Zum Wolf werden

Guillermo Arriaga: Der Wilde

Wie anfangen? Diese Frage stelle ich mir oft zu Beginn einer Buchvorstellung, doch selten war ich so unschlüssig wie diesmal. Denn es geht um ein Buch, in dem zwei vollkommen unterschiedliche Handlungsstränge gekonnt zusammengeführt werden; das alles auf drei, vier Zeitebenen. An der Oberfläche ist der Roman »Der Wilde« von Guillermo Arriaga die Geschichte einer Rache. Doch dies in einer Vielschichtigkeit, die weit darüber hinaus geht.

Im Zentrum der Handlung steht das Kleine-Leute-Viertel Unidad Modelo in Mexiko-City, in dem der Ich-Erzähler Juan Guillermo und sein Bruder Carlos aufwachsen. Das Leben findet zu großen Teilen auf den flachen Dächern der Häuser statt, die »Landschaft aus Wassertanks, Wäscheleinen und Fernsehantennen« ist ein Ort, an dem sich besonders die jungen Menschen treffen. Es gibt Wege von Dach zu Dach, die schmalen Gassen müssen übersprungen werden. Der Grund für diese Rückzugsgebiete ist die politische Situation: Es ist das Jahr 1969 und die konservative mexikanische Regierung mit ihrer Kommunisten-Paranoia geht rigoros gegen jeden vor, der nicht in das offizielle Weltbild passt; lange Haare bei einem Mann reichen, um von den patrouillierenden Polizisten zusammengeschlagen zu werden. Ein Jahr zuvor endete eine Studenten-Demonstration im Kreuzfeuer des mexikanischen Militärs. „Zum Wolf werden“ weiterlesen

Mittelalter ohne Folklore

Holger Karsten Schmidt: Isenhart

»Isenhart« von Holger Karsten Schmidt ist ein historischer Roman, der deutlich aus dem Einheitsbrei dieses Genres herausragt. Beurteilt man ihn nur nach dem Klappentext, wird dies nicht sofort deutlich. Dort ist von einem Serienmörder die Rede, von einem mittelalterlichen Profiler; insgesamt entsteht dadurch ein falscher Eindruck von diesem großartigen Buch. Denn es handelt sich hier nicht um einen Mittelalter-Krimi. »Isenhart« ist viel mehr als das. „Mittelalter ohne Folklore“ weiterlesen