Leben um des Lebens willen

Guillermo Arriaga: Das Feuer retten

Der Roman »Das Feuer retten« von Guillermo Arriaga liegt neben mir, gerade habe ich ihn beendet und schaue auf das ziegelsteingroße Buch. Aus den achthundert Seiten scheint Qualm aufzusteigen, so als verströmen sie nach der Lektüre noch eine Mischung aus Testosteron, Adrenalin und Pulverdampf. Was habe ich da gelesen? Die Geschichte einer leidenschaftlichen Liebe. Die Geschichte einer Selbstzerstörung. Die Geschichte einer kaputten Gesellschaft. Die Geschichte eines zerrissenen Landes, geprägt von Gewalt und Ungerechtigkeit. Die Geschichte zweier Menschen, deren Anziehungskraft füreinander sie alle Normen vergessen lässt – mit dramatischen Folgen. Und lebensgefährlichen Konsequenzen. 

Der Autor hat dem Buch zwei Sätze des französischen Regisseurs und Autors Jean Cocteau vorangestellt: »Wenn das Feuer mein Haus niederbrennt, was würde ich retten? Ich würde das Feuer retten.« Dieses titelgebende Zitat ist eine Kampfansage an die Mittelmäßigkeit, in der es sich die meisten von uns bequem eingerichtet haben. Doch wehe, wenn die Mauer, die unser bequemes Leben umgibt und die das Gefühlschaos und die brennende Leidenschaft aussperrt, auch nur einen hauchdünnen Riss bekommt. Dann bricht die eigene, kleine Welt auseinander. „Leben um des Lebens willen“ weiterlesen

Keiner kommt hier lebend raus

Benjamin Whitmer: Flucht

Der Begriff »Noir« dürfte allen Literaturinteressierten bekannt sein, aber was genau verbirgt sich dahinter? Für diese Stilrichtung gibt es keine allgemeingültige Definition; vor einiger Zeit tastete sich die Journalistin Sonja Hartl in ihrem Essay »Was ist Noir?« an die Thematik heran. Unter anderem heißt es darin: »Die Düsterheit der Existenz, das Erkennen von Moral bzw. deren Abwesenheit und die Einsicht, dass es keine Erlösung – kein glückliches Ende – gibt, machen somit den Noir aus. … Aus dieser zugrunde liegenden Weltsicht lassen sich Themen und Handlungselemente ableiten. Oft geht es um die zerstörerische Kraft der Macht, die Bedeutungslosigkeit und Absurdität der Existenz, die Korrumpierung des öffentlichen Lebens, um Unordnung, Missbehagen, Unzufriedenheit. Die Protagonisten sind häufig Einzelgänger und soziale Außenseiter. Sogar wenn die Hauptfigur gut ist, ist sie zynisch und glaubt, dass die Gesellschaft korrupt sei, sie aber der Gerechtigkeit Genüge tun kann. Extreme sind die Norm – und weder das Gute noch die Gerechtigkeit werden zwangsläufig siegen.« Zwar muss ein Noir-Roman nicht unbedingt ein Kriminalroman sein, aber dieses Genre bietet sich natürlich geradezu an. Daher ist es kein Zufall, dass Sonja Hartls Essay im Blog Polar-Noir veröffentlicht wurde, dem Verlagsblog des Polar-Verlags; eines Verlags, der sich auf grandios-düstere Kriminalromane spezialisiert hat. Und das Buch »Flucht« von Benjamin Whitmer ist ein gutes Beispiel für die literarische Qualität des Verlagsprogramms: Noir vom Feinsten. „Keiner kommt hier lebend raus“ weiterlesen