God Bless America

Jussi Adler-Olsen: Das Washington-Dekret

Ich liebe überquellende Bücherregale und die Stapel davor. Sehr sogar. Trotzdem ist irgendwann eine Kapazitätsgrenze erreicht. Daher habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, ein gelesenes Buch nur dann zu behalten, wenn ich mir vorstellen könnte, es ein weiteres Mal zu lesen. Irgendwann. Ansonsten verschenke ich es oder stelle es in einen öffentlichen Bücherschrank. Daher war ich etwas überrascht, als ich kürzlich ganz unten in einem Stapel den Thriller »Das Washington Dekret« von Jussi Adler-Olsen entdeckt habe. Es ist ein Buch, das ich vor etwa zehn Jahren gelesen habe, als mir wieder einmal der Sinn nach Spannungsliteratur stand. Sprachlich ohne jegliche Finesse mit ein paar überraschenden Wendungen, aber nicht wenigen Logiklücken hätte es nach meiner Aussortier-Gewohnheit gar nicht mehr da sein sollen. Eigentlich. 

Ich weiß noch, dass mich die Grundidee des Romans damals fasziniert hat. Ein neuer US-Präsident, Bruce Jansen, übernimmt nach einem überragenden Gewinn der Wahl die Regierung der Vereinigten Staaten. Durch Gewalterfahrungen und Schicksalsschläge hoch traumatisiert möchte er das Land sicherer machen. Und beginnt einen Law-and-Order-Feldzug, der die USA in einen autoritären Unrechtsstaat verwandeln und sie an den Rand eines Bürgerkriegs bringen wird. Seine Ziele klingen dabei auf den ersten Blick nachvollziehbar: Abschaffung der Arbeitslosigkeit, rücksichtslose Bekämpfung der Drogenkriminalität, entschlossenes Vorgehen gegen Korruption und Schwarzarbeit, hundertprozentige Kontrolle der Einwanderung, Entwaffnung der Zivilbevölkerung. „God Bless America“ weiterlesen

Das Schreiben und der Zorn

Mareike Fallwickl: Das Licht ist hier viel heller

Während momentan darüber diskutiert wird, ob und wie die Frankfurter Buchmesse 2020 in Zeiten von Corona stattfinden kann, denke ich an die Messe im letzten Herbst. Genauer gesagt, an ein Gespräch mit der Autorin Mareike Fallwickl, denn mit jenem Gespräch im Hinterkopf habe ich kürzlich ihr Buch »Das Licht ist hier viel heller« ein zweites Mal gelesen. Und wenn man weiß, dass der Plot ursprünglich anders geplant war, das Schreiben aber von der Realität überholt wurde, dann entfaltet das Buch eine andere Wirkung. Intensiver. Und wütender. „Das Schreiben und der Zorn“ weiterlesen

Zehn Sekunden mit Paul Auster

Paul Auster: 4321

Nach 1259 Seiten war das Buch zu Ende. Zugeklappt lag es vor mir und ich verabschiedete mich schweren Herzens von Archie Ferguson. Es fiel mir schwer, wir hatten einige Wochen miteinander verbracht, waren Vertraute, Freunde geworden. Aber jetzt musste ich ihn ziehen lassen, ihn, den vierfachen Helden aus Paul Austers »4 3 2 1«. Was für ein Roman! Und jetzt überlege ich seit ein paar Tagen, wie ich darüber schreiben soll. Wie sich einem Werk nähern, das bereits seit Wochen in Blogs und im Feuilleton besprochen und hochgelobt wird. Einer der ersten, der über »4 3 2 1« berichtet hat, war Jochen Kienbaum auf lustauflesen.de und er gelangte zum Fazit: »Das schreibe ich selten bis nie: 4321  ist ein Meisterwerk!« Und dem schließe ich mich von ganzem Herzen an.

Ein Meisterwerk also. Aber warum? Was macht dieses Buch so besonders, so anders? „Zehn Sekunden mit Paul Auster“ weiterlesen