Provokation als Geschäftsmodell

Buchblogger gegen Rechts

Auf der Frankfurter Buchmesse 2017 haben drei Kleinverlage, die rechtslastige und rechtsradikale Schriften publizieren, die gesamte Medienlandschaft genutzt, um mit mindestmöglichem Aufwand größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Und man muss sagen, sie waren und sind damit sehr erfolgreich. Leider.

Es ist eine Zwickmühle: Auf der einen Seite ist es richtig, sich darüber zu empören, dass auf der Buchmesse die geistigen Brandstifter der rechten Szene in Deutschland auftreten. Auf der anderen Seite steigert jeder Aufreger ihren Bekanntheitsgrad weiter.

Viel wurde darüber berichtet in der letzten Zeit und eigentlich jedes Argument schon mehrmals hin und her gewendet. Ein Lösung, wie mit kalkulierten Provokationen in Zukunft umgegangen werden soll, zeichnet sich momentan noch nicht ab. Denn auf der einen Seite ist die Meinungsfreiheit in unserem Land eines der höchsten Güter, und eine Meinungsfreiheit gilt auch für Ansichten, die wir und der Großteil der Menschen hier unappetitlich oder widerlich finden. Oder wie Holger Ehling in der Kolumne der Zeitschrift BuchMarkt schrieb: »Die Freiheit des Wortes wird nur durch die Strafgesetzgebung eingeschränkt.« Auf der anderen Seite ist die Frage, ob man den rechten Hetzern tatsächlich solch eine prominente Bühne zugestehen muss. Die aber erst dann prominent wird, wenn deren Stände verwüstet oder deren Redner niedergebrüllt werden. Denn dann können sie sich in ihrer Opferrolle suhlen und auf eben jene Meinungsfreiheit pochen. Eine Freiheit, die sie in umgekehrten Falle ihren politischen Gegnern wohl eher nicht zugestehen würden, wie die Geschichte zeigt.

Die Frage »Was tun« ist damit nicht beantwortet. An dieser Stelle möchte ich auf zwei Beiträge hinweisen, die mir als die tauglichsten in der gesamten, gerade in den sozialen Medien schon an Hysterie grenzenden Aufregung erscheinen. Zum einen ist dies das Interview mit Klett-Cotta-Verleger Tom Kraushaar in der Literarischen Welt. Und zum anderen das YouTube-Statement des Poetry-Slammers und Stand-Up-Künstlers Moritz Neumeier. Beide bringen es wunderbar auf den Punkt: Lasst die Rechten doch ihre Stände aufbauen, lasst ihre Autoren auftreten. Aber lasst sie unter sich bleiben, packt die Verlagsauftritte irgendwo hin, wo sie in ihrem eigenen Saft schmoren können. Brüllt sie nicht nieder, sondern lacht sie aus. Denn ganz ehrlich: Wieso soll man eigentlich einen ehemaligen Katzenkrimi-Autor, der jetzt aberwitzige Verschwörungstheorien von sich gibt, ernst nehmen?

Das ist natürlich einfacher gesagt als getan, aber auch wenn es schwerfällt: Bezieht Stellung, aber lasst euch nicht provozieren. Denn den Gegner ins Leere laufen zu lassen, ist eine der ältesten und wirksamsten Taktiken der Welt – mal davon abgesehen, dass es die drei Verlage, die ich hier nicht namentlich nennen werde, nicht erst seit gestern gibt. Und auch davon abgesehen, dass es auf der Buchmesse schon immer auch moralisch und gesellschaftlich grenzwertige Inhalte irgendwelcher dubioser Kleinverlage zu sehen gab. Und hat es je einer an die große Glocke gehängt? Hat es jemals jemanden ernsthaft interessiert?

Erst wenn sich die Provokation als Geschäftsmodell etabliert und die damit Angesprochenen sich provozieren lassen, dann haben wir ein echtes Problem – wie man dieses Jahr gesehen  hat. Besonders vor dem allgemeingesellschaftlichen Hintergrund, der den rechten Populismus wieder salonfähig gemacht hat.

Zwar glaube ich, dass unsere Demokratie auch ein paar rechte Verwirrte aushalten kann, auch wenn einem deren höhnischer Medientriumph Sorge bereiten mag. Aber gleichzeitig muss man ihnen auch deutlich zu verstehen geben, was man von ihnen und ihren Ansichten hält:

Nichts.

Und genau deshalb beteilige ich mich an der vom Blog novelero iniitierten Aktion Buchblogger gegen Rechts – Auf der Buchmesse und überall.

Buchblogger gegen Rechts
Logo: © novelero

Das Logo gibt es hier.

26 Antworten auf „Provokation als Geschäftsmodell“

  1. Die Thematik ist, wie dieses Jahr gezeigt hat, nur noch brennender. Ich habe das Logo ebenso bei mir eingefügt. Präsenz und Solidarität zu zeigen ist offensichtlich wichtiger denn je.
    Danke für die Initiative und Information, lieber Uwe.

  2. Man sollte auch die Stimme des alten Verlegers Ernst Piper zu den Vorgängen auf der Buchmesse hören:

    https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article169679024/Meinungsfreiheit-gilt-auch-fuer-unsympathische-Meinungen.html

    Für meinen Geschmack ist das Symbol der Faust zu deutlich eine Bezugnahme auf eine linksradikale Symbolik, die selbst wiederum verfassungsfeindlich ist. Und ja, die Faust symbolisiert auch eine zu große Nähe zur Legitimation von Gewalt und Selbstjustiz im Sinne der selbsternannten „Antifa“. Jedes zerstörte Auto eines AfDlers, jede beschmierte Hauswand, jede niedergebrüllte Kundgebung der AfD, jedes zerstörte Wahlplakat verschafft dieser Partei nur noch mehr Sympathien, denn es erweckt den Anschein, sie wären die Opfer und die wahrhaft „Guten“.

    Außerdem gibt es auch noch andere Verfassungsfeinde, die durch die Heraushebung der Rechtsradikalen (will man sie wirklich herausheben?), in den Schatten gestellt werden (will man Verfassungsfeinde egal welcher Couleur in den Schatten stellen?).

    Schließlich die Phrase „gegen Rechts“. Für mich ist das eine Verharmlosung. Das sind nicht irgendwelche „Rechten“ (irgendwo zwischen Mitte und Rechtsaußen), sondern es sind natürlich Rechtsradikale! Und das sollte man dann auch so sagen, meine ich.

    1. Die Aktion „Buchblogger gegen Rechts“ ist vor allem ein Statement dagegen, dass rechtsradikale Meinungen wieder salonfähig werden. Die Symbolik der Faust sehe ich dabei anders: Für mich ist die Faust ein allgemeines Zeichen des Widerstands. Wenn ich sie als linksradikal interpretieren würde, dann hätte ich das Logo ganz sicher nicht hier abgebildet, denn wie Ernst Jandl schon sagte:

      „manche meinen
      lechts und rinks
      kann man nicht velwechsern
      werch ein llltum“

      Und gerade im Antisemitismuss treffen sich rechtsradikale, linksradikale und salafistische Wirrköpfe in einer gemeinsamen Schnittmenge.

  3. Wie immer finde ich Ihre Beiträge sehr gut detailliert und messerscharf geschrieben. Aus genau dem Grund, den Sie oben erwähnen, dass es nämlich am besten gar nicht so starke Aufmerksamkeit auf diese Szene geben sollte, finde ich das Logo unpassend. Es drückt genau das aus: Rechts, Hass usw. Unser Unterbewusstsein speichert hier was ganz anderes ab… Es hat mich veranlasst endlich über meine Position zu schreiben, danke dafür. https://www.meine-schreibbar.de/2017/10/21/blogger-gegen-rechts-warum-ich-mich-schwer-damit-tue-und-lieber-f%C3%BCr-geschichtsbewusstsein-wahrhaftigkeit-und-demokratie-bin/

  4. Ein wirklich starkes Statement. Ich stimme dir da voll und ganz zu. Es fällt oft nicht leicht, aber ignorieren und belächeln ist manchmal die beste Taktik, um solchen Leuten die Stirn zu bieten.

    1. Genau so sehe ich das auch und deswegen ist für mich das Logo unpassend. Es braucht kein Logo, um für Werte einzustehen. Das Logo wird keinen Rechtsgerichteten in irgendeiner Weise beeindrucken und bei allen Anderen bewirkt es sicher nicht, dass man dadurch gerechter, friedlicher oder demokratischer wird.

      1. Naja, was heißt brauchen. Das Logo an sich steht ja auch nicht für meine Werte ein. Ab und zu ist es aber ganz hilfreich, ein solches Logo oder ähnliches zu haben, um anderen gleich zu zeigen, wo sie dran sind. Um gleich klar zu machen, mir braucht ihr mit eurem rechten Scheiß gar nicht kommen, da stoßt ihr auf Granit und Widerstand.
        Aber ich stimme natürlich zu, das so ein Logo allein nicht reicht. Man muss schon hinter dem stehen, was das Logo tut und sich entsprechend verhalten und einsetzen. Ansonsten nützt es alles nichts.
        Aber ich zum Beispiel hielte es doch für ein wesentlich stärkeres Statement, wenn beim Besuch der Buchmesse entsprechendes Logo als Buttons oder ähnliches getragen worden wären, statt die Buchmesse an sich zu boykottieren und nicht hinzugehen. Denn die Veranstaltungen meiden, in die sich die Rechten reindrängen hat bloß zur Folge, dass man ihnen den Raum gibt. An der Veranstaltung teilnehmen und sich von den Rechten provozieren lassen, gibt ihnen bloß Bestätigung.
        Mit einem solchen Button dort auftauchen und sie belächeln und ignorieren, lässt sie ins Nichts laufen und hat meines Erachtens somit die beste Wirkung.

  5. Da werden sich die üblichen Verdächtigen sicherlich auch anschließen. Es ist schon richtig, man sollte das Ganze nicht noch aufblasen – und das mit den Ständen, die da ausgeräumt wurden … nun gut, das lässt sich wohl kaum klären. Abwegig ist deine Idee sicher nicht. Wichtig ist und bleibt: dagegen halten und zwar durch eine bunte, vielfältige Geisteshaltung. Im Blog, im Alltag, immer. DANKE. LG, Bri

  6. Sehr schön auf den Punkt gebracht. Übrigens, deine „irrsinnige Verschwörungstheorie“ geisterte mir auch als erstes durch den Kopf, als ich von den „Angriffen“ auf die Stände der Rechtsaußenfraktion gehört habe.

  7. Danke!
    Durch Philly bin ich auf deinen Beitrag aufmerksam geworden und du sprichst es klar aus: Meinungsfreiheit ist wichtig!
    Verbieten wir ihre Worte, begeben wir uns fast auf ihre Schiene, weil wir unterdrücken und hetzen (böse ausgedrückt).

  8. Mein Gedankenwirrwarr der letzten Tage und all die inneren Konflikte hier in deinem Beitrag fein und klug sortiert aufgedröselt, danke dafür. Schließe mich auch an, keine unnötige Aufmerksamkeit, aber eine klare Abgrenzung. Darf ich mir das Logo direkt hier mitnehmen?

    Liebe Grüße, Katja

    1. Brauchst Du das Logo? Es ist von Sandro Abbate vom Blog novelero. Er stellt es Dir gerne zur Verfügung. Oder Du schreibst mir eine Mail, dann schicke ich es Dir in voller Größe.

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