafen Alexander Korvanyi zum ersten Mal begegnen, jüngster Sproß eines fast ausgestorbenen magyarischen Adelsgeschlechts. Ein Duell und eine Hochzeit später macht sich jener Graf mit seiner frisch angetrauten Ehefrau Cara auf den Weg zu dem Stammsitz seiner Familie, einer alten Burg irgendwo am Rande der Karpaten, mitten in Transsilvanien. „Düstere Eleganz“ weiterlesen
Leseprojekt Tragödie eines Volkes
Seit etlichen Jahren steht das Buch »Die Tragödie eines Volkes« des Historikers Orlando Figes ungelesen im heimischen Regal. Es beschreibt die russischen Schicksalsjahre zwischen 1891 und 1924. Im Oktober 2017 jährte sich die russische Revolution zum hundertsten Mal – also ein perfekter Anlass, um sich endlich einmal diesem Meilenstein der Geschichtsschreibung zu widmen. Dabei fiel mir auf, dass Figes‘ Werk nicht das einzige Buch in meinem Bücherschrank ist, dass sich mit dem Thema russischer Geschichte im 20. Jahrhundert beschäftigt. Bei weitem nicht. Vielmehr hat sich hier ein ganzer Stapel an Literatur angesammelt, der die verschiedendsten Facetten dieser hundert russischen Jahre ausleuchtet.
Aus diesem Grund wird es nun ein weiteres Leseprojekt auf Kaffeehaussitzer geben. Meine Leseprojekte sind thematisch zusammengestellte Titellisten, die oft während der Leküre weiter anwachsen. Sie dienen der Orientierung, das Ende ist vollkommen offen. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um Sachbücher oder Romane handelt; vor allem geht es dabei um die inhaltliche Klammer, mit der die zusammengestellten Bücher in einen Kontext gestellt werden, um sich intensiver mit einem bestimmten Thema auseinanderzusetzen. „Leseprojekt Tragödie eines Volkes“ weiterlesen
Ein Blues-Song als Botschaft
Der Roman »White Tears« von Hari Kunzru ist für mich eines der bemerkenswertesten, spannendsten und vielschichtigsten Bücher des Jahres. Im September hatte ich außerdem das große Vergnügen, den charismatischen Autor im Kölner Literaturhaus live zu erleben. Es war ein gelungener Abend und seine Erläuterungen haben noch einmal die zentralen Aussagen der Erzählung unterstrichen.
Worum geht es? Auf den ersten Blick um die Geschichte der beiden Freunde Seth und Carter, die in New York ein Tonstudio betreiben. Auf den zweiten Blick aber um viel, viel mehr. Aber der Reihe nach. „Ein Blues-Song als Botschaft“ weiterlesen
Provokation als Geschäftsmodell
Auf der Frankfurter Buchmesse 2017 haben drei Kleinverlage, die rechtslastige und rechtsradikale Schriften publizieren, die gesamte Medienlandschaft genutzt, um mit mindestmöglichem Aufwand größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Und man muss sagen, sie waren und sind damit sehr erfolgreich. Leider.
Es ist eine Zwickmühle: Auf der einen Seite ist es richtig, sich darüber zu empören, dass auf der Buchmesse die geistigen Brandstifter der rechten Szene in Deutschland auftreten. Auf der anderen Seite steigert jeder Aufreger ihren Bekanntheitsgrad weiter. „Provokation als Geschäftsmodell“ weiterlesen
Buchblog-Award, Buchmesse und Adrenalinrausch
So. Jetzt muss ich das endlich mal aufschreiben, damit ich es schwarz auf weiß lesen kann: Auf der Frankfurter Buchmesse 2017 wurde der Kaffeehaussitzer mit dem Hauptpreis des 1. Buchblog-Awards ausgezeichnet.
Ich bin immer noch überwältigt. Da fängt man aus einer Laune heraus an, einen Literaturblog zu betreiben, erschafft sich mit Hilfe der sechsundzwanzig Buchstaben des Alphabets ein virtuelles Zuhause – und steht viereinhalb Jahre später auf einer Tribüne vor hunderten von applaudierenden Menschen, um einen Preis für den besten deutschsprachigen Buchblog entgegenzunehmen. Ich habe den Rest des Tages im Adrenalinrausch verbracht, bin spätabends zurück nach Köln gefahren und war am nächsten Morgen schon wieder wach, als es noch dunkel war. Den Tag habe ich mit einem langen Spaziergang am Rhein verbracht, bin später durch verschiedene Buchhandlungen gebummelt und anschließend in einem meiner Kölner Lieblingscafés gelandet. Klar, wo sonst? „Buchblog-Award, Buchmesse und Adrenalinrausch“ weiterlesen










