Im August 2013 sorgte der Kurzfilm eines Filmakademie-Absolventen für Kontroversen. Zwei Dinge irritieren gleich in den ersten Sekunden des Films: Der nagelneue Mercedes passt nicht in die sepiafarben gehaltene Landschaft mit einem Dorf und Menschen aus dem 19. Jahrhundert. Und es ist kein Fahrer in dem schnell fahrenden Auto zu erkennen. Dafür reagiert der fahrerlose Wagen zuverlässig und intelligent: Zwei Mädchen spielen auf der Straße, das Fahrzeug bremst. Kurz darauf springt ein Junge auf die Fahrbahn. Der Mercedes beschleunigt und überfährt das Kind. Die Mutter schreit mit schreckgeweiteten Augen »Adolf!«, das Auto fährt weiter, passiert das Ortsschild »Braunau am Inn«, in der mercedeseigenen Schrift wird eingeblendet »Erkennt Gefahren, bevor sie entstehen«. „Es kommt alles anders“ weiterlesen
Leseprojekt Erster Weltkrieg
»Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.« Dieser August Bebel zugeschriebene Satz ist aktueller denn je; 2014 jährt sich das Schicksalsjahr Europas zum hundertsten Mal. 1914 begann der Erste Weltkrieg, eine Katastrophe, die das alte Europa hinwegfegte, Millionen Menschenleben forderte und die Wurzel des Üblen war, das danach erst noch folgen sollte: Zwei menschenverachtende Diktaturen, ein weiterer, noch viel schlimmerer Krieg, Völkermord, Vertreibung unzähliger Menschen und die Spaltung des Kontinents, die bis heute nicht überwunden ist. Wäre dieser europäische Flächenbrand zu vermeiden gewesen? Wie kam es dazu? Was bewegte die politischen und militärischen Entscheidungsträger dieser Zeit? Viel ist schon darüber geschrieben worden, aber das Gedenkjahr 2014 wartete mit einer Fülle von neuen Büchern und neuen Erkenntnissen zu diesem Thema auf. „Leseprojekt Erster Weltkrieg“ weiterlesen
Europas vergessene Ur-Katastrophe
Das Buch »Krimkrieg – Der letzte Kreuzzug« von Orlando Figes war eine echte Horizonterweiterung für mich. Ich hatte es schon ein paar Jahre im Regal stehen, es mehrmals angefangen, dann wieder zurückgestellt. Für jedes Buch gibt es den richtigen Zeitpunkt, aber um den herauszufinden muss man es erst einmal haben. Der richtige Zeitpunkt für dieses Buch war jetzt. „Europas vergessene Ur-Katastrophe“ weiterlesen
Geheimdienst außer Kontrolle
Vor vielen Jahren habe ich das Buch »Vaterland« von Robert Harris in die Hände bekommen. Und seitdem alles, was er geschrieben hat, mit Begeisterung gelesen. Ein großes Thema, das sich durch viele seiner Romane zieht, ist das des Außenseiters, der sich alleine mit den Mächtigen anlegt, um ein Unrecht oder ein Geheimnis aufzudecken, das ansonsten gerne verschwiegen worden wäre. So auch in »Intrige«, seinem neuen Roman, der vollständig auf wahren historischen Begebenheiten beruht. Der Außenseiter ist diesmal George Picquart, ein Offizier der französichen Armee, der 1894 vom Kriegsminister beauftragt wird, ihn regelmäßig über den Prozess gegen den mutmaßlichen Spion und Verräter Alfred Dreyfus auf dem Laufenden zu halten. „Geheimdienst außer Kontrolle“ weiterlesen
Das Jahrhundertjahr-Buch
»Er legte dar, dass das Zeitalter der Globalisierung Weltkriege unmöglich mache, da alle Länder längst wirtschaftlich zu eng miteinander verknüpft seien. Und dass neben den wirtschaftlichen Netzwerken auch die internationalen Verbindungen in der Kommunikation und vor allem in der Finanzwelt einen Krieg sinnlos machen.«
Diese These stammt aus der Zeit kurz vor dem ersten Weltkrieg.
Gefunden habe ich sie in dem wunderbaren Buch »1913« von Florian Illies. „Das Jahrhundertjahr-Buch“ weiterlesen
Leipzig, im Herbst
Schon wieder Leipzig. Diese Stadt erwähne ich oft, dabei habe ich dort nur vier Jahre gelebt. Aber in dieser Zeit ist sie mir ans Herz gewachsen, bis heute. Damals wohnte ich eine Weile im Stadtteil Stötteritz in einem unsanierten Altbau. Der schönste Platz in der Wohnung war der verglaste Balkon. Direkt davor, nur ein paar hundert Meter entfernt, thronte das Völkerschlachtdenkmal wie ein gewaltiger Steinklotz über den Dächern der Stadt. Ich saß dort oft mit einem Milchkaffee und schaute auf diese Szenerie.
Als geschichtlich Interessierter wusste ich, was es mit der Völkerschlacht auf sich hatte, habe mir aber bis vor Kurzem keine weiteren Gedanken über die damaligen Ereignisse gemacht. Mit dem Buch »1813« von Andreas Platthaus hat sich das geändert. »Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt« lautet der Untertitel: Wie wichtig für den Lauf der europäischen Geschichte die Geschehnisse waren, die sich vor exakt 200 Jahren um und in Leipzig abspielten, ist mir durch dieses Buch klar geworden. „Leipzig, im Herbst“ weiterlesen
Das Epos einer Niederlage
Am Eingang stand eine Kanone, groß, abweisend, bedrohlich. Direkt daneben sah man, was sie anrichten konnte: Der Brustpanzer eines Kürassiers war vorne und hinten großflächig durchschlagen, es blieb der Phantasie überlassen, was mit dem Menschen dazwischen geschehen sein mochte. Das war der erste Eindruck der großartigen Napoleon-Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn, die im Jahr 2012 stattfand. „Das Epos einer Niederlage“ weiterlesen
Im Reich der Finsternis
Das Buch »Vaterland« von Robert Harris ist mir während meiner Buchhändlerlehre in den Neunzigern in die Hände gefallen und es hat mich bis heute nicht losgelassen. Es fängt an wie ein Krimi-Klischee: An einem trostlosen, verregneten Morgen wird die Leiche eines älteren Mannes in der Berliner Havel gefunden. Der Kripo-Ermittler Xaver März – was für ein Name! – untersucht den Tatort. März scheint wie aus einem Noir-Krimi entsprungen, desillusioniert, geschieden, zynisch, die Whiskyflasche im Schreibtisch, eine gescheiterte Existenz. „Im Reich der Finsternis“ weiterlesen