Geschichte vergeht nicht

Francesca Melandri: Alle, außer mir

Es ist ja so: Von den hunderten oder eher tausenden Büchern, die man in einem Leserleben liest, bleiben viele nur bruchstückhaft im Gedächtnis und bei manchen kann man sich nach ein paar Jahren höchstens noch vage an den Inhalt erinnern – wenn überhaupt. Aber dann gibt es auch die ganz besonderen Werke, jene, auf die man ab und zu stößt, jedes von ihnen eine wertvolle Entdeckung. Jene, deren erzählerische Wucht eine Sogwirkung auslöst, die unbeschreiblich ist. Jene, die einem eine neue Welt eröffnen oder einen mit Haut und Haaren in eine andere Epoche schicken. Jene, die den eigenen Horizont ein Stück vergrößern. Jene, deren Sprache Bilder im Kopf entstehen lassen, die unvergesslich sind; Bilder voller Schönheit und Schrecken. Es gibt sie nicht allzu oft, jene Bücher, die all das in sich vereinen, und ich bin dankbar für jedes von ihnen, das seinen Weg in mein Bücherregal gefunden hat. Und eines davon ist »Alle, außer mir« von Francesca Melandri. „Geschichte vergeht nicht“ weiterlesen

Israels Schattenwelt

Liad Shoham: Stadt der Verlorenen und Ayelet Gundar-Goshen: Löwen wecken

Wir sind Zeugen eines Weltwandels, den wir in den letzten Jahren in der Rolle des Zuschauers miterlebten. So, als würde uns das alles nicht betreffen, als würden wir im ruhigen Auge eines Wirbelsturms leben. Das war ein Irrtum. Die Bilder von Flüchtlingen sahen wir schon seit Jahrzehnten, sie waren stets irgendwo ganz weit weg, auf anderen Kontinenten, fern unserer Wohlstandsgesellschaft. Und jetzt sind sie hier, mitten unter uns, vor unseren Toren, hunderttausende sind angekommen, hunderttausende sind unterwegs, ein Ende ist nicht abzusehen.

Andere Länder sind schon längst mit dieser Entwicklung konfrontiert, wie etwa Israel. Hier hat sich in den letzten Jahren eine regelrechte Schattenwelt etabliert; Flüchtlinge ohne Papiere leben im Elend, ignoriert von den einen, ausgebeutet von den anderen. Zwei Bücher beschäftigen sich intensiv damit und öffnen dem Leser eine Türe in eine düstere Gesellschaft, wie sie in Zukunft auch bei uns existieren könnte, wenn die falschen politischen Weichen gestellt werden. Es sind die Romane »Stadt der Verlorenen« von Liad Shoham und »Löwen wecken« von Ayelet Gundar-Goshen. „Israels Schattenwelt“ weiterlesen