Vor Kurzem war es wieder einmal soweit: Ich habe mein Bücherregal durchforstet, um wieder Platz zu schaffen. Neben den zahlreichen ungelesenen Büchern befinden sich nun darin nur solche, die mir so gut gefallen haben, dass ich mir vorstellen könnte, sie eines Tages noch einmal zu lesen. Oder solche, mit denen Erinnerungen verknüpft sind, Bücher, die meine Begleiter und Freunde in einer wichtigen Phase meines Lebens waren. Zu Letztgenannten gehört auch Max Frisch, »Tagebuch 1946 – 1949«. Als es mir jetzt wieder in die Hände fiel, las ich die Stellen noch einmal, die ich bei der Lektüre markiert hatte und war plötzlich wieder im Freiburg des Jahres 1991. „Geld? Spielt eine Rolle“ weiterlesen
Ein Textbaustein* des Herrn B.
»Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: ›Sie haben sich gar nicht verändert.‹ ›Oh!‹ sagte Herr K. und erbleichte.«
Dieser kurze Text begleitet mich nun schon ein halbes Leben und ich weiß leider nicht mehr, wo und wann ich ihn das erste Mal gelesen habe. Eigentlich bin ich mit dem Werk von Bertolt Brecht nie ganz warm geworden, es war mir immer zu zäh, die sozialrevolutionären Aussagen passten nicht richtig zu jemanden, der im täglichen Leben wohl eher wenig mit einfachen Arbeitern zu tun hatte. Das Theodor W. Adorno zugeschriebene Zitat bringt dies schön auf den Punkt: »Mit einer silbernen Pinzette hat sich Bertolt Brecht Dreck unter die Fingernägel geschoben, um glaubhaft klassenbewußt proletarisch zu wirken.« Wobei die Beschäftigung mit der Person Brechts sehr faszinierend ist, ein Mann, der mit seinen Stücken dramaturgische Maßstäbe setzte und nach einem Leben voller Anfeindungen und Verfolgung zum Schluss nirgends mehr richtig zu Hause war. „Ein Textbaustein* des Herrn B.“ weiterlesen
Ein Textbaustein* aus Mittelerde
»Der Herr der Ringe« von J.R.R. Tolkien erzählt die alte Geschichte vom Kampf Gut gegen Böse und gehört schon seit vielen Jahren zu meinem persönlichen literarischen Kanon. Eine sprachlich herausragende Erzählung und so unglaublich vielschichtig, dass man bei jedem wiederholten Lesen immer wieder neue Details entdeckt oder sogar das Gefühl hat, ein gänzlich anderes Buch in der Hand zu halten als beim letzten Mal. Eine Abenteuergeschichte. Ein Roadmovie. Ein Märchen. Ein Gleichnis. Eine Sage, mystisch. Freundschaft, Kampf, Liebe, Zweifel, Überlebenswille. Alles dabei. Und geschrieben wurde es viele, viele Jahre bevor man den Gattungsbegriff Fantasy erfunden hat, in den das Buch heute gerne hineinkatalogisiert wird. „Ein Textbaustein* aus Mittelerde“ weiterlesen
Die Tramper-Zeit. Ein Textbaustein*
Früher bin ich viel getrampt, allein oder mit Freunden und auf diese Weise durch halb Europa gekommen. Schon damals, Anfang bis Mitte der Neunziger war das eine etwas aus der Mode gekommene Fortbewegungsmethode, heute sieht man sie fast gar nicht mehr, die rucksacktragenden Gestalten am Wegesrand, die den Autofahrern Daumen oder Schilder mit Ortsnamen entgegenrecken.
Meistens bin ich gut vorangekommen. „Die Tramper-Zeit. Ein Textbaustein*“ weiterlesen
In die Falle gegangen? Ein Textbaustein*, mitwachsend
»›Ach‹, sagte die Maus, ›die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.‹ – ›Du musst nur die Laufrichtung ändern‹, sagte die Katze und fraß sie.«
Schon wieder Kafka. Das ist kein Wunder, begleiten mich seine Texte schon seit vielen Jahren, die Kafka-extrem-Woche in Prag war dabei eine meiner intensivsten Leseerfahrungen. Und dieser Text hier, die »Kleine Fabel«, ist diejenige seiner Erzählungen, an die ich am häufigsten denken muss. „In die Falle gegangen? Ein Textbaustein*, mitwachsend“ weiterlesen
Zeitlos schön: Ein Textbaustein* des Dorian Gray
Manchmal erkennt man die Schönheit einer Textstelle in einem Buch nicht gleich auf den ersten Blick. Vielleicht hat man zu schnell gelesen, vielleicht ist sie im Zusammenhang der Handlung nicht sofort aufgefallen und man bemerkt ihre Eleganz erst, wenn sie alleine steht. So ging es mir mit einem kurzen Abschnitt aus »Das Bildnis des Dorian Gray« von Oscar Wilde. Klar, das Buch kannte ich, fand es ganz gut und das war es dann. Dachte ich. „Zeitlos schön: Ein Textbaustein* des Dorian Gray“ weiterlesen
Venezianischer Textbaustein*
Das hier ist meine Lieblingsstelle in dem wunderbaren, großartigen Buch »Der Liebhaber ohne festen Wohnsitz« des italienischen Autorenduos Fruttero & Lucentini. In dem Roman geht es um das Thema Unsterblichkeit, so wie in dem schon vorgestellten »Alle Menschen sind sterblich«. Auch hier steht ein auf ewig Reisender im Mittelpunkt der Geschichte, die in Venedig spielt. Die zitierte Stelle lese ich mir manchmal laut vor – einfach weil mir die Sprache so gut gefällt. Und bekomme jedes Mal eine Gänsehaut. „Venezianischer Textbaustein*“ weiterlesen
Positiv denken mit Franz Kafka*
Es gibt Momente im Leben, die sind von solch unglaublich kristallener Klarheit, als wäre gerade ein Vorhang weggezogen worden, der die Gedanken blockiert hatte. Solche Schlüsselmomente sind selten, daher bleiben sie meist sehr lange in Erinnerung. Als ich im Frühjahr 1991 lesend im Kaffeehaus saß, habe ich einen solchen erlebt. „Positiv denken mit Franz Kafka*“ weiterlesen