»Arnold schiebt die Tür hinter den Männern zu und begreift in dem Augenblick, dass aus seinem Leben, das manchmal glücklich und meistens normal war, soeben ein unbeschreibliches, sinnloses Nichts geworden ist.« Ein harter Satz, der unter die Haut geht. Er stammt aus dem Buch »Krieg« von Jochen Rausch, das mir letzte Woche zufällig in die Hände gefallen ist.
Ich war dabei in einer Situation, die jeder Leser kennt: Man steht vor einer Entscheidung, was als nächstes gelesen werden soll und der Blick fällt auf den großen Stapel ungelesener Bücher. Aber genau in diesem Moment passt keines davon. Nicht zur Stimmung, nicht zum Tag. Also spaziert man in die nächste Buchhandlung und kauft sich eben noch ein Buch. Gerne einen Autor, den man noch nicht kennt, oder eines mit einem ansprechenden Buchcover. Eine Überraschung eben. Man kann damit Pech haben oder das große Glück einer unerwarteten Neuentdeckung. So ist es mir mit diesem Buch geschehen. Martialischer Titel, ein neugierig machendes Titelbild. Und ein großartiger Roman.
Arnold Steins ist die Hauptfigur der Geschichte. Nach zwei furchtbaren Schicksalsschlägen hat er sich in eine Berghütte in den Alpen zurückgezogen. Er lebt dort alleine, nur mit seinem Hund. Die Tage vergehen mit Spaziergängen und Radio hören. Ab und zu fährt er ins Dorf, um Lebensmittel einzukaufen, geht aber allen Kontakten aus dem Weg. Er sucht das Vergessen und seinen inneren Frieden. Von diesem ist er jedoch weit entfernt, denn von einem Tag auf den anderen wird seine Abgeschiedenheit bedroht: Die Hütte, aufgebrochen und durchwühlt. Der Hund, von einem Bolzen angeschossen und schwer verletzt. Sein Radio, der einzige Kontakt zur Außenwelt, mit einer Axt zerstört. Und das ist erst der Anfang, die hinterhältigen Attacken hören nicht mehr auf. Er versteht nicht, was passiert. Aber Steins wird seine Abgeschiedenheit verteidigen. Mit allen Mitteln. So bewaffnet er sich und geht zum Gegenangriff über. Schließlich eskaliert die Situation und es kommt zum finalen Duell.
Dazwischen erfährt der Leser in Rückblenden, welche Tragödie Steins in seinem früheren Leben so aus der Bahn geworfen hat. Wie sich ein familiäres Vorstadtidyll in eine Welt voller Trostlosigkeit und Verzweiflung verwandelt hat. Wie das Leben im Neubaugebiet für Steins zunehmend erdrückender in seiner Belanglosigkeit wurde. Und wie das Gefühl einer ständigen Angst die Persönlichkeit eines Menschen radikal verändern konnte. Das Thema Angst spielte eine große Rolle in seinem vorherigen Leben. Aber jetzt, allein mitten in den Bergen nicht mehr: »Angst? Nein. Merkwürdigerweise nicht. Vielleicht hat er nie wieder Angst im Leben. Vielleicht überwindet der Mensch alle Angst, wenn er erst seine Träume begraben hat.«
Wie das Buch wohl ausgeht? Schwer vorherzusagen, alles ist möglich. Deshalb kann man es auch nicht einfach aus der Hand legen, mit kurzen, prägnanten Sätzen steigert sich die Spannung Seite für Seite. Bis zum Showdown.
Laut Duden eine »mit dem Untergang, der Vernichtung, der endgültigen Niederlage eines der Kontrahenten endende dramatische, entscheidende Konfrontation.«
Buchinformation
Jochen Rausch, Krieg
Berlin Verlag
ISBN 978-3-8270-1169-5
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Das alles ist ja identisch mit der Handlung des Romans „Winter in Maine“ von Gerard Donovan. Etwa ein Plagiat auf hohem Niveau?
Würde ich nicht sagen. „Winter in Maine“ kenne ich auch, aber von der Handlung, der Hauptperson und dem Hintergrund der Geschichte her sind das zwei komplett unterschiedliche Bücher.
Klingt sehr spannend – also Rezi wie Buch. Das Zitat ist wirklich stark. Und ja, das Cover hätte mich auch spontan angesprochen.
Danke! Das freut mich.
Der Anfang klingt ein bisschen nach ‚Der Mensch erscheint im Holozän‘, das Ende nach ‚Das finstere Tal‘. Macht neugierig. Das Buch liegt auch bei uns in der Buchhandlung aus, ich hatte es allerdings noch nie in der Hand. Das wird sich ändern!
Dann bin ich schon einmal gespannt, wie Dir das Buch gefällt. Bei mir war es – wie geschrieben – ein reiner Zufallstreffer.