Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch war einer der bedeutendsten russischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Wenn man es etwas präziser ausdrücken möchte, dann müsste man sagen, er sei einer der bedeutendsten sowjetischen Komponisten gewesen. Und in diesem feinen Unterschied zwischen russisch und sowjetisch liegt die gesamte Tragik eines Künstlerlebens, das sich in einer totalitären Diktatur bei aller Bedeutsamkeit nicht frei entfalten konnte. Und was dies für einen Menschen wie Schostakowitsch bedeutete, beschreibt Julian Barnes in seinem Roman »Der Lärm der Zeit«. „Der Künstler und die Macht“ weiterlesen
Das Castro-Special
Fidel Castro ist 90 geworden. Es ist zum einen beinahe unglaublich, dass ein Mensch mit dem Lebenslauf eines Berufsrevolutionärs ein solches Alter erreicht. Zum anderen ist sein Name unverrückbarer Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses der letzten Generationen: Er war immer da. Jahrzehntelang. Und hat unzählige Menschen – mich eingeschlossen – schon immer fasziniert. Warum ist das so?
[Nachtrag: Am 25. November 2016, fast genau drei Monate nach Veröffentlichung dieses Beitrags, ist Fidel Castro im Alter von 90 Jahren gestorben.]
Natürlich weiß ich, dass Kuba kein freies Land ist. Dass der Versuch, eine gerechtere Gesellschaft mit ungerechten Methoden durchzusetzen, zum Scheitern verurteilt ist. Und dass ein kommunistischer Staat jedes Mal – nicht nur in Kuba – ein Synomym für Unterdrückung und Mangelwirtschaft geworden ist. Gleichzeitig erleben wir in zunehmendem Maße, wie die sogenannte freie Marktwirtschaft und der Neoliberalismus die Schere der nationalen und globalen Ungerechtigkeiten immer weiter auseinanderklaffen und unseren Planeten auf einen ökologischen Kollaps zusteuern lassen. Die Person Fidel Castros ist deshalb für viele ein Symbol für zumindest den Versuch, die Welt zu ändern. Mehr noch als Che Guevara, der anderen Gallionsfigur der Weltrevolution, der allerdings in seinem radikalen Idealismus nicht gezögert hätte, den Klassenfeind in einem atomaren Weltkrieg zu vernichten, wenn dies möglich gewesen wäre.
Fidel Castro ist Revolutionär, Macho, Politiker, Präsident, graue Eminenz, gehasster Feind, verehrte Ikone und, wenn man sich klarmacht, was er tatsächlich erreicht hat, tragische Figur – alles in einer Person. »Ein Leben wie aus einem lateinamerikanischen Abenteuerroman – mit dem kleinen Unterschied, dass die Geschichte nicht erfunden, sondern wahr ist. So wahr, wie man sie auch gar nicht erfinden könnte, ohne unglaubwürdig zu wirken. Der kubanische Revolutionsführer war und ist eine der interessantesten und umstrittensten Personen der Zeitgeschichte, Hass- und Heldenfigur, Mythos und Teufel gleichermaßen. Selbst Che Guevara, die ewige Pop-Ikone, wäre nichts geworden ohne Fidel Castro. Es gab kaum einen Politiker der Neuzeit, der so intelligent, gebildet und belesen, groß und gut aussehend, charismatisch wie charmant und mit einem ebenso überzeugenden wie gefährlichen Macho- und Machtinstinkt ausgestattet war wie er.« Das schreibt Castro-Biograph Volker Skierka in seinem Vorwort für die Graphic Novel »Castro« von Reinhard Kleist. Und diese Graphic Novel ist eines von vier Büchern, die ich in diesem Castro-Special vorstellen möchte. „Das Castro-Special“ weiterlesen
Gefangene der Geschichte
Was weiß ich über Bulgarien? Nicht wirklich viel, um ehrlich zu sein. Früher ein ärmlicher, grauer Ostblock-Staat, heute ein Land, das sich zwar offiziell eine Demokratie nennt, aber unter den Auswirkungen von Korruption und organisiertem Verbrechen leidet; so meine Wahrnehmung. Ein europäisches Land, und trotzdem viel weiter weg als manche Ziele in Übersee. Mit Ilija Trojanows Buch »Macht und Widerstand« rückt Bulgarien plötzlich mitten hinein ins Bewusstsein – auch wenn man Trojanows Werk ebenso als eine allgemeingültige Parabel über das Leben und Überleben in einer Diktatur lesen kann. „Gefangene der Geschichte“ weiterlesen