An dieser Stelle sollte ein prägnanter erster Satz stehen. Einer, der es schafft, sofort neugierig auf ein Buch zu machen, das mich begeistert, fasziniert und so gepackt hat, wie es nicht oft vorkommt. Das ich rasend schnell gelesen habe, weil ich nicht anders konnte, die Sogwirkung war unbeschreiblich. Um es nur widerstrebend aus der Hand zu legen, da auch die längsten Leseabende irgendwann beendet werden mussten. Ein Buch, das mir ein paar Nächte lang unruhige und seltsame Träume beschert hat, nachdem die letzte Seite umgeblättert war. Das sich tief in mein Unterbewusstsein gegraben hat. Das jetzt beim Schreiben schweigend neben mir liegt und mich wieder hineinzieht in eine der ungewöhnlichsten, aber auch verstörendsten Geschichten, die ich jemals gelesen habe. Die Rede ist von dem großartigen, düsteren Roman »Unser Teil der Nacht« der argentinischen Autorin Mariana Enriquez. Das alles in einem einzigen prägnanten ersten Satz unterbringen? Es ging nicht. „Die Toten reisen schnell“ weiterlesen
Die Reise ins Nirgendwo
Der lange Weg nach Westen gehört zu den Gründungsmythen der USA. Die Bilder dazu in unseren Köpfen verdanken wir Hollywoods Traumfabriken: Planwagenkolonnen, die durch eine endlose Prärie ziehen, hoffnungsvolle Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben. Die harte Wirklichkeit sah anders aus, denn abgesehen davon, dass die Besiedlung des Westens einherging mit der gewaltsamen Vertreibung der indigenen Bevölkerung, waren es keine heldenhaften Pioniere, die Wagen an Wagen in Richtung Abendröte zogen. Sondern Familien, die nichts zu verlieren hatten, die aufgebrochen waren, um der Armut und Perspektivlosigkeit zu entkommen; Gücksritter waren dabei, die alles auf eine Karte setzten, Entwurzelte, aber auch Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren und eine zweite Chance suchten. Und längst nicht alle überstanden die monatelange Reise durch eine raue Natur, die lebensbedrohlich werden konnte. Die Opfer forderte und manchmal für furchtbare Tragödien verantwortlich war. Von einer dieser Tragödien erzählt die Autorin Alma Katsu in ihrem Roman »The Hunger« – mit dem vielsagenden Untertitel »Die letzte Reise«. „Die Reise ins Nirgendwo“ weiterlesen