Mahlzeit!

Ueber Kochbücher und Jamie Oliver

»Gestern Pirat, heute privat.« An diesen Satz denke ich oft, wenn ich vor meiner Kochbuchsammlung stehe. Er gibt sehr anschaulich wieder, wie sich das Leben etwa ab 35 zu verändern beginnt, langsam aber sicher. Mein erstes Kochbuch war »Kochen für Freunde« von Jamie Oliver und es war ein Geschenk zum 30. Geburtstag. Bekommen habe ich es ausgerechnet von einem meiner besten Freunde, den ich schon seit der Grundschule kenne, mit dem dem ich unzählige lustige und völlig chaotische Geschichten erlebt habe. Mit dem ich in den Urlaub getrampt bin, Bier aus Dosen trinkend vor dem Zelt saß, Nächte durchgefeiert habe. Viel Spaß und wenig Sorgen hatte, durchs Leben treibend, ziellos, orientierungslos, aber meistens gut gelaunt. Und er schenkt mir also vor etlichen Jahren dieses Kochbuch. Zuerst dachte ich an einen Scherz, denn Kochen gehörte früher nicht unbedingt zu meinen Leidenschaften, ich fand es vielmehr völlig überflüssig, wozu auch, es gab die Mensa, Dönerläden, Pizza auf die Hand und Studentenkneipen mit großen Portionen für wenig Geld. Meine beiden WG-Mitbewohnerinnen hatten sich damals – mit damals meine ich die neunziger Jahre – über mich lustig gemacht: Immer wenn ich sagen würde, es sei nichts mehr zu Essen im Kühlschrank, würde es bedeuten, dass nur noch Nahrungsmittel da seien, die man irgendwie zubereiten müsse. Nun ja.

Dieses erste Kochbuch jedenfalls hat dann irgendetwas in mir verändert. Zuerst einmal war es schön, darin zu blättern, sich ein Rezept etwas näher anzuschauen, bei einem anderen schon einmal im Geist die Zutatenliste zu notieren. Und irgendwann ging es los. Mit dem Kochen. Und hat nicht wieder aufgehört, bis heute. Inzwischen habe ich etliche Kochbücher, nicht nur die von Jamie. Ganz gut kochen kann ich auch, denke ich; nur leider nicht so oft, wie ich gerne möchte. Vor allem macht es mir einen riesigen Spaß neue Rezepte auszuprobieren, das ist für mich eine kreative Arbeit und Entspannung pur. Interessant dabei ist, dass es Millionen von Rezepten kostenlos online gibt – und trotzdem boomt der Kochbuchmarkt. Ansprechend gestaltet ist ein Kochbuch eben nicht nur eine Rezeptsammlung, sondern vermittelt ein Stück Vorfreude auf ein gelungenes Essen mit der Familie und mit Freunden. Es ist ein Stück Lifestyle. Auch hier gilt, elektronische Medien sind praktisch, aber gedruckte sind schön. Auf Spiegel online war der Bericht über zwei Radfahrer zu lesen, die mit ihren Rädern von London nach Kapstadt gefahren sind. 26.000 Kilometer lang. Sie haben eine ganze Rezeptsammlung von ihrer Tour mitgebracht und wollen über Crowdfunding diese Rezepte jetzt veröffentlichen. Als Buch.

Mit der Zeit habe ich viele Gleichgesinnte kennengelernt, denen das Ausprobieren neuer Rezepte aus neuen Kochbüchern ebenfalls viel Freude bereitet. Einmal unterhielt ich mich mit einem Freund aus São Paulo über Jamie Oliver und wir stellten fest, dass wir beide den Band »Genial italienisch« am besten finden. Das war eine witzige Situation: Ein Brasilianer und ein Deutscher sprechen über die italienischen Rezepte eines englischen Kochs. Gelebte Globalisierung.

Loeffelfamilie Leipzig

Buchinformation
Jamie Oliver, Genial italienisch
Dorling Kindersley
ISBN 978-3-8310-0879-7

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6 Antworten auf „Mahlzeit!“

  1. Vor einigen Jahren habe ich von meinen WG-Mitbewohnern den Band ‚Essen ist fertig‘ bekommen und ich glaube, dass ist der langweiligste von allen. Auf jeden Fall hat mich das Buch nicht besonders für seine Küche eingenommen, weshalb ich dann auch die Finger von allen anderenJamie-Büchern gelassen habe…

    1. Es sind auch nicht alle gleich gut. Aber in „Kochen für Freunde“ (leider nicht mehr lieferbar), „Genial italienisch“ und „Jamies Amerika“ gibt es schon ein paar Highlights, die mittlerweile zu meinem Standardrepertoire gehören.

  2. Interessant, die Kochbuchsituation mal aus der Perspektive eines Mannes zu lesen. Auch ich finde den Band „Genial italienisch“ mit am Besten, dicht gefolgt von „Besser kochen mit Jamie“. Obwohl ebooks natürlich irgendwie viel praktischer bzw. pflegeleichter sind, kann und will ich nicht auf die gebundenen Meisterwerke in meinem Regal verzichten. Irgendwie hat das was, das Blättern der Seiten und das Betrachten der fotografierten Speisen, was ein ebook nicht kann. Ich würde mich um nichts in der Welt von diesen Schätzen trennen, auch wenn ich meine Freunde beim Umzug gerade bei dem Karton mit Kochbüchern am Lautesten ächzen hören hab lassen. =)

    1. Bei mir steht noch der Amerika-Band ganz oben auf der Hitliste – da sind ein paar großartige Rezepte drin, z.B. ein Chili con Carne à la Jamie.
      Aber ob E-Books wirklich praktischer in der Küche sind? Also ich würde mein iPad nicht zwischen Mehlstaub, Rotweinspritzern, Zwiebelschalen etc. ablegen wollen und es dann auch noch mit teigverschmierten Händen bedienen müssen…

      1. Dem iPad will ich das nicht zumuten, beim Kochbuch finde ich es sogar schön, wenn man deutlich sieht welches Rezept sich bewährt hat: In meinem Elternhaus gibt es ein 70er Jahre Dessert-Kochbuch, aus dem es keines der Rezept verdient hat ins neue Jahrtausend hinübergerettet zu werden, nur das Standard Tiramisu Rezept wird so häufig genutzt, dass diese beiden Seiten nur noch lose im Inneren liegen, der Rest des Buchs dient nur noch zum Schutz dieser zwei Seiten.

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