Every move you make

Anthony McCarten: Going Zero

Es war ein seltsamer Zufall: Beim Einkaufen dachte ich darüber nach, mit welchen Sätzen ich die Buchvorstellung des Romans »Going Zero« von Anthony McCarten beginnen könnte. Und während ich den Einkaufswagen durch die Gänge des Supermarkts schob, lief im Hintergrund der alte Police-Song »Every Breath You Take«. Ausgerechnet. »Every breath you take | And every move you make | Every bond you break | Every step you take | I’ll be watching you«: Auch wenn es darin eigentlich um das Psychogramm eines Stalkers geht, beschreiben diese fünf Songzeilen den perfekten Überwachungsstaat. Und genau davon erzählt »Going Zero«. Von der totalen Überwachung. Das ist natürlich kein neuer Romanstoff, da die Brisanz dieses Themas spätestens seit Edward Snowden allen Menschen klar sein dürfte. Doch Anthony McCarten wählt einen eher spielerischen Ansatz, um sich damit zu beschäftigen, zumindest zu Beginn der Handlung. Bevor einiges aus dem Ruder läuft. Na ja, eigentlich alles. „Every move you make“ weiterlesen

Seele zu verkaufen

»Wenn das Internet der Buchdruck wäre, würden wir gerade im Jahr 1460 leben.« Dieses Zitat habe ich schon einmal hier im Blog verwendet, ohne zu wissen, von wem es stammt. Aber es beschreibt, so finde ich, ziemlich gut die Dimension der technischen und gesellschaftlichen Umwälzungen, in denen wir uns befinden und die uns ein Leben lang begleiten werden. Ebenso wie die Leben der kommenden Generationen. Seit ich den Satz das erste Mal zitiert habe, sind inzwischen fast zehn Jahre vergangen; ich weiß immer noch nicht, woher ich ihn habe, aber wir wären nun im Jahr 1470 – und stehen gerade an der Schwelle zur nächsten Stufe der technischen Entwicklungen. Entwicklungen, die vermutlich drastische Auswirkungen auf unsere Zukunft und unser Verhalten haben werden. Der Roman »Candy Haus« von Jennifer Egan passt perfekt in unsere sich rasant verändernde Welt und ich habe ihn nicht nur mit großer Begeisterung, sondern auch mit einem leichten Gruseln gelesen. Denn die nahe Zukunft, in der er zum großen Teil spielt, könnte bald auch unsere Gegenwart sein – so eng liegen beide zusammen. „Seele zu verkaufen“ weiterlesen

Schlaflos in Stuttgart

Frank O. Rudkoffsky: Fake

Nicht oft führt ein Roman die Leser nach Stuttgart. Stopp! Bitte nicht gähnend wegklicken. Denn die eigentliche Handlung in »Fake« von Frank O. Rudkoffsky spielt in den Weiten der sozialen Netzwerke. Das Buch zeigt auf eine beeindruckende Weise, wie sehr virtuelle und reale Welt zusammengehören. Wie diese Unterscheidung eigentlich schon längst verschwunden ist. Wie das Verhalten im Digitalen unser Leben im Realen mehr prägt, als sich viele eingestehen möchten. Und wie dies manchmal fatale Folgen haben kann. „Schlaflos in Stuttgart“ weiterlesen

Blogs als Literaturvermittler? Dreimal Treibgut

Treibgut: Literaturblogs als Literaturvermittler?

Das Internet wirkt manchmal wie ein riesiger Fluss, der ununterbrochen vorüberströmt. Ein Fluss aus unzähligen Beiträgen, Artikeln, Tweets, Posts, Texten aller Art. Vielleicht habe ich dieses Bild deshalb vor Augen, weil ich gerade die Bayou-Trilogie »Im Süden« gelesen habe; die ersten Krimis von Daniel Woodrell, angesiedelt in einem fiktiven Ort im Mündungsgebiet des Mississippi. Und dieser gewaltige Fluss ist in der Handlung der Romane ständig präsent, Landschaft und Menschen prägend.

Aber heute soll es nicht um ein bestimmtes Buch gehen, sondern um das Treibgut, das einem der virtuelle Strom Internet ab und zu vor die Füße spült. Denn in den letzten Wochen waren es drei Textstücke, die kurz hintereinander bei mir landeten und in ihren gegenteiligen Aussagen so schön zueinander passten, dass ich sie hier miteinander verknüpfen möchte. „Blogs als Literaturvermittler? Dreimal Treibgut“ weiterlesen

Drei Jahre Kaffeehaussitzer

Drei Jahre Kaffeehaussitzer

Vor drei Jahren ging der erste Blogbeitrag auf Kaffeehaussitzer online. Damals war mir ganz und gar nicht klar, was für eine spannende Reise damit beginnen sollte. Von Literaturblogs hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt kaum gehört, hatte irgendwann einmal den Domainnamen Kaffeehaussitzer gesichert und dann die diffuse Idee, diesen Namen zu nutzen, um über Bücher zu reden. Genau das machte mir schon immer Spaß, ob als Buchhändler oder in einer Runde mit anderen literaturbegeisterten Menschen. Es folgten irgendwann die ersten vorsichtigen Gehversuche auf Facebook. Recht spät, denn das Netz und ich – das war die Geschichte einer langsamen Annäherung und die sozialen Plattformen habe ich erst nach und nach für mich entdeckt.

Lange Rede kurzer Sinn: Dann ging es los mit dem Kaffeehaussitzer und ich stellte mit Erstaunen und Begeisterung fest, wie viele Gleichgesinnte, in ihren Lesevorlieben aber auch so unterschiedliche Menschen sich in der Literatur-Blogosphäre tummeln. Und bin dankbar dafür, wie viele von ihnen ich bis heute persönlich kennenlernen durfte – ob im realen Leben oder virtuell. Was als vages Blog-Projekt begann, ist inzwischen zu meiner virtuellen Identität geworden, die nicht im Gegensatz zum echten Leben steht, sondern ein bedeutender Teil davon ist. „Drei Jahre Kaffeehaussitzer“ weiterlesen

Wollt ihr die totale Transparenz?

Dave Eggers: Der Circle

Vor ein paar Jahren behauptete eine Kollegin voller Überzeugung, dass man über sie nichts im Internet finden würde. Nach einer fünfminütigen, unangestrengten Google-Recherche wusste ich ihren zweiten Vornamen und ihre Mobiltelefonnummer. Aber das ist vollkommen harmlos, jedenfalls im Vergleich zu der völligen Transparenz, die zu erreichen sich die Firma Circle auf die Fahnen geschrieben hat. Circle ist so eine Art Über-Google, ein fiktives Unternehmen in einer nahen, sehr nahen Zukunft und der  Namensgeber von Dave Eggers Roman: »Der Circle«. „Wollt ihr die totale Transparenz?“ weiterlesen

Das Hotel des Cousins 2.0

Marc Elsberg: Zero

Facebook? Apple? Google? Amazon? WhatsApp? Alles Schnee von gestern. Der Datensammler der Zukunft heißt Freemee. Zumindest im Roman »Zero« von Marc Elsberg. Das Geschäftsmodell ist perfide genial: Jeder Nutzer von Freemee sammelt in seinem Account so viele persönliche Daten wie möglich. Alle Daten, vom Kontostand bis zum Blutdruck. Wenn er möchte, kann er sie dann an Freemee zur weiteren Nutzung verkaufen, ganz nach dem Motto »Meine Daten gehören mir«. Das klingt erst einmal recht plausibel, denn bisher wurden die Daten der Internetnutzer zu Geld gemacht, ohne dass sie davon etwas hatten. Aber es ist natürlich Unsinn. »In dieser vernetzten Welt ist Kontrolle über dein Leben eine Illusion! Willst du die Vorzüge der modernen Zivilisation genießen, kannst du das nicht ohne die andere Seite der Münze„Das Hotel des Cousins 2.0“ weiterlesen