Nachbuchmesseblues

Leipziger Buchmesse

Seit 1998 war ich jedes Jahr – mit nur einer Ausnahme – auf der Leipziger Buchmesse. Mal während des Studiums als Standbetreuer, mal beruflich, mal privat, aber immer sind die paar Tage im März ein Highlight im Jahresablauf. So gepackt voll mit persönlichen Begegnungen waren sie aber selten und ich führte eine Menge interessanter und anregender Gespräche; so viele, dass man sich an das Ankommen im Alltag erst wieder gewöhnen muss. Ein richtiger Nachmesseblues eben.

Seit Kaffeehaussitzer im Juni 2013 online gegangen ist, bin ich im regen Austausch mit anderen Literaturbloggern. Es ist ein sehr angenehmes Netzwerk Gleichgesinnter, dass da entstanden ist, die Kommunikation findet über Twitter, Facebook und unsere Blogs statt. Nur gesehen hatte ich von all diesen Menschen im realen Leben noch nie jemanden. Nun, dies hat sich jetzt geändert. Und wie.

Die Leipziger Buchmesse hatte im Vorfeld ohnehin die Literaturblogger als Multiplikatoren für sich entdeckt. Die Betreiber etablierter Buchblogs konnten sich akkreditieren und erhielten einen Presseausweis, es gab eine Bloggerlounge als Treffpunkt mitten im Geschehen und die 15 für den Preis der Leipziger Buchmesse kandidierenden Bücher erhielten je einen Bloggerpaten. Hierfür konnten sich Literaturblogger bewerben, die Auswahl traf eine Jury. Zu all diesen erfreulichen Entwicklungen haben sich schon zahlreiche Bloggerkollegen und -kolleginnen geäußert, eine sehr gelungene Analyse findet man etwa auf 54books. Es gab Lob, Erfahrungsberichte, auch Kritik und viele Diskussionen auf Facebook. Der erste Versuch des Einbindens der Literaturblog-Szene in das Buchmessegeschehen ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und man wird sehen, was sich daraus entwickeln wird.

Bei mir fing alles – mal wieder – auf Twitter an. Simone vom Blog Papiergeflüster schrieb einen Tweet, in dem sie fragte, ob ich auch in Leipzig sei, damit man sich einmal persönlich kennenlernen könne. Irgendwie verselbständigte sich die ganze Sache, letztendlich initiierte sie spontan ein Bloggertreffen in der Bloggerlounge. Und der Andrang war bemerkenswert. Viele waren gekommen, und endlich begegnete ich zum Beispiel Jochen von Lustauflesen, Linus von Buzzaldrins Bücher, Sophie von Literaturen, Tilman von 54books, Steffi von Bücherkinder, Stephanie von Lesenslust, Charlotte von besonders buch, Gérard von Sounds & Books, Tobias von buchrevier, Sonja von lustzulesen und noch zahlreichen anderen. Es war herzlich, unkompliziert und natürlich auch faszinierend, all die Menschen einmal im realen Leben zu sehen, mit denen man sich seit geraumer Zeit so intensiv über Bücher und Literatur austauscht. Ein schönes Erlebnis.

Und natürlich traf ich auch Menschen aus der Branche, die ich schon lange kenne, mit denen ich studiert habe, unterhielt mich mit den Verantwortlichen für Social-Media und Online-Presseaktivitäten verschiedener Verlage. Da ich ja beruflich selbst für die Unternehmenskommunikation eines Fachverlags verantwortlich bin, ist es auch immer sehr spannend, sich mit den Kollegen aus der Belletristik zu auszutauschen. Insgesamt also ein unglaublich bereichernder Ausflug nach Leipzig.

Und natürlich die Stadt selbst. Eigentlich wollte ich mir noch Zeit nehmen, um wieder auf die Suche nach lohnenden Photomotiven zu gehen, aber das nasse und graue Wetter machte mir einen Strich durch die Rechnung. Doch meine Unterkunft entschädigte mich dafür voll und ganz. Denn durch das Studium in Leipzig kenne ich noch einige Menschen in dieser Stadt und hatte mich bei einem langjährigen Freund einquartiert, der seit kurzem in einer WG wohnt. In einem der letzten unsanierten Gründerzeitpaläste im Waldstraßenviertel, eine gigantische Wohnung mit 250 Quadratmetern Grundfläche und vier Meter fünfzig hohen Räumen. Alles mit einem maroden Charme, eine beeindruckende gußeiserne Wendeltreppe mit ausgetretenen Holzstufen, ein verschrammter Dielenboden, bröckelnde Wände, Original-Jugendstilfenster, Flügeltüren. Ich mag das. Und mit viel Kunst an den Wänden, denn die Hauptmieterin der Wohnung ist eine Leipziger Künstlerin, die schon seit 1994 ihr Atelier in der legendären Baumwollspinnerei in Leipzig-Plagwitz hat.

Und die Zeit der Begegnungen schloss sich nahtlos an die Messe an: Als ich die Wohnung betrat, fiel mir ein, dass ich vor 15 Jahren genau dort zu einer Party eingeladen war und mich diese riesigen Räume damals schon beeindruckt haben. Und jetzt war es, als wäre die Zeit stehen geblieben. Damit aber nicht genug, beim nächtlichen, biertrinkenden Gespräch mit einem der anderen Bewohner stellten wir fest, dass wir aus dem gleichen Ort am Bodensee stammen und natürlich auch gemeinsame Bekannte hatten. Ich wohne seit mehr als 25 Jahren nicht mehr dort, aber es holt einen immer wieder ein. Faszinierend.

Manchmal gibt es so Orte, an denen alles irgendwie zusammenläuft. Für mich gehört Leipzig definitiv dazu. Immer wieder.

Schön war es und ich freue mich jetzt schon auf die Leipziger Buchmesse 2016.

Leipzig: Treppenhaus im Waldstrassenviertel

10 Antworten auf „Nachbuchmesseblues“

  1. Irgendwann will ich unbedingt hin. Aber dass ich in Frankfurt wohne, lässt sich da leichter auftauchen, als nach Leipzig zu fahren. Klingt aber immer sehr spannend. Naechstes Jahr. Hoffentlich.

    Ich habe neulich erst dein Blog entdeckt. Obwohl wir sehr verschiedene Sachen lesen, ich bin total verliebt in deine Bilder. Toll.

    1. Leipzig ist eine großartige Stadt und die Buchmesse dort eine tolle Veranstaltung. Das lohnt sich unbedingt! Ja, und vielen Dank für das Lob, das freut mich sehr!

  2. Oh, den Nachbuchmessenblues kenne ich auch und bei deinem Bericht ärgere ich mich gleich noch mehr, dass ich dieses Jahr nicht dabei sein konnte! Ich finde es großartig, dass nun auch die Buchmesse auf die vielen Literaturblogger aufmerksam geworden ist und sie offenbar nicht mehr ignorieren kann. Bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt.
    Viele Grüße,
    Marlene

  3. Uwe, es hat mich sehr gefreut, dir mal im realen Leben zu begegnen. Ich bin nach wie vor fasziniert von deinen Fotos. Du bist eine echte Inspiration! Atmosphärisch haun die mich immer vom Hocker. Egal ob es sich dabei um „heruntergekommene Gebäude“ oder in Szene gesetzte Bücher handelt. Einfach toll! Diesen unsanierten Gründerzeitpalast hätte ich auch gern vor die Augen bekommen. War sicherlich beeindruckend. Was die Leipziger Buchmesse und das Buchbloggertreffen in der Bloggerlounge angeht, bin ich geflasht. Du wirst lachen, aber es kommt mir tatsächlich vor, als wär ich am Wochenende auf einem Familientreffen gewesen. Dieses Kennenlernen und anschließende „sich vertraut sein“ hat eine derartige Eigendynamik in meinem Geist entwickelt, dass es mir vorkommt, ich kenn euch schon seit Jahren. Ich bin gespannt, wann man sich mal wieder über den Weg läuft. Vor der Frankfurter Buchmesse hab ich ja ein wenig Respekt. Irgendwie scheint es mir, als ist das eine Hausnummer zu hoch für mich. Soll ja schon ein wenig anders sein als die Leipziger Buchmesse. Vielleicht genüge ich mich damit, dass ich nächstes Jahr wieder dabei sein werde. Man liest sich, liebe Grüße Steffi

    1. Steffi, vielen herzlichen Dank für dieses nette Lob. Das freut mich sehr zu hören. Mir ging es ähnlich wie Dir, es fühlte sich wirklich an wie ein Familientreffen. Und die Frankfurter Buchmesse ist einfach nur etwas größer und Business-geprägter, es ist unter der Woche ja auch keine Publikumsmesse. Aber toll ist es da auch, wobei ich dort immer beruflich bin, während Leipzig ein rein privater Besuch war. Aber jetzt kommen erst einmal der Frühling und der Sommer, da mag ich noch gar nicht an den Herbst denken. Liebe Grüße, Uwe

    1. Ja, ich fand es auch sehr schade, dass wir uns um einen Tag verpasst haben. Aber nach der Buchmesse ist vor der Buchmesse und wer weiß, was das Jahr sonst noch so bringen wird…

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