Die Liste der Neun. Ein Ausblick

Neue Buchvorstellungen auf Kaffeehaussitzer: Viel Zeitgeschichte und neun Bücher, die mich beeindruckt haben.

In den letzten Wochen war es etwas ruhig auf Kaffeehaussitzer. Zwischen Weihnachten, Jahreswechsel, beruflichen und privaten Verpflichtungen gab es keine richtige Muße, um einen Blogbeitrag zu schreiben. Was aber nicht heißen soll, dass die Zeit auch zum Lesen nicht gereicht hat, ganz im Gegenteil. Mittlerweile warten neun Bücher darauf, hier vorgestellt zu werden und als kleinen Zwischenbericht möchte ich einen Ausblick geben, was in nächster Zeit auf Kaffeehaussitzer geplant ist. Das hilft mir auch dabei, eine Gliederung zu schaffen, um mich nicht zu verzetteln.

Es ist nicht so, dass ich jedes Buch bespreche, das ich gelesen habe. Manche hinterlassen zu wenig Eindruck, als das es sich lohnen würde, sich näher damit zu beschäftigen. Allerdings hatte ich Glück bei der Auswahl der letzten Lektüren und so sind neun ganz und gar unterschiedliche Bücher zusammengekommen, um die es hier in den nächsten Beiträgen gehen wird. „Die Liste der Neun. Ein Ausblick“ weiterlesen

Weg.Gegangen

Olivier Adam: An den Rändern der Welt

Das Buch »An den Rändern der Welt« von Olivier Adam habe ich vor über fünf Monaten gelesen und es hat mich seit Jahren kein Roman so berührt und getroffen wie dieser. Seither überlege ich, wie ich diese Begeisterung in Worte fassen kann. Es fällt mir diesmal nicht leicht und auch jetzt sitze ich schon seit geraumer Zeit vor dem Bildschirm und versuche es wieder einmal aufs Neue. Denn es geht um nichts weniger als alles, was mich in den letzten Jahrzehnten meines Lebens bewegt hat. Und bis heute bewegt. „Weg.Gegangen“ weiterlesen

Mit dem Tod am Tresen

Thees Uhlmann: Sophia, der Tod und ich

Frankfurter Buchmesse 2015: Ich war gerade bei Kiepenheuer & Witsch in ein Gespräch vertieft, als ein Typ durch den Messestand gerauscht kam. Er war Anfang vierzig und schaffte es, gleichzeitig aufgedreht, müde, gut gelaunt und cool zu wirken. In alle Richtungen grüßend sagte er mehrmals »Guten Morgen, Verlag«, »Guten Morgen, Verlag« und verschwand durch eine Tür ins Messe-Kabuff, um nach einer Tasse Kaffee Ausschau zu halten. Alle lächelten. Das war Thees Uhlmann, Sänger der Hamburger Band »Tomte«. Auf der Buchmesse war er nicht als Musiker, sondern als Autor zu Gast, denn gerade war sein erster Roman »Sophia, der Tod und ich« erschienen. „Mit dem Tod am Tresen“ weiterlesen

Sieben Kilogramm Ästhetik

Deutschland um 1900 - Ein Portraet in Farbe

Ein Markenzeichen des Taschen Verlags sind die hochwertigen, voluminösen Prachtbände zu völlig unterschiedlichen Themen. Mit dem Band »Deutschland um 1900 – Ein Porträt in Farbe« ist ein weiteres Exemplar erschienen, eine fast sieben Kilogramm schwere Photo-Zeitreise in eine längst vergangene Welt. Das Besondere daran verrät der Titel: Wir sehen diese Welt in Farbe. Und können so noch besser als sonst ermessen, welche Stadtbilder wir im Laufe eines Jahrhunderts verloren haben; es ist eine verschwundene Ästhetik, ein Buch wie ein Spiegel, der unserer – von der Tristesse moderner Stadtplanung geprägten Zeit – entgegengehalten wird. „Sieben Kilogramm Ästhetik“ weiterlesen

Miniaturen der Hoffnungslosigkeit

Sven Heuchert: Asche

»Wir sitzen auf den Treppen an der Bahnstation, und Enge ist spürbar, Enge und Wut, direkt unter der Oberfläche. Ich kenne dieses Gefühl, ich kenne es sehr gut, und das Unerträgliche daran ist – die Wut findet hier immer Nahrung, einfach überall, die Wut ist wie eine zähe und gefräßige Ratte, sie überlebt immer. Die Maloche, die Fabrik, die Kollegen, die Familie, tagein, tagaus … zuerst nur ein Nagen, dann ein beständiger Schmerz, der sich seinen Weg suchen wird.« Das hier ist eine kurze Passage aus einer der Kurzgeschichten Sven Heucherts, versammelt im Erzählband »Asche«. Es ist für mich eine Art Schlüsselstelle, denn bei aller Unterschiedlichkeit haben die Geschichten eines gemein: Sie handeln von der Wut, vom Ausbruch, vom Scheitern. „Miniaturen der Hoffnungslosigkeit“ weiterlesen

Erdöl-Sozialismus

Harald Martenstein und Tom Peuckert: Schwarzes Gold aus Warnemuende

Jeder, der die Ereignisse des 9. November 1989 erlebt hat, erinnert sich an die Rede des SED-Funktionärs Günter Schabowski, in der er für alle Anwesenden vollkommen überraschend die Öffnung der DDR-Grenzen ankündigte. »Das trifft nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich« – dieses Satzfragment brachte ein bereits angeschlagenes Staatsystem vollständig zum Einsturz. Doch was wäre gewesen, wenn Schabowski nicht die Reisefreiheit verkündet hätte, sondern etwas ganz anderes, etwas weitaus Spektakuläreres? Etwa, dass vor der Ostseeküste immense Erdölvorkommen entdeckt worden wären, so groß, dass sie selbst die Vorräte der arabischen Halbinsel überträfen? Und dass die DDR beabsichtige, jetzt in den illustren Kreis der erdölproduzierenden Länder einzutreten und umgehend mit der Föderdung begonnen werden soll. »Das trifft nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich«. Plötzlich ist die DDR das reichste Land der Welt und alles, wirklich alles wäre ganz anders verlaufen. Um dieses Szenario geht es in dem Roman »Schwarzes Gold aus Warnemünde« des Autorenduos Harald Martenstein und Tom Peuckert. „Erdöl-Sozialismus“ weiterlesen

Vom Verlag zur Marke

Carl Heymanns Verlag

Anfang November 2015 war ich zu einem Verlagsempfang im Kölner Gürzenich eingeladen. Der Gürzenich ist der zentrale Festsaal der Stadt – und zu feiern gab es etwas Besonderes: Der Carl Heymanns Verlag – einer der renommierten juristischen Fachverlage in Deutschland – wurde 200 Jahre alt. Veranstalter war der Medienkonzern Wolters Kluwer Deutschland, zu dem der Verlag gehört und es wurden alle Register gezogen. Verlegerprominenz der juristischen Verlagsszene, viele Autoren des Verlages, hochkarätige Gäste aus Justiz, Wissenschaft und Wirtschaft, alle waren da. Ein Höhepunkt der Veranstaltung war die Festrede des früheren Verfassungsrichters Udo di Fabio, in der es ihm gelang, in einer halben Stunde einen brillanten Überblick über die rechtsgeschichtlichen und rechtsphilosophischen Entwicklungen vom Wiener Kongress bis in unsere Zeit zu geben. Inklusive dringender politischer Handlungsempfehlungen. Es war ein absolut gelungener Abend, perfekt organisiert bis in die kleinsten Details. Ein wenig vermisst habe ich eigentlich nur einen: Den Jubilar. „Vom Verlag zur Marke“ weiterlesen

Noch Fragen?

Photo: © Vera Prinz

Der Literaturkritiker, Journalist, Schriftsteller und unermüdliche Listenersteller Stefan Mesch hat auf seinem Blog »Blogfragen für Buchblogger – Fragen zum Mitnehmen« bereitgestellt. Er möchte dadurch mehr über die Menschen hinter den von ihm besuchten Literaturblogs erfahren. Da auch der Kaffeehaussitzer regelmäßig auf seinen Empfehlungslisten auftaucht, habe ich mich jetzt an die Beantwortung der Fragen gemacht, von denen manche kniffliger sind, als sie auf den ersten Blick aussehen. Und das ist dabei herausgekommen. „Noch Fragen?“ weiterlesen

Israels Schattenwelt

Liad Shoham: Stadt der Verlorenen und Ayelet Gundar-Goshen: Löwen wecken

Wir sind Zeugen eines Weltwandels, den wir in den letzten Jahren in der Rolle des Zuschauers miterlebten. So, als würde uns das alles nicht betreffen, als würden wir im ruhigen Auge eines Wirbelsturms leben. Das war ein Irrtum. Die Bilder von Flüchtlingen sahen wir schon seit Jahrzehnten, sie waren stets irgendwo ganz weit weg, auf anderen Kontinenten, fern unserer Wohlstandsgesellschaft. Und jetzt sind sie hier, mitten unter uns, vor unseren Toren, hunderttausende sind angekommen, hunderttausende sind unterwegs, ein Ende ist nicht abzusehen.

Andere Länder sind schon längst mit dieser Entwicklung konfrontiert, wie etwa Israel. Hier hat sich in den letzten Jahren eine regelrechte Schattenwelt etabliert; Flüchtlinge ohne Papiere leben im Elend, ignoriert von den einen, ausgebeutet von den anderen. Zwei Bücher beschäftigen sich intensiv damit und öffnen dem Leser eine Türe in eine düstere Gesellschaft, wie sie in Zukunft auch bei uns existieren könnte, wenn die falschen politischen Weichen gestellt werden. Es sind die Romane »Stadt der Verlorenen« von Liad Shoham und »Löwen wecken« von Ayelet Gundar-Goshen. „Israels Schattenwelt“ weiterlesen

Gespenster der Vergangenheit

Antonin Varenne: Die sieben Leben des Arthur Bowman

Zwischen 1852 und 1864 spielt Antonin Varennes Roman »Die sieben Leben des Arthur Bowman«. Das Schicksal führt den Helden der Geschichte – eben jenen Arthur Bowman – einmal um den halben Globus, von den triefenden Sumpfwäldern an der Küste Birmas über die Straßen Londons bis zu den Weiten des amerikanischen Westens. Auf eine irrwitzige Jagd nach einem Mörder und auf eine Reise zu sich selbst. „Gespenster der Vergangenheit“ weiterlesen