Nachbuchmesseblues

Leipziger Buchmesse

Seit 1998 war ich jedes Jahr – mit nur einer Ausnahme – auf der Leipziger Buchmesse. Mal während des Studiums als Standbetreuer, mal beruflich, mal privat, aber immer sind die paar Tage im März ein Highlight im Jahresablauf. So gepackt voll mit persönlichen Begegnungen waren sie aber selten und ich führte eine Menge interessanter und anregender Gespräche; so viele, dass man sich an das Ankommen im Alltag erst wieder gewöhnen muss. Ein richtiger Nachmesseblues eben.

Seit Kaffeehaussitzer im Juni 2013 online gegangen ist, bin ich im regen Austausch mit anderen Literaturbloggern. Es ist ein sehr angenehmes Netzwerk Gleichgesinnter, dass da entstanden ist, die Kommunikation findet über Twitter, Facebook und unsere Blogs statt. Nur gesehen hatte ich von all diesen Menschen im realen Leben noch nie jemanden. Nun, dies hat sich jetzt geändert. Und wie. „Nachbuchmesseblues“ weiterlesen

Ein jüdisches Familientreffen. Unerwartet

Jüdisches Familientreffen

Die Leipziger Buchmesse steht vor der Türe. Wie jedes Jahr freue ich mich auch dieses Mal wieder auf das Treffen mit Freunden und alten Bekannten, auf das Kennenlernen neuer Menschen und auf unerwartete Begegnungen. Unerwartet, wie bei der letztjährigen Messe. Denn man macht in seinem Leben oft die Bekanntschaft völlig unterschiedlicher Personen, die aber doch in irgendeinem Zusammenhang miteinander stehen. Letztes Jahr bin ich durch die Leipziger Buchmesse drei jüdischen Familien begegnet. An drei aufeinanderfolgenden Tagen. Völlig unterschiedlich und vor allem komplett unerwartet. „Ein jüdisches Familientreffen. Unerwartet“ weiterlesen

Buchhändlers Traum

Petra Hartlieb: Meine wundervolle Buchhandlung

Irgendwie kennt das jeder von uns: Man sitzt mit ein paar Freunden zusammen, bei dem ein oder anderen Glas Wein oder Bier werden visionäre Geschäftsideen konzipiert oder es wird über mögliche Lebensentwürfe phantasiert. Und am nächsten Tag geht alles wieder seinen gewohnten Gang. Nicht so bei Petra und Oliver Hartlieb. In Hamburg wohnend waren sie bei Freunden in Wien zu Besuch, das Gespräch kam auf eine alteingesessene Wiener Stadtteilbuchhandlung, die wegen Insolvenz schließen musste. Man spann seine Gedanken weiter, erkundigte sich im Zuge dieser Spinnerei formlos nach dem Status der Buchhandlung und gab als eher halb ernstgemeinte Idee ein Gebot beim Insolvenzverwalter ab. Wenige Wochen später hatten die Hartliebs aus Hamburg eine Wiener Buchhandlung gekauft. Quasi versehentlich. Und Petra Hartlieb schreibt in ihrem Buch »Meine wundervolle Buchhandlung« darüber, wie alles kam. Wie alles wurde. Und wie alles ist. „Buchhändlers Traum“ weiterlesen

Die Gretchenfrage nach der Axt

Was ist große Literatur? Eine Bloggerdiskussion.

Was ist große Literatur? So, jetzt erst einmal durchatmen bei dieser Frage, bevor ich versuche, eine persönliche Antwort darauf zu finden. Zustande gekommen ist die knifflige Herausforderung durch eine Twitter-Unterhaltung. Verschiedene Buchblogger tauschten sich über Dave Eggers »Der Circle« aus. Norman Weiß von notizhefte zitierte für Andrea Breuer von danares.mag  einen Verriss des Buches, worauf Sophie Weigand von Literaturen entgegnete, dass ihr das Buch sehr gut gefallen habe. Ich klinkte mich in das Gespräch ein:

„Die Gretchenfrage nach der Axt“ weiterlesen

Das erste Jahr

365 Tage

Am 15. Juni 2013 habe ich unter dem Titel Ex Libris den ersten Blogbeitrag auf Kaffeehaussitzer.de online gestellt. Die Idee, unter die Buchblogger zu gehen, schlummerte schon länger in mir, aber letztes Jahr gab ich mir endlich einen Ruck, frickelte mich durch WordPress-Literatur, machte mir Gedanken über Aufbau und Gestaltung, suchte und fand ein passendes Theme und dann war es soweit. Eigentlich wollte ich nur ein bisschen über Bücher plaudern, oder, wie ich damals schrieb: »Ich stelle in meinem Blog Bücher  und Texte vor, die ich gerne gelesen habe. Die mich begeistert, inspiriert, bewegt, fasziniert oder nachdenklich gemacht haben. Die mir etwas bedeuten.« „Das erste Jahr“ weiterlesen

Mahlzeit!

Ueber Kochbücher und Jamie Oliver

»Gestern Pirat, heute privat.« An diesen Satz denke ich oft, wenn ich vor meiner Kochbuchsammlung stehe. Er gibt sehr anschaulich wieder, wie sich das Leben etwa ab 35 zu verändern beginnt, langsam aber sicher. Mein erstes Kochbuch war »Kochen für Freunde« von Jamie Oliver und es war ein Geschenk zum 30. Geburtstag. Bekommen habe ich es ausgerechnet von einem meiner besten Freunde, den ich schon seit der Grundschule kenne, mit dem dem ich unzählige lustige und völlig chaotische Geschichten erlebt habe. Mit dem ich in den Urlaub getrampt bin, Bier aus Dosen trinkend vor dem Zelt saß, Nächte durchgefeiert habe. Viel Spaß und wenig Sorgen hatte, durchs Leben treibend, ziellos, orientierungslos, aber meistens gut gelaunt. Und er schenkt mir also vor etlichen Jahren dieses Kochbuch. „Mahlzeit!“ weiterlesen

Darf man Bücher wegschmeißen?

Darf man Buecher wegschmeißen?

Bücher in den Müll? Eine polarisierende Frage, hier gehen die Meinungen auseinander. Neulich saß ich in einem Café und bekam eine Unterhaltung am Nachbartisch zu genau diesem Thema mit. Einer der beiden Gesprächspartner meinte, dass er niemals auch nur ein Buch ins Altpapier geben würde, das käme schon beinahe einer Todsünde gleich. Ist das so? Das finde ich nicht, im Gegenteil, ich habe schon ziemlich viele Bücher weggeworfen. Und ich habe kein einziges davon vermisst. „Darf man Bücher wegschmeißen?“ weiterlesen

Spurensuche im Graphischen Viertel

Durch das Graphische Viertel: Der Leipziger Gutenbergweg

Man stelle sich eine Stadt vor. Eine Stadt mit weit über 700.000 Einwohnern. Eine Stadt, in der Kultur, Handel und Industrie in einer perfekten Symbiose existieren. Eine Stadt mit mehr als unzähligen Buchhandlungen, Verlagen und Druckereien. Eine Stadt als Zentrum der Medienproduktion schlechthin. Eine Buchstadt. Wohlhabend. Lebendig. Innovativ. Verschwunden im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs. Geblieben ist ein Mythos. „Spurensuche im Graphischen Viertel“ weiterlesen

Lasst alle Hoffnung fahren?

Stephen Emmott: Zehn Milliarden

Das Buch »Zehn Milliarden« von Stephen Emmott hat es in sich. Und zwar gleich in zweifacher Hinsicht. Zum einen ist es buchgestalterisch ein echter Hingucker, mit einem aufwändig produzierten und sehr haptischen Umschlag, der Innenteil schon fast ein typographisches Gesamtkunstwerk. Und zum anderen geht es um nichts Geringeres als den Untergang unserer Welt. „Lasst alle Hoffnung fahren?“ weiterlesen

Am Anfang war das Wort

Otfried Preußler: Der Räuber Hotzenplotz

Nicht selten verbringt man zwischen Weihnachten und Neujahr ein oder zwei Tage an dem Ort, an dem man aufgewachsen ist, den man aber schon lange verlassen hat. So war es Ende 2013 auch bei mir. Von nostalgischen Gefühlen getrieben habe ich den Keller meines Elternhauses durchstöbert und es tatsächlich gefunden: Das Buch »Der Räuber Hotzenplotz« von Otfried Preußler. Und zwar genau das Exemplar, aus dem mir meine Oma vor nun über vierzig Jahren vorgelesen hatte. Stockfleckig, von Feuchtigkeit beschädigt, aber immer noch da. „Am Anfang war das Wort“ weiterlesen

Stefan Zweigs Europa

Stefan Zweig: Die Welt von Gestern

2014 jährte sich der Ausbruch des ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal. Aus diesem Anlass erschienen eine Flut von neuen Büchern, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Zu Recht gilt dieser Krieg als Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts, die nicht nur Millionen von Menschen das Leben kostete, sondern Europas Landkarte und Gesellschaft radikal veränderte. Doch ein Buch, welches das Europa vor dem ersten Weltkrieg eindrucksvoll beschreibt, ist keine Neuerscheinung. Stefan Zweigs »Die Welt von Gestern« ist ein Buch, das mich schon lange beschäftigt. Es wurde 1943 posthum publiziert und ist das Vermächtnis des großen Dichters.  „Stefan Zweigs Europa“ weiterlesen

Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch

Buecher

In meinem Blog geht es um Bücher. Und zwar um Bücher aus Papier. Das heißt nicht, dass ich keine E-Books mag, es gibt schließlich genug Bücher, die nicht aufhebens- oder sammelwert sind und wertvolle Regalmeter blockieren müssen. Auf jeden Fall leben wir in einer spannenden Zeit, in der wir die freie Wahl haben, auf welche Weise wir uns mit Texten beschäftigen. Ich lese den ganzen Arbeitstag am Bildschirm, bin ständig online, während zuhause mein Tolino in irgendeiner Schublade verstaubt. Denn in meinem Privatleben will ich mit echten Büchern zu tun haben, nicht nur mit Dateien, die mir nicht einmal richtig gehören. Wie schon einmal geschrieben: Ein E-Book reduziert ein Buch auf seinen bloßen Text. Manchen genügt das. Mir nicht, denn das Buch ist die Verpackung des Textes, es transportiert ihn zum Leser, es inspiriert ihn, sich mit ihm zu beschäftigen und macht den Text individuell. E-Books mögen praktisch sein, aber Bücher sind schön. „Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch“ weiterlesen

Das Jahrhundertjahr-Buch

Florian Illies: 1913

»Er legte dar, dass das Zeitalter der Globalisierung Weltkriege unmöglich mache, da alle Länder längst wirtschaftlich zu eng miteinander verknüpft seien. Und dass neben den wirtschaftlichen Netzwerken auch die internationalen Verbindungen in der Kommunikation und vor allem in der Finanzwelt einen Krieg sinnlos machen.«

Diese These stammt aus der Zeit kurz vor dem ersten Weltkrieg.

Gefunden habe ich sie in dem wunderbaren Buch »1913« von Florian Illies„Das Jahrhundertjahr-Buch“ weiterlesen

Der Dostojewskij-Relaunch

Fjodor M. Dostojewskij: Verbrechen und Strafe

Einmal, ein einziges Mal habe ich auf einer Buchmesse ein Buch gestohlen. Es war in Leipzig im Jahr 1998, dürfte also inzwischen verjährt sein. Außerdem geschah es eigentlich aus Versehen: Ich blätterte darin an einem Verlagsstand, völlig versunken. Der Stand, ohnehin nicht groß, wurde immer voller und ich wurde von den Menschenmassen hinaus gedrängt, immer noch lesend, ohne es richtig zu merken. Völlig gedankenverloren klappte ich das Buch irgendwann zu und steckte es ein. Später merkte ich, was passiert war und dann war es mir zu peinlich, an den Stand zurückzugehen. Das Buch war »Verbrechen und Strafe« von Fjodor Dostojewskij. Irgendwie passend. „Der Dostojewskij-Relaunch“ weiterlesen

Ausflug in Europas intellektuelles Herz

Lettre International - Europas Kulturzeitung

Ich werde nie das völlig unbewegliche Gesicht des DDR-Grenzsoldaten vergessen, der das Photo in meinem Reisepass ganz genau mit meinem Gesicht verglich. Minutenlang. Ich stand in einer Art Einzelkabine am Grenzübergang Berlin-Friedrichstraße, die Türen geschlossen, zwischen uns eine dicke Glasscheibe. Endlich schlug er meinen Pass zu und die Türe öffnete sich nach Ost-Berlin. Es war 1986, ich war 17 und zum ersten Mal in Berlin. Ein paar Jahre später war die DDR verschwunden.

Wie die Geschichte so spielt: Damals hätte ich es niemals für möglich gehalten, dass ich zwölf Jahre später mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit regelmäßig an der Stelle dieses Grenzübertritts vorbeikommen würde. Es war im Sommer 1998 und ich war Praktikant bei Lettre International.

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