Ein Tag bei Suhrkamp

Ein Tag bei Suhrkamp: Bloggertreffen beim Suhrkamp Verlag

#eintagbeisuhrkamp – so der Hashtag – begann schon am Vorabend. Genauer gesagt, am Abend des 19. Mai 2016 auf dem Platz vor dem Deutschen Theater in Berlin. Von allen Seiten tauchten vertraute Gesichter auf, fünfzehn Literaturblogger hatte der Suhrkamp Verlag nach Berlin geladen. Die meisten davon kannten einander bereits persönlich, es gab Umarmungen zur Begrüßung, Schulterklopfen, Lachen. Dann startete auch gleich das Programm, das Demian Sant’Unione, bei Suhrkamp für Online-Marketing und Bloggerkontakte zuständig, für uns vorbereitet hatte. Mit einem Theaterbesuch.

Im Zuge des Theatertreffens brachte das Ensemble der Münchner Kammerspiele »Mittelreich« auf die Bühne des Deutschen Theaters in Berlin; die Bühnenfassung des Romans von Josef Bierbichler, 2013 bei Suhrkamp erschienen. Eine sehr beeindruckende Aufführung; nach mehrjähriger Theaterabstinenz hat dies mein Interesse an der Schauspielkunst wieder neu geweckt. Einen sehr schönen Bericht über das Stück und die Inszenierung hat Jochen Kienbaum in seinem Beitrag über das Bloggertreffen auf lustauflesen.de veröffentlicht.

Überhaupt haben meine lieben Bloggerkolleginnen und -kollegen schon ausführlich über unseren Suhrkamp-Tag berichtet. Etwa Linus Giese auf Buzzaldrins Bücher, Ilja Regier auf Muromez oder Vera Lejsek auf Glasperlenspiel13. Über die Gespräche, die wir einen spannenden Freitag lang führten. Über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verlags, die wir kennengelernt haben. Über das Herzblut, das in jedem Wort enthalten war, mit dem sie von ihrer Arbeit erzählten. Egal, ob Christiane Schneider uns von ihrer Tätigkeit als Leiterin des Theaterverlags von Suhrkamp berichtete, Nora Mercurio die Feinheiten des Rechte- und Lizenzgeschäfts schilderte, Herstellungsleiterin Alexandra Stender uns die unendlichen Möglichkeiten der Buchgestaltung und Buchausstattung vorstellte, aber auch die Hektik der Produktion nicht verschwieg. Oder als uns Frank Wegner und Doris Plöschberger einen interessanten Einblick in die Arbeit des internationalen und deutschsprachigen Lektorats gaben.

Da ich selbst in einem Verlag arbeite und seit vielen Jahren in der Buchbranche tätig bin, sind mir die Arbeitsabläufe zwar vertraut. Aber mit welcher Leidenschaft die Genannten erzählten, das war schon etwas Besonderes. So wie auch Suhrkamp nicht nur einfach ein Verlag ist, sondern eine echte literarische Institution. Und ein Unternehmen, das in den letzten Jahren einige Höhen und Tiefen hinter sich gebracht hat. Nach dem Umzug von Frankfurt nach Berlin, der dem Verlag einiges an frischer Energie eingebracht hatte, folgte ein dramatischer Gesellschafterstreit. Der nur beendet werden konnte, indem mit Hilfe neuer Regelungen des Insolvenzrechts die gesellschaftsrechtlichen Strukturen verändert wurden – ein mutiger Präzedenzfall, auf den 2014 die gesamte juristische Fachwelt gespannt geschaut hatte. Und der zum Glück zum Vorteil des Suhrkamp Verlags ausgegangen war.

Eine noch sichtbare Auswirkung des juristischen Tauziehens sind die Räumlichkeiten, die den Verlag in der Pappelallee 78-79 im Prenzlauer Berg beherbergen. Ein Zweckgebäude der Gründerzeit, früher ein Finanzamt, war als Übergangslösung vorgesehen, da nach dem Umzug mittelfristig ein eigenes Verlagshaus erworben werden sollte. Dies konnte aufgrund des Rechtsstreits bisher nicht verwirklicht werden, so dass die Verlagsräume nach wie vor den Charme des Provisorischen aussstrahlen. Schlichte Metallregale in den hohen Räumen, weitläufige, aber dunkle Flure, eine Verteilung über mehrere Etagen bis hoch unter das ausgebaute Dach. Aber überall, in allen Büros, in allen Gängen sind sie: Bücher, Bücher, Bücher; ein wunderbarer Anblick. Komplette Suhrkamp-Reihen in ihren prägnanten Gestaltungen, allen voran die edition suhrkamp, leuchtend wie ein intellektueller Regenbogen. Oder die Reihe Suhrkamp Wissenschaft in vornehmen dunklen Farben. Oder die gesamte Insel-Bücherei, ein wahrer Augenschmauß für jeden Bibliophilen. Oder. Oder. Oder. Ein Paradies.

Auf der Dachterrasse gab es für mich eine der kleinen persönlichen Zeitreisen, die ich so mag: 1999 wohnte ich für ein paar Monate in Berlin, hatte ein leeres Zimmer in einer WG, deren Bewohner gerade alle beruflich länger unterwegs waren. Lebte also alleine in diesem leeren Zimmer in der leeren Wohnung; unsanierter, grauer Altbau, knarrender Dielenboden, die Einrichtung bestand aus einer Matraze, einer Kiste Büchern und dem alten Schrankkoffer meines Großvaters, der mir lange Jahre als Kleidertruhe diente. Sonst nichts. Ich war Praktikant beim Aufbau-Verlag und fuhr jeden Morgen die Pappel- und die Kastanienallee entlang mit dem Fahrrad zur Arbeit. Direkt an dem Gebäude vorbei, in dem jetzt der – damals noch in Frankfurt ansässige – Suhrkamp Verlag logiert. Von dessen erwähnter Dachterrasse ich nun hinüber auf das Fenster meines damaligen Zimmers schauen konnte. Immer wieder erstaunlich, wie klein die Welt manchmal sein kann. Das gefällt mir. Immer wieder.

Unser Blogger-Familientreffen – so fühlte sich das an – ist jetzt ein paar Tage her. Welche Eindrücke sind geblieben? Natürlich veranstaltet ein Verlag solch ein Treffen nicht aus purer Nächstenliebe, Blogger sind Multiplikatoren und sollen für neue Bücher begeistert werden. Aber das stand nicht im Mittelpunkt, ganz und gar nicht. Es war vielmehr das Gefühl, das wir willkommen waren, ein Treffen zwischen Buchmenschen und Literaturbegeisterten. Ein Austausch, persönlich, spannend und interessant für alle Beteiligten. Dazu perfekt organisiert.

Und auch wenn ich mich wiederhole: Vor allem aber sind mir die Begeisterung und die Leidenschaft im Gedächtnis geblieben, mit der die Menschen, die wir bei Suhrkamp kennenlernten, von ihrem Beruf gesprochen haben. Eine Leidenschaft, die aber auch typisch ist für eine ganze Branche, bei der es eben nicht nur um Gewinnmaximierung geht, sondern um Inhalte. Um Texte. Um Literatur. Der Suhrkamp Verlag ist für mich das perfekte Beispiel dafür, das Verlage eben keine »Verwerter« sind, als die sie gerade in letzter Zeit gerne bezeichnet werden. Sondern Partner der Autoren. Wer einmal erlebt hat, wie ein Manuskript in einem Verlag eingegangen und was am Ende daraus geworden ist, wird verstehen, was ich meine. Natürlich liegt die geistige Urheberschaft alleinig beim Autor, aber um aus einem Text ein Werk entstehen zu lassen, dieses zu lektorieren und zu redigieren, es zu gestalten und zu layouten, zu bewerben und zu verkaufen, den Autor bekannt zu machen, ihn aufzubauen – an diesem Prozess sind keine »Verwerter« beteiligt, sondern engagierte Menschen in Verlagen. Und nur diese Zusammenarbeit macht einen Text zu einem Buch.

Für den Ausklang des Bloggertages wechselten wir die Adresse. Es ging in die Potsdamer Straße, wo der Suhrkamp Verlag in einem prachtvollen alten Haus, das gerade saniert wird, einen Veranstaltungsraum zur Zwischennutzung angemietet hat. Dort las die Autorin Emma Braslavsky aus ihrem neuen Roman, der im Herbst erscheinen wird. Nach zwei Gläsern Wein hieß es dann leider schon Abschied nehmen, ein paar Stunden später kam ich mitten in der Nacht wieder am Kölner Hauptbahnhof an. Müde, aber den Kopf voller Bilder dieses wunderbaren Tages.

Ein paar davon habe ich mit der Kamera festgehalten.

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Auf dem YouTube-Kanal Buchgeschichten gibt es einen schön gemachten Film über diesen Tag.

6 Antworten auf „Ein Tag bei Suhrkamp“

  1. Lieber Uwe,
    super, Dein Post, der noch einmal die Erinnerungen ganz lebendig werden lässt. – Mich hat auch diese unglaubliche Begeisterung ausnahmlos aller Suhrkamper beeindruckt (ich komme ja aus einem beruflichen Umfeld, in dem solch eine Atmosphäre – leider – nicht die Tagesordnung ist) und mir hat das einen richtigen Motivationsschub verpasst (besser als gesunde Ernährung oder Vitamintabletten: Ein Tag bei Suhrkamp!).
    Nachem ich nun zweiten mal einen Verlag besucht habe, dieses mal ja sehr ausführlich, kann ich auch die Arbeiten und Prozesse, die dort üblich sind, viel besser nachvollziehen, vor allem eins der „Kerngeschäfte“, nämlich der Umgang mit den Rechten. Welche mühevolle und liebevolle „Arbeit“ dann aber auch darin steckt, ein Buch erst einmal zur Welt zu bringen – auch das ist mir nun viel deutlicher.
    Und richtig gut gefallen hat mir auch, Du hast das ja auch extra noch einmal herausgestellt, dass eben nicht im Vordergrund stand, uns zu welchen Aktionen auch immer im Dienste Suhrkamps zu bewegen. So konnte das Vorstellen des Verlags, das Vorstellen der Mitarbeiter, ja, die wirkliche Arbeit rund ums Buch, auch rund um ein Buch, viel besser zur Geltung kommen, als wenn wir das Gefühl gehabt hätten, wir seien auf eine Kaffeefahrt mit anschließender Verkaufsveranstaltung geraten :-).
    Dass es auch ein Blogger-Familientreffen war, hat mir darüber hinaus noch ganz viel Spaß gemacht. Alle Blogger kannte ich ja noch nicht. So ist die Zeit viel zu schnell verflogen, viel zu schnell schon ging der Zug nach Hause. Aber irgrndwie, irgendwo gibt es sicher wieder solch ein Familientreffen.
    Viele Grüße, Claudia

  2. Ah, das hört sich wirklich nach einem ziemlich schönen Trip an. Gern wäre ich dabei gewesen.

    Sehr schön, wie Suhrkamp es geschafft hat, aus einer klassischen PR-Denke herauszukommen und solch ein Event ins Leben zu rufen.

    Lächeln, Fabian

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