Warum ich lese

Warum ich lese
Photo: Vera Prinz

»Es gibt Menschen, für die ist Lesen eine Form des Zeitvertreibs. Für andere ist es ein Lebensinhalt. Zu diesen zähle ich mich auch, Lesen und Bücher sind für mich überlebenswichtig.« Dies sagte ich in einmal in einem Interview, das Karla Paul für ein Buchhandelsmagazin mit mir geführt hatte. Lebensinhalt klingt vielleicht ein wenig pathetisch, beschreibt aber treffend den Stellenwert, den Bücher und Literatur in meinem Leben haben.

Aber warum ist das so?

Die Frage nach dem Warum stellte Sandro Abbate, Betreiber des lesenswerten Literaturblogs novelero. In seinem sehr persönlichen Beitrag Warum ich lese erzählt er, wie und warum er zum Leser wurde und was dies für ihn bedeutet. Direkt nach der Lektüre seines Textes begannen die Gedanken in meinem Kopf sich um diese Frage, diese Aussage zu drehen. Und das ist jetzt dabei herausgekommen. „Warum ich lese“ weiterlesen

Mit dem Tod am Tresen

Thees Uhlmann: Sophia, der Tod und ich

Frankfurter Buchmesse 2015: Ich war gerade bei Kiepenheuer & Witsch in ein Gespräch vertieft, als ein Typ durch den Messestand gerauscht kam. Er war Anfang vierzig und schaffte es, gleichzeitig aufgedreht, müde, gut gelaunt und cool zu wirken. In alle Richtungen grüßend sagte er mehrmals »Guten Morgen, Verlag«, »Guten Morgen, Verlag« und verschwand durch eine Tür ins Messe-Kabuff, um nach einer Tasse Kaffee Ausschau zu halten. Alle lächelten. Das war Thees Uhlmann, Sänger der Hamburger Band »Tomte«. Auf der Buchmesse war er nicht als Musiker, sondern als Autor zu Gast, denn gerade war sein erster Roman »Sophia, der Tod und ich« erschienen. „Mit dem Tod am Tresen“ weiterlesen

Ein Textbaustein*, hochprozentig

Frank Goosen: So viel Zeit

Es ist Sonntag und ich habe Kopfweh. Nicht irgendein Kopfweh, eher so ein dumpfes Dröhnen. Dabei sollten einem mit sechsachtundvierzig  die Folgen eines schönen Abends doch eigentlich klar sein. Aber das ist natürlich nicht so, warum auch.

Frank Goosen hat das mit einem formidablen Text so wundervoll auf den Punkt gebracht, dass ich ihn hier unbedingt noch einmal wiedergeben muss. Noch einmal, weil ich das Buch »So viel Zeit« bereits im Juni 2013 hier vorgestellt und dabei ebenfalls diesen Text zitiert habe. Weil er mir einfach so gut gefällt. „Ein Textbaustein*, hochprozentig“ weiterlesen

Achtzig Jahre sind ein Buch

Robert Seethaler: Ein ganzes Leben

Andreas Egger lebt achtzig Jahre lang in einem Hochtal der österreichischen Alpen. Der Schriftsteller Robert Seethaler erzählt auf 155 Seiten seine Geschichte, »Ein ganzes Leben« ist der Titel dieses großartigen Buches. Ich hatte schon viel davon gehört, es lag auch schon längst bereit, aber ich wartete auf einen ruhigen Moment. Letztes Wochenende hatte ich eine sechsstündige Zugfahrt vor mir, das schien perfekt. Nach fünf Stunden war ich damit durch und die restlichen sechzig Minuten verbrachte ich damit, über das nachzudenken, was ich gerade gelesen hatte. „Achtzig Jahre sind ein Buch“ weiterlesen

Am Anfang war das Wort

Otfried Preußler: Der Räuber Hotzenplotz

Nicht selten verbringt man zwischen Weihnachten und Neujahr ein oder zwei Tage an dem Ort, an dem man aufgewachsen ist, den man aber schon lange verlassen hat. So war es Ende 2013 auch bei mir. Von nostalgischen Gefühlen getrieben habe ich den Keller meines Elternhauses durchstöbert und es tatsächlich gefunden: Das Buch »Der Räuber Hotzenplotz« von Otfried Preußler. Und zwar genau das Exemplar, aus dem mir meine Oma vor nun über vierzig Jahren vorgelesen hatte. Stockfleckig, von Feuchtigkeit beschädigt, aber immer noch da. „Am Anfang war das Wort“ weiterlesen

In die Falle gegangen? Ein Textbaustein*, mitwachsend

Franz Kafka: Kleine Fabel

»›Ach‹, sagte die Maus, ›die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.‹ – ›Du musst nur die Laufrichtung ändern‹, sagte die Katze und fraß sie.«

Schon wieder Kafka. Das ist kein Wunder, begleiten mich seine Texte schon seit vielen Jahren, die Kafka-extrem-Woche in Prag war dabei eine meiner intensivsten Leseerfahrungen. Und dieser Text hier, die »Kleine Fabel«, ist diejenige seiner Erzählungen, an die ich am häufigsten denken muss. „In die Falle gegangen? Ein Textbaustein*, mitwachsend“ weiterlesen

Wie ich Herrn Lehmann traf

Sven Regener: Herr Lehmann | Kaffeehaussitzer

DAS Lieblingsbuch gibt es nicht. Aber »Herr Lehmann« von Sven Regener kommt dem schon sehr nahe. Alles fing damit an, als ich im Frühjahr 2001 Post bekam. Es war ein Bücherpäckchen von einer Freundin, die zu diesem Zeitpunkt gerade beim Eichborn-Verlag arbeitete. Darin war ein Leseexemplar von »Herr Lehmann« und ein Kärtchen, auf dem stand, das mir dieses Buch bestimmt gefallen würde. Das Problem: Im Frühjahr 2001 und besonders gerade zu dem Zeitpunkt, als mir dieses Buch in den Schoß fiel, war ich mitten in der heißen Phase meiner Diplomarbeit und hatte eigentlich absolut gar keine Zeit zum Lesen. „Wie ich Herrn Lehmann traf“ weiterlesen